Duisburg. Droht das Ende aller Dienstreisen? Wird Mensaessen vegan? Warum fährt zwischen beiden Standorten ein Dieselbus? Wir fragen die Uni-Leitung.
Universitäten haben auch den Anspruch, unsere Welt von morgen vorzubereiten. Also sollten sie doch auch beim Klimaschutz Vorreiter sein. Ist das so? Immerhin mit drei Tagungen zu den Fragen, wie sich Nachhaltigkeit erstens erforschen, zweitens lehren und drittens umsetzen lässt, hat sich die Universität Duisburg-Essen mit Nachhaltigkeit in eigener Sache befasst. Am Rande der dritten Tagung sprach Stephan Hermsen mit der Prorektorin für Universitätskultur, Diversität und Internationales, Karin Shire und dem scheidenden Kanzler Jens Andreas Meinen.
Wann und wie wird die Universität Duisburg-Essen klimaneutral? Gibt es da ein Ziel?
Jens Andreas Meinen: Wir bewegen uns im Rahmen eines Prozesses, den wir „Verwaltung 2030“ nennen. Dort wollen wir unseren Beitrag zur Klimaneutralität des Landes leisten. Einen genauen Zeitpunkt haben wir nicht festgeschrieben.
Was sind auf dem Weg dahin Ihre größten Baustellen?
Meinen: Universitäten beziehen sich gern auf Wissen. Wir sind dabei, eine CO₂-Eröffnungsbilanz zu erstellen, die alle Felder umfasst. Darauf werden sich unsere Schritte beziehen. Aber wir ahnen natürlich, dass die großen Faktoren unsere Gebäude, die Gebäudetechnik und die Rechenzentren sind. Ebenso die Mobilität: Wie bewegen wir uns zum Campus? Wie zwischen den Standorten? Damit verbunden ist auch das große Thema Dienstreisen.
Karen Shire: Man könnte die Frage auch anders stellen und beantworten: Was können Universitäten am besten tun? Wir können schon jetzt Lösungen suchen, dazu brauchen wir keine Jahreszahl als Ziel. Wir können durch Wissenschaft innovative Lösungen für Nachhaltigkeit finden. Dafür ist es wichtig, Klimaneutralität als Querschnittsthema zu verankern. Deswegen haben wir drei Workshops veranstaltet. Nachhaltigkeit erforschen, Nachhaltigkeit lehren und Nachhaltigkeit praktizieren.
Gibt es in der Hochschule Widerstände? Es könnte ja Fachbereiche geben, die sagen: Nachhaltigkeit ist bei uns zweitrangig.
Shire: Ich erlebe es eher so, dass die Fakultäten Nachhaltigkeit als Querschnittsthema erkannt haben. Forscherinnen und Forscher wollen Probleme lösen und fragen: Wie können wir dazu etwas beitragen? Insofern rennen wir offene Türen ein.
Meinen: Die meisten Menschen an der Universität haben verstanden, dass wir da eine gesellschaftliche Verpflichtung haben, unseren Beitrag zu leisten.
Wie setzen Sie das um? Haben Sie ab morgen auf jedem Gebäude Photovoltaik, beziehen nur noch Ökostrom und heizen auf maximal 18 Grad?
Meinen: Wir beziehen Ökostrom und haben bereits einige Dächer mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Nicht auf allen Dächern sind die Module allerdings möglich – etwa, wenn Abluftanlagen existieren, wie auf den Laborgebäuden. Da, wo es technisch möglich ist, sollen die Dächer außerdem begrünt werden. Unser Bestand entspricht aber sicher nicht in allen Bereichen modernster Bautechnologie. Aber dadurch ist es leichter, Fortschritte zu machen. Wir investieren viel in Mess- und Regeltechnik und wir haben Energiemanager, die sich um die Umsetzung kümmern.
Was sind die nächsten Schritte?
Meinen: Im Moment sanieren wir ein weiteres Gebäude auf dem Campus Essen. Und wir arbeiten an einem Konzept für die sogenannten Keksdosen in Duisburg, die Rundbauten auf dem Campus. Da brauchen wir geänderte Nutzungen: Es wäre sinnvoll, die Labore zu verlagern, in einem neuen Gebäude zu konzentrieren und dann die Keksdosen zu sanieren und die ehemaligen Labore anders zu nutzen.
Sie bauen auch ein Parkhaus in Essen. Ist das noch zeitgemäß?
Meinen: Das alte Parkhaus in Essen war nicht mehr zu ertüchtigen. Wir haben im Moment noch einen sehr hohen Anteil Individualverkehr, wir sind Pendleruniversität, das werden wir so schnell nicht ändern können. Das Parkhaus gibt uns die Möglichkeit, Autoverkehr an einer Stelle zu konzentrieren und so versiegelte Parkflächen aufzulösen und die Aufenthaltsqualität auf dem Campus zu erhöhen. Wir wollen das auch nutzen, um mehr Flächen für Fahrräder zu schaffen. Wir wollen die Verkehrsträger besser voneinander trennen. Auch für Duisburg haben wir einen „Masterplan Campus“ aufgestellt, mit den Zielen mehr Platz für Fußgänger, mehr Fahrradabstellmöglichkeiten wie beispielsweise Fahrradparkhäuser und Autos runter vom Campus.
