Niederlande. Volle Hörsäle und etliche Zulassungsbeschränkungen bestimmen den Alltag an deutschen Unis. In den Niederlanden läuft das ein wenig anders.

„Hi, I am Rutger! How can I help you?“ Ein freundliches, offenes Lächeln, dann sitzt er bei Zoe und Sarah am Tisch. Rutger ist Dozent, er lehrt Communications Science an der Uni Twente in Enschede. Wie ein Professor sieht der End-Zwanziger mit seiner modernen Frisur und seinen stylischen Klamotten wahrlich nicht aus. Die beiden deutschen Studentinnen, die von ihm gerade so locker im Rahmen der „Open Days“ an der UT angesprochen wurden, sind positiv überrascht. Ja, das ist schon eine andere Umgebung hier als bei uns zu Hause an der Uni Essen beziehungsweise Köln. Typisch Holland, denken sich Zoe und Sarah, sehr cool. „If you have any questions, you can come to my office. The door is always open“, sagt Rutger nach dem kurzen Austausch und zieht weiter.

Zoe und Sarah gucken sich an und denken, sie sind in einem anderen Film. Wie, die Tür zum Büro des Profs ist immer offen? Wenn wir hier studieren, können wir da einfach reingehen und ihn was fragen? Nahezu undenkbar an einer der Unis, die sie bisher besucht haben.

An der UT in Enschede läuft das ein bisschen unkomplizierter. Vorher haben Zoe und Sarah schon an einem Quiz teilgenommen. Im Cube, einem der vielen auch architektonisch ansprechenden Gebäude auf dem Campus der UT, wird in kleinen Gruppen schon mal ein bisschen die Kreativität der angehenden KommunikationswissenschaftlerInnen gekitzelt. Johan steht an einem Laptop, wirft Charts an die Leinwand, damit die Teilnehmer dieser Übung alles gut sehen können. Er ist ebenfalls Dozent an der UT und überlegt mit den potenziellen StudienanfängerInnen, mit welchem neuen Markenlogo sich das in dem Quiz hier vorgestellte Unternehmen in die Zukunft aufmachen sollte.

Internationale Ausrichtung

Eigentlich wollte Zoe an der Uni Essen Kommunikationswissenschaften studieren, das war nach dem Abi im Sommer 2017. Weil aber der Numerus clausus auf 1,9 festgelegt war, klappte das mit ihrem Schnitt von 2,3 nicht. Sie schrieb sich für Germanistik ein, erst mal gucken… Dann fuhr sie vor einem Jahr zu den „Open Days“ an der University of Twente in Enschede. Seitdem war für die inzwischen 21-Jährige klar: „Hier will ich studieren.“ Und zwar nicht nur, weil es keinen NC gibt, sondern weil die Ausbildung praxisnah, persönlich und professionell ist. Seit dem 1. September 2019 ist sie an der UT im Fach Communications Science eingeschrieben – und glücklich mit ihrer Wahl.

So wie Zoe, zieht es etliche AbiturientInnen aus den grenznahen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an die Hochschulen bei unseren Nachbarn. Vor allem an der UT, der Radboud Uni in Nimwegen und der Fontys in Venlo, aber auch an der vom Ruhrgebiet oder dem Niederrhein ein paar Kilometer weiter entfernten Universität Maastricht wird auf dem Campus viel Deutsch gesprochen.

14 staatlich finanzierte Universitäten gibt es in den Niederlanden, die älteste steht in Leiden (1575 gegründet), die meisten StudentInnen registrieren die Unis in Amsterdam und Utrecht (beide etwa 30.000). International den größten Stellenwert hat allerdings die Erasmus-Universität in Rotterdam, deren Fakultäten in Medizin und Wirtschaft weltweit einen hohen Ruf genießen. Die international bunt gemischteste Studentenschaft weist derweil die Uni Maastricht auf, etwa 50 Prozent der StudentInnen und 40 Prozent der MitarbeiterInnen kommen nicht aus den Niederlanden, sondern aus über 100 Ländern weltweit.

Bei den Deutschen sind die Fächer Psychologie und Kommunikationswissenschaften am meisten gefragt, bei StudentInnen aus anderen Ländern stehen auch , Computerwissenschaften und International Business hoch im Kurs. Da viele Studiengänge an den Unis hierzulande mit einem Numerus Clausus belegt sind, umgehen angehende AkademikerInnen die Zulassungsbeschränkung mit einem Umzug ins Ausland. Wenn die Fächer dann auch noch in Deutsch oder Englisch statt nur in Niederländisch angeboten werden, ist der Weg frei für eine internationale Topausbildung mit besten Aussichten später auf dem Arbeitsmarkt.

Module und Gruppenarbeit

Die Uni Twente zum Beispiel lebt in ihrem Bildungsmodell folgende fünf Grundsätze: Bildung und Module, Projektarbeit, persönliche Verantwortung, gemeinschaftliches Lernen und keine langen Wege (Campus). Statt in den an deutschen Unis üblichen zwei Semestern werden an der Uni die Studienabschnitte in Module eingeteilt. Diese dauern zehn Wochen, in denen fachspezifische Themen intensiv von allen Seiten betrachtet wird. Am Ende des Moduls stehen Klausuren. „Mir hilft das sehr, meine Arbeit zu strukturieren“, sagt Zoe. „Die zehn Wochen bis zum Abschluss des Moduls sind sehr intensiv, aber dann hat man das nächste Ziel erreicht. Das gibt einem ein gutes Gefühl.“

Wie an deutschen Unis, sind es bis zum ersten Abschluss – dem Bachelor – nur drei Jahre. Im besten Fall geht man dann für ein Jahr ins Ausland und hängt den Master hinten dran. In dem Fall würde das Studium inklusive Auslandaufenthalt sechs Jahre dauern, eine Topausbildung aber ist dann garantiert.