Oberhausen. Die Stadtbibliothek Oberhausen öffnet für Abiturienten auch in den Abendstunden für eine Lernnacht. Warum es sich in der Gruppe besser lernt.

Immer dieser Hurrelmann. Beyza Öztürk und Alara Altunak können klar und ohne lange Bedenkzeit benennen, wovor es ihnen bei ihrer Abiturklausur in der kommenden Woche am meisten grault. Es sind die Lehren eben jenes Bildungs- und Sozialwissenschaftlers mit dem Namen Klaus Hurrelmann, die doch etwas mehr kostbare Lernzeit als andere Fächer und Themen benötigen, bevor sie aus dem Effeff heraus zu Papier gebracht werden können.

„Das ‚Modell der produktiven Realitätsverarbeitung‘ ist echt komplex“, fügt Rojda Güzel an. Sitznachbarin Selina Celikbay nickt zustimmend zu. Ja, ja, dieser Hurrelmann, es geht nicht mit, aber erst recht nicht ohne ihn.

Stadtbibliothek öffnet für eine Lernnacht

Am Dienstag wird es für die vier Schülerinnen, die zusammen die Gesamtschule Osterfeld besuchen, ernst. Dann steht die Prüfung im Leistungskurs Pädagogik an. Gemeinsam bereiten sie sich vor. Eben nicht Zuhause, jede für sich im stillen Kämmerlein, sondern als Gruppe in den Räumen der Stadtbibliothek Oberhausen. Für eine Lernnacht speziell für Abiturientinnen und Abiturienten hat die Einrichtung ihre Türen auch in den Abendstunden geöffnet.

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„Wir stellen einander die Theorien vor. Wenn da noch Fragen offen sind oder etwas unklar ist, dann weiß man eben, was man noch lernen muss“, erklärt Beyza Öztürk den Sinn des gemeinsamen Lernens. Bei Hurrelmann fühlen sich die Schülerinnen noch nicht sattelfest, bei anderen Themen schon, etwa der Erziehung in der NS-Zeit. „Da ist das anders. Mit diesen Themen hatten wir auch im Geschichtsunterricht zu tun“, so Beyza Öztürk.

Alara Altunak berichtet davon, sich in der Bibliothek besser konzentrieren zu können. „Die Lernatmosphäre ist hier anders, Zuhause gibt es viele Ablenkungen.“ Apropos Ablenkungen. „Wenn jemand ständig beim Lernen nebenbei aufs Handy schaut, dann sagen wir was“, führt Beyza Öztürk an.

Auch für die Sowi-Klausur wird fleißig gelernt

Ein paar Meter weiter haben sich in einem weiteren Raum Schülerinnen und Schüler des Elsa-Brändström-Gymnasiums eingefunden. „Wir lernen gerade für den LK Sozialwissenschaften“, erklärt Ray Weppler. Snacks liegen auf den Tischen bereit, alles ist angerichtet für den Lernmarathon in Richtung Abitur.

Unterschiedliche Herangehensweisen lassen sich innerhalb der Gruppen entdecken. Zentrales Lernwerkzeug für Roland Prempeh ist sein Tablet. Hier hat er alle seine Notizen aus dem Unterricht abgespeichert. Spielend leicht kann er mit einem kleinen Wisch aus dem Handgelenk heraus zwischen den Aufzeichnungen hin und her navigieren. Farbliche Markierungen heben die wichtigsten Signalwörter hervor. „Das Lernen und Arbeiten mit dem Tablet ist aus meiner Sicht schön unkompliziert.“

Mit einem Wisch geht es weiter: Roland Prempeh hat seine Notizen auf einem Tablet abgespeichert.
Mit einem Wisch geht es weiter: Roland Prempeh hat seine Notizen auf einem Tablet abgespeichert. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Sitznachbar Ray Weppler hat dagegen Stift und Papierblock vor sich liegen, darunter verbirgt sich das Lehrbuch für Sozialwissenschaften, nebenan liegen weitere Unterlagen aufgetürmt. „Ich schreibe lieber selbst. Das funktioniert für mich besser.“

