Mülheim. Der Vater zweier Kinder stirbt plötzlich, dann erkrankt die Jüngste schwer. So helfen Freunde der Mutter nach zwei Schicksalsschlägen.
„Ein krankes Kind ist der größte Schmerz der Eltern.“ Diesen Satz, Schwarz auf rosa Grund, haben Freunde einer Mülheimer Familie über ihren Spendenaufruf gestellt. Nur ist das sterbenskranke Kind für Stefanie P. nicht der einzige Schmerz: Es war im Mai und kurz vor Pfingsten, als ihr Mann Holger, der Vater der beiden Töchter (8 und 12) nicht von der Arbeit zurückkam. Herzinfarkt. Was kann eine Familie aushalten?
Holger P. war 52 Jahre alt und Dachdecker. Ein guter, ein beliebter Mitarbeiter der Firma von Roland van Waasen. „Er ging morgens zur Arbeit und kehrte nicht mehr nach Hause zurück“, erzählt der Chef. Er hatte ihn allein zu einem Kunden geschickt, das passiert nicht oft. Auf dem Rückweg sei sein Geselle auf der Straße zusammengebrochen, man fand ihn schnell, gleich in der Nähe des Marien-Hospitals. Von dort kam er in eine Fachklinik nach Duisburg, wurde operiert, bekam vier Stents gesetzt. Am Abend noch sprachen die Ärzte von „Glück“, Ehefrau Stefanie hoffte. „Ein Kämpfer“, sagten die Experten. Doch in der Nacht fiel ihr Mann nach Hirnblutungen ins Koma. Wenn er überhaupt wieder wach geworden wäre, erinnert sich van Waasen an die trostlosen Nachrichten: „Dann wäre er nicht mehr Holger gewesen.“ Die Familie musste entscheiden, nach einigen Tagen wurden die Geräte abgeschaltet.
Krankes Kind: Ärzte können den Hirntumor nicht operieren
Doch in die Trauer platzte der nächste furchtbare Schicksalsschlag: Vor wenigen Wochen erkrankte die kleine Tochter, acht Jahre ist die Grundschülerin alt. Abends auf dem Sofa hatte das Kind die ersten rätselhaften Symptome, Ärzte entdeckten einen Hirntumor. Inoperabel, wie sie laut van Waasen sagen, und offenbar unheilbar. Die Prognose ist nicht gut. „Die Mutter ist am Boden zerstört“, wissen Freunde. Derzeit versucht die Uniklinik Essen es mit Bestrahlung und Chemo, aber der Krebs ist aggressiv, und von der ambulanten Behandlung wird der kleinen Patientin immer schlecht. Vor der letzten MRT-Untersuchung wollte sie partout keine Betäubung: Zu groß war die Angst, erzählt Roland van Waasen, „nicht wieder wach zu werden“. Zum Jahreswechsel, immerhin, darf das Mädchen drei Wochen zu Hause bleiben.
Die „herzzerreißende Geschichte“ macht nicht nur in Mülheim-Styrum gerade schnell die Runde. Kollegen und Bekannte der Dachdeckerfirma reagierten „zutiefst berührt“, eine erste Whatsapp-Gruppe zum Spendensammeln brach binnen Stunden unter der Last der Nachrichten zusammen. Arbeitskollegen, Architekten, Kunden und Nachbarn wollen helfen. Dabei, sagt Roland van Waasen, „kann man gar nicht wirklich helfen“. Man könne sich die Situation der Drei gar nicht vorstellen, „ganz schlimm“, das sagt er immer wieder.
Freunde in Sorge: „Familie steht vor dem Abgrund“
Aber Hilfe tut not, denn die beiden Schicksalsschläge bringen die Familie auch in finanzielle Bedrängnis. „Die Belastung ist enorm.“ Vater Holger hatte zur Absicherung seiner Lieben ein Mehrfamilienhaus gekauft, seine „Frauen“ wohnen selbst darin. Aber das noch längst nicht abbezahlte Gebäude ist sanierungsbedürftig, nicht einmal die eigene Wohnung fertig renoviert. Mit dem ohnehin schon geringen Verdienst von Stefanie P., die in der Pflege arbeitet, „und dem nun eintretenden Krankengeld droht der finanzielle Kollaps“, heißt es in einem Spendenaufruf. „Die Familie steht vor dem Abgrund.“
Denn für die Witwe habe sich nicht nur „die Welt auf den Kopf gestellt“. Derzeit sehe die 45-Jährige sich nicht in der Lage, arbeiten zu gehen, zu groß seien ihr Kummer und die Sorge um ihr Kind. Sie könne nicht anders, als „die verbleibende Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen, ihr Liebe und Fürsorge zu schenken“. Und auch die Zwölfjährige braucht ihre Mama, obwohl die nun so oft mit der kleinen Schwester im Krankenhaus sein muss. Freunde wechseln sich bei der Betreuung ab, van Waasen sagt: „Wie muss das sein für das Kind: Du verlierst jeden, den du liebst.“
Bei Aufruf im Netz spendeten schon Hunderte
Auf der Plattform „Gofundme“ haben Mitfühlende deshalb am Dienstag einen Aufruf veröffentlicht: „Lasst uns gemeinsam helfen und dieser Familie in ihrer größten Not beistehen“, heißt es dort. Bis Donnerstagabend spendeten Menschen mehr als 17.500 Euro, dabei hatten die Initiatoren anfangs nur auf 5000 gehofft. Der Förderverein der Grundschule an der Landwehr sammelt Geld, ein Wünschewagen bringt die kleine Patientin demnächst ins Disneyland.
Firmenchef van Waasen hat ein Konto angelegt, auf dem alle Spenden eingehen. „Wenn wir sonst nichts tun können“, sagt er, „dann wenigstens, dass die Familie nicht auch noch gucken muss, ob sie einen Euro für ein Brot hat.“ Die Polizeistiftung David und Goliath, ebenfalls aus Mülheim, entschied spontan, der „schwer getroffenen Familie“ eine Soforthilfe von 10.000 Euro zukommen zu lassen. „Auch wenn wir das Geschehene nicht rückgängig machen können, möchten wir der Familie schnell und völlig unbürokratisch zur Seite stehen“, erklärt Stiftungschef Thomas Weise. „Wir hoffen sehr, dass unsere Spende zumindest dazu führt, dass die tapfere Familie für eine kurze Zeit die finanziellen Nöte vergessen kann.“
Dem kranken Kind wünscht Roland van Waasen ein Wunder. Im Krankenhaus hat die Achtjährige einen Wunschzettel geschrieben. Was sie sich wünscht, wird indes kein Spendengeld und auch kein Weihnachtswunder erfüllen können: Sie möchte gern gesund werden. Und ihren Papa zurück.