Woran scheitern Fahrradparkhäuser?
Meinen: Sie scheitern nicht, aber es ist auch eine Frage an die Oberbürgermeister im Ruhrgebiet, dafür zu sorgen, dass es attraktiv ist, mit dem Fahrrad zur Hochschule zu kommen. Der Radschnellweg 1 würde auch die beiden Campi miteinander verbinden und insgesamt eine bessere Anbindung schaffen.
20 Jahre nach der Fusion braucht die Uni noch immer einen eigenen Pendelbus, der zwischen Duisburg und Essen hin und herfährt. Wie sauer sind Sie auf den VRR?
Meinen: Ich nehme schon erstaunt zur Kenntnis, dass die Systeme nicht aufeinander abgestimmt sind zwischen Essen, Mülheim und Duisburg. Als Uni haben wir aber die Zusage gegeben, dass wir den Austausch zwischen den Standorten ermöglichen. Dafür ist der öffentliche Nahverkehr nicht gut genug aufgestellt. Im Moment prüfen wir, welche Möglichkeiten es gibt, beispielsweise Fahrten per App gezielt zu bestellen. Die Lösung kann nicht dauerhaft sein, mit einem Dieselbus warme Luft von Essen nach Duisburg zu fahren.
Wie sieht es mit dem Campusleben aus? Wie können Sie da nachhaltiger werden? Veggiedays in der Mensa?
Shire: Ich kann nicht für das Studentenwerk sprechen, aber das Bewusstsein ist da bereits sehr hoch. Im vergangenen Jahr wurden wiederverwendbare Gefäße eingeführt. Es gibt bei den Studierenden viele autonome Bestrebungen, so haben wir auf beiden Campi Gartengruppen, die aktiv sind, Flächen verschönern und mehr Biodiversität ermöglichen. Es gibt eine Aktionsgruppe „UDE4future“, in der alle Statusgruppen vertreten sind. Sie werden im nächsten Semester eine Ringvorlesung zum Thema Nachhaltigkeit anbieten in der Essener Stadtbibliothek. Ähnliche Veranstaltungen gibt es auch in Duisburg. Ein weiterer Punkt: Die Gruppe „UDE4future“ hat auch eine Kampagne ausgerufen, weniger zu fliegen.
Und, stößt das bei Dienstreisen auf Zustimmung?
Shire: In meinem Fach, den Ostasienwissenschaften, ist das nicht so einfach, wenn wir in Japan oder Korea forschen wollen. Aber wir haben uns zum Ziel gesetzt: Wenn ein Ort mit dem Zug in weniger als acht Stunden erreichbar ist, nehmen wir den Zug. Wenn Langstreckenflüge nötig sind, wird angestrebt, die Anzahl der Flugreisen zu reduzieren und länger vor Ort zu arbeiten. In unserer Partner-Uni Innsbruck werden Flüge nicht mehr bezahlt, wenn der Zielort in sechs Stunden mit der Bahn erreichbar ist. Das ist leider in NRW rechtlich nicht möglich. Aber immerhin können wir jetzt häufiger Bahnreisen in der ersten Klasse bewilligen, als Anreiz für Bahn- anstatt Flugreisen.
Meinen: Austausch gehört zur Wissenschaft dazu. Es ist zwingend notwendig, gerade für junge Wissenschaftler, sich auszutauschen, auch auf internationalem Niveau. Das ist für wissenschaftliche Karrieren entscheidend, also muss man das ermöglichen. Verbote wären kontraproduktiv. Wir wollen eher zeigen, welche nachhaltigeren Alternativen es gibt.
Ist die Konferenz- und Reisekultur nach Corona nachhaltiger geworden?
Shire: Fast alle Fachgesellschaften haben mittlerweile eine vorgelagerte, virtuelle Konferenz. Danach kann man entscheiden, will ich vor Ort teilnehmen? Insgesamt wirkt die Selbstorganisation der Wissenschaft sehr gut. Man kann virtuell kaum neue Beziehungen aufbauen, aber man kann sie dank der virtuellen Wege heute besser und mit weniger persönlichen Begegnungen pflegen.
Wenn Sie auf die nächsten Jahre schauen: Was sind Ihre Top-3-Themen? Wo müssen Sie jetzt ran?
Shire: Energie, Reisen und Bauen. Und das sind zum Teil Dinge, die wir nicht selbst steuern können. Wir nehmen aber Einfluss, wo wir können.
Meinen: Ich sehe den Bereich Energie und da vor allem die IT und unsere Rechenzentren, die sehr viel Energie verbrauchen. Damit verknüpft ist die Frage: Wie halten wir Daten? Wie räumen wir da auf? Ich behaupte, dass wir 30 Prozent der Daten nie mehr brauchen. Die verbrauchen aber viel Energie. Das ist auch eine Aufgabe für die nächste Zeit, neben den Großthemen Gebäude und Mobilität.