An Rhein und Ruhr. Nach dem Motto: „Levve un levve losse“ feiern Jecken die 5. Jahreszeit. Doch wie viel Toleranz wird queeren Narren wirklich entgegengebracht?
An den närrischen Tagen strömen wieder zahlreiche feiernde Jecken in bunten Kostümen in die Innenstädte. Für viele gehört einiges an Alkohol dazu. Dadurch steigt jedoch die Gefahr, dass einige Narren über die Stränge schlagen, die Hemmschwellen sinken und das Aggressionspotenzial steigt. Das kann insbesondere für queere Menschen ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Queer bedeutet, dass eine Person sich in ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von der vermeintlichen Norm (cis und heterosexuell) abhebt. Eine Person, die also beispielsweise schwul, lesbisch oder transident ist. Viele von ihnen haben im Alltag bereits Anfeindungen erlebt. Wie viel Akzeptanz bringen ihnen die Jecken an Karneval entgegen?
Die Veranstaltungen der schwul-lesbischen Karnevalsgesellschaft Regenbogen sind sehr beliebt
„Mir ist noch nie aufgefallen, dass wir als Verein oder aber auch unsere Mitglieder auf karnevalistischen Veranstaltungen angegangen wurden“, berichtet Norman Sandrock, Vorsitzender der KG Regenbogen in Düsseldorf. Ganz im Gegenteil sogar: Die Veranstaltungen der Karnevalsgesellschaft seien sehr beliebt. „Unsere Feiern in unserem Vereinslokal, dem Nähkörbchen, werden immer gut besucht.“
Frei nach dem Motto „Levve un levve losse“ kann dort jeder Jeck feiern, der möchte. „Wir haben dort auch noch nie miterlebt, dass man wegen seiner sexuellen Orientierung angefeindet wurde oder homophobe Aussagen getätigt wurden“, betont der Vorsitzende der größten schwul-lesbischen Karnevalsgesellschaft in Deutschland.
Das Nähkörbchen befindet sich etwas außerhalb der Altstadt – anders als die Bolkerstraße, die auch als längste Theke der Welt bekannt ist. „Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass dort eine andere Stimmung herrscht. Dort fließt oftmals auch noch mehr Alkohol. Dennoch: Negative Erfahrungen haben wir noch nicht gemacht“, so Sandrock.
Nun ist Düsseldorf auch bekannt dafür – genauso wie Köln – deutlich toleranter als andere Städte zu sein. Doch die KG Regenbogen ist während der 5. Jahreszeit auch außerhalb unterwegs. „Wir sind in großen sowie kleineren Städten unterwegs – beispielsweise Ratingen oder auch Neuss. Aber auch dort hat niemand Berührungsängste“, so Sandrock.
Queerer Karnevalsverein betont: „Am Anfang war es schwierig von anderen Karnevalsgesellschaften akzeptiert zu werden“
Auch von anderen Vereinen hätte er bisher nichts Gegenteiliges gehört. Er wolle zwar nicht ausschließen, dass es in manchen kleinen Orten oder Dörfern doch mal Vorbehalte gebe, aber Sandrock betont: „Die Leute sind heute deutlich aufgeklärter als noch vor einigen Jahren.“ Bei den Feiern der KG Regenbogen ist das Publikum gemischt. Kommen kann jeder, der möchte. Die sexuelle Orientierung würde auf den Veranstaltungen auch bei den Gästen keine Rolle spielen. „Darauf hat die queere Community auch all die Jahre hingearbeitet.“
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Queere Karnevalsvereine gibt es mittlerweile an Rhein und Ruhr einige. Neben der KG Regenbogen gibt es in Köln beispielsweise auch die StattGarde Colonia Ahoj, in Mönchengladbach die KG De Leckere Jecke oder auch in Krefeld die Rosa Jecken (um nur ein paar Beispiele zu nennen). Über diese Entwicklung freut sich auch René Sellmer, Vorsitzender der Rosa Jecken.
„Uns gibt es jetzt schon seit 23 Jahren. Am Anfang war es schwer. Da hatten wir das Problem, überhaupt erst von anderen Karnevalsgesellschaften akzeptiert zu werden“, erinnert sich der Vorsitzende. Nach zwei bis drei Jahren konnte der Verein aber festen Fuß im Brauchtum fassen. „Die Leute haben festgestellt, dass wir ganz normal Karneval feiern.“ Heute sind die Rosa Jecken der drittgrößte Karnevalsverein in Krefeld. „Unsere Veranstaltungen sind beliebt und auch immer ausverkauft“, freut sich Sellmer.
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Wie ein tolerantes Miteinander funktioniert, lebt der Verein vor. Zu den Mitgliedern gehören nämlich nicht nur schwule, lesbische oder transsexuelle Personen, sondern auch heterosexuell orientierte Menschen. „Anfeindungen erleben wir keine. Ich schaue nur in lächelnde Gesichter“, betont der Vorsitzende. Und auch auf Veranstaltungen außerhalb von Krefeld hat der Verein noch keine negativen Erfahrungen gemacht.
Emmerich hat zum ersten Mal ein gleichgeschlechtliches Prinzenpaar
„Es ist schön zu sehen, wie normal es mittlerweile geworden ist, queere Vereine zu gründen oder auch in sie einzutreten – auch wenn man selbst heterosexuell ausgerichtet ist“, so Sellmer.
Wie bunt der Karneval geworden ist, zeigt in diesem Jahr auch Emmerich. Mit Thorsten und Steffen Gartenmeier regieren dort zum ersten Mal zwei Prinzen. „Für uns ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen“, freut sich Thorsten. Karnevalistisch waren die beiden Prinzen schon viele Jahre aktiv. Thorsten war viele Jahre beim Emmericher Kolpingkarneval, doch vor allen Dingen war er Tänzer bei der Tanzgruppe No Limit. Steffen ist seit 19 Jahren aktiv im Eltener Kolpingkarneval – die Liebe zum Karneval liegt bei ihm in der Familie. Durch den Karneval haben auch Steffen und Thorsten zueinander gefunden. Seit 2011 gehen sie als Paar durchs Leben, 2017 folgte die Hochzeit.
„Als Karnevalist freut man sich, dieses Amt nun ausüben zu können. Es ist für uns beide mit sehr vielen Emotionen verbunden“, betont Thorsten. Die Reaktionen auf das gleichgeschlechtliche Prinzenpaar fallen durchweg positiv aus. „Wir können uns sehr glücklich schätzen, dass wir keinerlei Anfeindungen bekommen und mit offenen Armen empfangen werden.“
Und Emmerich ist nicht die Ausnahme: Auch in Düsseldorf-Unterbach regiert diese Session ein gleichgeschlechtliches Prinzenpaar, wie auch 2020 bereits in Mönchengladbach. „In der heutigen Zeit sollte das auch zur Normalität gehören“, betont Thorsten.