Aus den Niederlanden. Bei einer Kundgebung sind gut 180 historische Schiffe vor Amsterdam zusammengekommen. Skipper weisen auf ihre Lage während der Corona-Krise hin.
Vor der niederländischen Insel Pampus bei Amsterdam liegen sie vor Anker: Fast 180 historische Passagierschiffe schaukeln auf den grau-grünen Wellen. Praktisch eine ganze Flotte, die Segel eingezogen. Ein Meer aus Masten im Ijmeer.
Die Wellen schwappen gegen die Bäuche des „Waterwolf“, der „Ambiance“, der „Maxima“ und all der anderen Schiffe, während die Sonne auf der See glitzert und Akkordeon und Gesang übers Wasser hallen. Ein idyllischer Anblick. Wenn die Hörner nicht einmal pro Stunde laut um Hilfe rufen würden.
Protest vor Amsterdam: Skipper der historischen Passagierschiffe demonstrieren
„Wir versuchen, ein Stück Historie zu erhalten“, so Sylvelin Rinnen, die aus Xanten stammt und als Skipperin – also Schifferin oder Kapitänin – auf den niederländischen Binnengewässern unterwegs ist. Denn Corona könne schlimmstenfalls das Ende der historischen Schifffahrt bedeuten. Am Dienstagmorgen haben Sylvelin Rinnen und mehr als 175 Kollegen „aus allen Richtungen des Landes“ Kurs auf Amsterdam genommen, um dort bei einer Kundgebung für mehr finanzielle Unterstützung in Corona-Zeiten zu werben.
Die Angst der Skipper und Buchungsbüros: Dass nicht nur ihr Umsatz durch die Coronakrise weiter sinkt, sondern die gesamte Branche um die gut 400 alten Passagierschiffe untergeht – und damit das historische Erbe selbst für immer verschwindet. Der Unterhalt fresse viel Geld. Es seien zwar diverse Hilfspakete von der Regierung initiiert worden. Doch die seien für die Schiffer „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Petition fordert Notfonds für die Schiffer von niederländischer Regierung
Die Interessensvertretung „Hollandsche Zeilvloot“ hat deshalb eine Petition gestartet und fordert einen Notfonds, um die Umsatzeinbrüche zu kompensieren. „Es geht um mehrere Millionen“, sagt Pouwel Slurink vom Komitee. Denn die finanzielle Unterstützung der Regierung für Unternehmen reiche bei weitem nicht aus. Wie viel Geld wirklich nötig sei, hänge davon ab „wie lange das alles noch dauert“.
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Mehr als 16.000 Unterschriften sind bereits zusammengekommen. „Ab 40.000 müssen wir offiziell angehört werden“, sagt Sven Timmann, der aus Hamburg stammt und sein Leben in Deutschland ebenfalls für ein eigenes Schiff auf niederländischen Gewässern getauscht hat. Als Eigner der „Ambiance“ bietet er „erlebnispädagogische Reisen“ an. Gäste - meist sind es Schulklassen - kommen in diesen Zeiten nicht an Bord.
Schulausflüge: Die meisten Schiffsgäste kommen aus Deutschland
Mit der Aktion wollen die Schiffer vor allem eins: Aufmerksamkeit für ihr Anliegen. Denn obwohl die Passagierschiffe niederländisches Erbgut sind, stünde die Branche im eigenen Land kaum im Visier. Vielmehr kämen jedes Jahr unzählige Gruppen aus Deutschland für Schiffsfahrten im Ijsselmeer über die Grenze. 70 bis 80 Prozent der Gäste, schätzt Sven Timmanns.
Schulausflüge scheinen angesichts der Pandemie noch nicht denkbar. „Wir wollen auf lange Sicht wieder mit unseren ganzen Gruppen fahren können“, sagt Pouwel Slurink. Reisen auf den Schiffen gingen theoretisch zwar schon, „aber nur mit sehr begrenzter Kapazität, mit so sechs bis acht Menschen“.
Werden die niederländischen Schiffe von neuen Corona-Lockerungen profitieren?
Unter diesen Umständen stünden äußerst schwere Zeiten bevor, denn der „Löwenanteil“ des Geschäfts werde in den Sommermonaten umgesetzt, wie es in einem Brandbrief an das Ministerium für Wirtschaft und Klima heißt. „Wir müssen innerhalb einer Saison so viel Geld verdienen, dass wir durch den Winter kommen“, beschreiben Skipperin Sylvelin Rinnen und Sven Timmann.
Ab dem 1. Juli stehen neue Lockerungen an, nach denen auch Campingplätze und öffentliche Sanitäreinrichtungen wieder öffnen dürfen. Wenn die Lockerung auch Erleichterung für die Schiffsreisen in größeren Gruppen bringe, sehe die Lage wieder besser aus, meint Pouwel Slurink, der selbst ein Buchungsbüro für die Schifffahrten hat.
Für Sylvelin Rinnen und Sven Timmann geht es nicht nur um ihre Arbeit, sondern auch um ihr Zuhause. Beide leben an Bord ihrer Schiffe, wie es „jahrhundertalte Tradition“ ist. Deshalb tönen die Hörner zur nächsten vollen Stunde wieder laut. Sie wollen die Schiffe in all ihrer Glorie präsentieren.