Amsterdam. Nach Rembrandt und Vermeer zeigt das Rijksmuseum in Amsterdam den Dritten im Bunde der großen drei niederländischen Maler: Frans Hals
Nach dem Hype ist vor dem Hype. Kaum hat das Rijksmuseum in Amsterdam die rekordverdächtigen Besucherzahlen der Vermeer-Ausstellung – rund 650.000 kamen, um den Meister aus Delft zu sehen – verdaut, präsentiert es genau ein Jahr später mit Frans Hals (1582-1666) einen weiteren Maler des Goldenen Zeitalters der Niederlande.
Diese Schau war überfällig, denn der Haarlemer Künstler gehört neben Rembrandt (für den der ältere Hals ein Vorbild war) und Vermeer zu den „Großen Drei“ der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, nur dass er bisher – aus welchen Gründen auch immer – weit weniger Beachtung fand. Dabei war er es, der das Lachen in die Gesichter seiner höchst lebendig wirkenden Porträtierten zauberte und damit zu den wenigen Künstlern gehörte, die sich dieser Herausforderung stellten.
Lachende Menschen zu malen, galt als sehr schwierig. Zu Zeiten von Frans Hals war es außerdem nicht üblich, Zähne zu zeigen, was keiner großen Erklärung bedarf. Auch seine Fähigkeit, Bewegung auf die Leinwand zu bringen, unterschied Frans Hals von seinen Kollegen, wie Taco Dibbits, Direktor des Rijksmuseums, bei der Preview erklärte: „Vermeer malte nur sehr wenige Bilder, weil er sehr lange dafür brauchte. Hals malte sehr schnell, mit einem Pinsel, der über die Leinwand tanzte. Indem er so schnell und frei malte, setzte er Energie und Bewegung in seinen Motiven frei. Und das war etwas völlig Neues.“
Auftragsarbeiten
Von den 200 Werken, die Hals im Laufe seines Lebens malte (zum Vergleich: Vermeer schuf 45 Werke, von denen heute noch 35 existieren), sind rund 50 in der Ausstellung versammelt. Keine chronologische Überfrachtung sollte es sein, sondern ein Rundgang, der es ermöglicht, thematisch in die Bilder einzutauchen. So finden sich in zehn Sälen kleinformatige Gemälde, Familienporträts, Gruppenansichten von Regentinnen, die im 17. Jahrhundert für die Verwaltung karitativer Einrichtungen zuständig waren, sowie Zunftbilder. Letztere zeichnen sich oft dadurch aus, dass die Protagonisten nicht immer dem Künstler oder dem Betrachter ins Auge blicken, sondern auch untereinander agieren, was das Bild belebt. Es waren vor allem diese Schützenstücke, die als Auftragsarbeiten Geld in die Kasse spülten, was die Verarmung des Künstlers in seinen letzten Lebensjahren aber nicht verhindern konnte.
Zu sehen sind auch viele freie Arbeiten aus dem „Milieu“, wie Trinker, Prostituierte, Verrückte, Kinder (zum Teil seine eigenen) und Musikanten, die Hals Modell stehen ließ. Am heitersten erscheint hier „Der Lautenspieler“ (um 1623). Mit wildem Haar, roten Wangen, Dreitagebart und verschmitztem Blick wirkt er sehr authentisch und lebensnah, um nicht zu sagen fotorealistisch. „Es ist erstaunlich, wie es Hals gelingt, einen Moment festzuhalten, und das rund 200 Jahre bevor die Fotografie erfunden wurde“, sagt auch Kurator Friso Lammertse. Ein Grund vermutlich, warum dieser junge Mann zum wichtigsten Marketinginstrument der Ausstellung wurde. Neben dem Ausstellungsplakat ziert er als Fotowand den Museumsshop, das Etikett eines eigens herausgebrachten Weines sowie große Werbeflächen an der Außenfassade des Rijksmuseums.