Eine Verfechterin dieses eher haptischen Ansatzes ist auch Aanu Awolaja. Sie setzt auf handgeschriebene Lernkarten. „Ich denke, dass ich mir Sachen so einfacher merken kann. Ich lerne aber auch gerne am Computer.“

Informatik-Studium: Adrian und Aanu verfolgen denselben Plan

Schon seit einigen Wochen, etwa zu Beginn der Osterferien, seien die Jugendlichen in die ernsteren Abiturvorbereitungen eingestiegen, erzählt Adrian Maloku, der als weiteren LK Mathematik nennt. „Nach dem Abitur möchte ich Informatik in Düsseldorf studieren“, gibt er Einblick in seine Pläne nach der Schulzeit. Dort an der Heinrich-Heine-Universität könnte er auch auf Mitschülerin Aanu Awolaja treffen, die ebenfalls Informatik studieren möchte.

Roland Prempeh tendiert zu einem Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL). „Ich möchte gerne später etwas in Richtung Business Management machen. Ob ich an eine Universität oder eine Hochschule möchte, weiß ich aber noch nicht.“ Verschiedene Optionen hat er ins Auge gefasst, darunter auch Recklinghausen und Münster als Studienorte. Ob dann schon aufgrund der Entfernung ein Auszug aus dem Elternhaus ansteht? „Das ist noch nicht entschieden.“ Für BWL wird sich wohl auch Ray Weppler entscheiden.

Bibliotheksleiterin: Lernverhalten hat sich geändert

Diana Bengel ist als Leiterin der Oberhausener Stadtbibliothek gerne Gastgeberin für die Abiturienten. „Das Lernverhalten hat sich, wenn schon nicht ausgelöst, dann zumindest verstärkt durch die Coronapandemie, verändert.“ Bengel beobachtet, dass Schülerinnen und Schüler immer häufiger gemeinsam Unterrichtsstoffe durcharbeiten wollen.

Das Lernverhalten hat sich, wenn schon nicht ausgelöst, dann zumindest verstärkt durch die Coronapandemie, verändert.
Diana Bengel - Leiterin der Oberhausener Stadtbibliothek

Die Konsequenz sei eine gesteigerte Nachfrage nach öffentlichem Lernraum. „Viele Wohnungen haben ja einfach nicht den Platz dafür, dass sich eine Gruppe unkompliziert treffen und zusammen setzen kann.“ Erste Lernnächte gab es in Oberhausen bereits im Jahr vor der Pandemie. „Dann wurden wir ausgebremst, 2023 haben wir aber wieder losgelegt.“

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Zwei Lernnächte boten Bengel und ihre Kolleginnen und Kollegen in diesem Jahr an, eine am Hauptstandort, eine weitere in der Dependance im Stadtteil Sterkrade. Wasser und Studentenfutter stellten sie neben den Räumlichkeiten bereit. „Gerne würden wir mehr solcher besonderen Veranstaltungen durchführen.“ Doch sei die Haushaltslage in Oberhausen angespannt, es darum nicht möglich, Personal dafür abzustellen.

Diana Bengel, Leiterin der Stadtbibliothek, ist gerne Gastgeberin für Abiturienten.
Diana Bengel, Leiterin der Stadtbibliothek, ist gerne Gastgeberin für Abiturienten. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Längst nicht nur Kinder und Jugendliche, die eine der nahegelegenen Schulen in der Innenstadt besuchen, haben die Bibliothek für sich entdeckt. Über die Stadtgrenzen Oberhausens hinaus besitzt die Einrichtung, die am nach der ukrainischen Partnerstadt Saporishja benannten Platz liegt, Anziehungskraft. „Wir haben auch junge Leute aus Mülheim oder Essen hier, selbst aus Düsseldorf kommen Besucherinnen und Besucher zu uns.“ Es sind gerade auch Studierende, die in den Nachmittagsstunden die Räume bevölkern. „An manchen Tagen sind dann alle Plätze belegt.“ Das liegt vielleicht auch daran, dass wir über ein leistungsstarkes WLAN verfügen.“ Darüber lässt sich flink am mitgebrachten Tablet recherchieren. Auch über Klaus Hurrelmann.