Leihgaben, auch aus Haarlem
Ein weiterer Höhepunkt der Schau ist das Gemälde „Der lachende Kavalier“ von 1624, das als das berühmteste von Frans Hals gilt. Zum ersten Mal hat der stattliche Ehrenmann im Brokat-Mantel und in selbstbewusster Pose, der mehr lächelt als lacht, ein Heimspiel in den Niederlanden. Allerdings nur für die Dauer der Ausstellung. Denn danach geht es zurück in die Wallace Collection nach London, wo es seit 1870 hängt.
Die vorübergehende Rückkehr des Porträts erfolgt dank der historischen Entscheidung des Londoner Museums, ab 2019 erstmals Kunstwerke auszuleihen. Andere Gemälde, wie die legendäre Barbara in „Malle Babbe“ (um 1640), kommen aus der Gemäldegalerie in Berlin, wohin die Ausstellung als Nächstes wandert. Auch das „Frans Hals Museum“ im nur 15 Zugminuten entfernten Haarlem hat mit einigen Werken zu dieser fulminanten Schau beigetragen. Darunter das großformatige „Festmahl der Offiziere der St.-Georgs-Schützengilde“, Hals’ frühestes Milizgemälde aus dem Jahr 1616, das zum ersten Mal überhaupt verliehen wurde.
Haarlem, die Stadt, in der Frans Hals aufwuchs, lebte und in der St.-Bavo-Kirche begraben liegt, bewahrte die Gruppenbildnisse der Schützengilden und Armenhaus-Regenten jahrzehntelang auf dem Dachboden des Rathauses auf. Künstler wie Courbet, Manet, Monet, Van Gogh oder der Amerikaner McNeill Whistler pilgerten hierher, um den Vorläufer des Impressionismus zu studieren.
Auch Max Liebermann, der viele Sommer im nahen Küstenort Zandvoort verbrachte, schwärmte von Hals’ virtuosem Pinselstrich, den er immer wieder zu kopieren versuchte, so am Beispiel der vollbusigen „Bohémienne“ von 1632. „Warum gefällt uns ein Porträt von Frans Hals so gut?“, fragte er einmal in einem Brief, um selbst die Antwort zu geben: „Weil es uns überzeugt. Und warum überzeugt es uns? Weil es lebt.“
Heute sind Hals’ Bilder im 1913 eröffneten „Frans Hals Museum“ zu sehen, einem ehemaligen Altmännerhaus aus dem 17. Jahrhundert in der „Groot Heiligland“, genau in der Straße, in der der Vater von 14 Kindern gewohnt haben soll. Aus dieser weltweit größten Sammlung sind 17 Gemälde zu sehen, darunter ein weiteres Gruppenbild der St.-Georg-Schützengilde, der Hals seit 1612 angehörte. Die Bewegung kommt hier vor allem in den Waffen und Fahnen der Schützen zum Ausdruck. Einer von ihnen ist der Meister selbst, was dieses Porträt so besonders macht, denn es gibt kein weiteres Selbstporträt von ihm.
Wer meint, es sei der mit dem auffallend gelben Mantel in der Bildmitte, der irrt. Hals ist der unscheinbare Zweite links oben in der zweiten Reihe, der dem Betrachter in die Augen schaut. Nur sein Gesicht ist zu sehen. Statt sich selbst in den Vordergrund zu stellen, präsentiert er ein anderes Gilde-Mitglied mit einem Kragen, der weißer ist als der der anderen, mit Wangen, die röter sind als die der anderen, und einer Schärpe, die blauer ist als die der anderen – als wolle Hals dem Kollegen in den Mund legen: „Seht her, ich bin es, der große Frans Hals, holländischer Meister des 17. Jahrhunderts!“
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Frans Hals: von Amsterdam nach Berlin
Frans Hals, bis zum 9. Juni im Rijksmuseum Amsterdam. Dann vom 12. Juli bis zum 3. November in der Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin. Tickets gibt es hier.
„Frans Hals Museum“ Haarlem: Neben Werken von Hals sind auch solche von Zeitgenossen, unter anderem seiner Schülerin Judith Leyster, zu sehen. Außerdem in der Kollektion: Arbeiten von 1880 bis heute, unter anderem von Piet Mondrian, Charley Toorop und Rineke Dijkstra. Weitere Infos hier.