Krefeld. Die Zahl der Tiermessies steigt, so Mona Schellscheidt vom Tierheim Krefeld. Wieso immer mehr Besitzer in Not geraten.

Neugierig schaut Tyson zur Tür, die sich gerade geöffnet hat. „Ja, komm her“, ruft Mona Schellscheidt ihm zu. Das lässt er sich nicht zwei Mal sagen! Sofort läuft, oder besser, rollt er ihr entgegen. Seine Hinterbeine stecken in einem Rolli, doch das scheint ihn nicht weiter zu stören. Hauptsache, er wird jetzt endlich gekrault! „Tyson braucht unglaublich viel Aufmerksamkeit“, erklärt sie. „Die bekommt er aber auch aufgrund seiner Behinderung.“ Besonders von ihr, „ich war am Anfang seine Bezugsperson“, sagt sie. Dabei hat sie als stellvertretende Leiterin noch viele andere Aufgaben und weitere Tiere, um die sie sich kümmern muss. Rund 250 Tiere leben aktuell im Tierheim Krefeld und das sind, stellt sie direkt klar, eigentlich viel zu viele.

Wie sie und ihr Team das stemmen können? „Eigentlich gar nicht“, antwortet Mona Schellscheidt. Aber es muss klappen, irgendwie, schließlich sollen sich Tyson und seine Kumpel hier wohlfühlen. Und das eben auch, wenn bei den Hunden die Obergrenze von 30 schon mal deutlich überschritten wird. „Im September hatten wir 55“, erzählt sie. Deshalb mussten sie einiges umbauen und neu planen, wie beispielsweise draußen beim „Sommerzwinger“, der nun auch ein „Winterzwinger“ ist. Wie gut, dass Balou, der zur Begrüßung am Gitter hochspringt, ein dickes Fell... und ein liebes Grinsen hat! „Er ist seit zwei Jahren bei uns“, erzählt sie. Kaum zu glauben, oder? Nunja, „er wurde sichergestellt und danach hat es erstmal gedauert, bis er freigegeben wurde.“

Immer mehr Tiermessies

Außerdem ist Balou als Rottweiler-Bernersennenhund-Mix nicht gerade leicht zu vermitteln. Zukünftige Halterinnen oder Halter müssen bestimmte Auflagen erfüllen und benötigen einige Haltungsgenehmigungen. Dazu ist Balou zwar auch verschmust und aufgeschlossen, doch sobald er sich bedrängt fühlt, geht er in die Offensive. Damit kommen nicht alle zurecht, weiß Mona Schellscheidt nur zu gut. „Gerade in Corona-Zeiten haben sich viele Leute einen Hund angeschafft, der jetzt in der Pubertät ist und mit dem sie dann überfordert sind.“ Dazu kommt die Erhöhung der Gebührenordnung für Tierärzte und Tierärztinnen, „viele Leute können sich das nicht mehr leisten“, sagt sie. Die Folge: viel zu volle Tierheime.

Viele Katzen aus dem Tierheim Krefeld suchen noch ein neues Zuhause.
Viele Katzen aus dem Tierheim Krefeld suchen noch ein neues Zuhause. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Und die Situation der Katzen ist noch dramatischer. „Die Grenze liegt bei 80“, erklärt Mona Schellscheidt, „bis vor Kurzem hatten wir aber 250.“ Dabei geht‘s im Winter ruhiger zu. Normalerweise. Doch dann kam es zu Situationen wie dieser: „Eine Halterin hat sich zu Beginn der Pandemie zwei Katzen geholt, die sie aber nicht hat kastrieren lassen“, erzählt sie. Nach zwei Jahren waren daraus 67 Tiere geworden. Und nein, das ist kein Einzelfall, wie sie betont: „In den letzten Jahren gab‘s vermehrt Tiermessies, da sieht man in den Wohnungen dann wirklich den Boden nicht mehr.“ Mittlerweile ist sie schon froh, wenn es „nur“ 20 und nicht 50 Katzen sind, die jeweils die Behörden sicherstellen – weil sich die Nachbarn beschweren oder die Vermieterin eine Anzeige stellt.

Das Tierheim Krefeld

Im Tierheim Krefeld, Flünnertzdyk 190, leben aktuell rund 250 Tiere, darunter Katzen, Hunde, Vögel, Hasen, Igel, Mäuse, Schildkröten, Schlangen und ein Hahn. Es besteht ein Aufnahmestopp.

Wer beispielsweise einen Hund aufnehmen möchte, muss vorab ein Formular ausfüllen. Erst dann ruft das Tierheim die Interessenten an, um einen Kennenlerntermin zu vereinbaren.

Alle Tiere sowie weitere Infos sind online zu finden unter: www.tierheim-krefeld.de

Viele Sorgentiere im Tierheim Krefeld

Nach einer Quarantäne, in die alle müssen, kommen die Tiere dann in ihr „Zuhause auf Zeit“. Dazu geht‘s nun über eine Treppe hoch, vorbei am Reptilienwürfel mit Schildkröten und Schlangen, bis zum Katzenhaus mit mehreren Räumen. Dort sitzt schon Minka auf einem Kratzbaum und irgendwo müsste auch Micky sein... „Wir versuchen immer zu gewährleisten, dass sie zu zweit oder dritt sind“, erklärt Mona Schellscheidt. Wobei es auch Einzelgänger wie Charly gibt, der mit seinen dunklen Augen alles genau beobachtet und dann sein hellbraunes Fell ans Gitter drückt. „Er ist etwas spezieller“, sagt sie, „er mag keine anderen Katzen, ist 14 Jahre alt, Freigänger und nierenkrank.“ Also quasi unvermittelbar? Nee, sie schüttelt den Kopf, „es gibt sicher jemanden, zu dem er passt.“

Mona Schellscheidt ist ausgebildete Tierarzthelferin und nun stellvertretende Leiterin des Tierheims Krefeld. 
Mona Schellscheidt ist ausgebildete Tierarzthelferin und nun stellvertretende Leiterin des Tierheims Krefeld.  © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Tatsächlich kommen, trotz Aufnahmestopp, drei bis fünf Katzen jede Woche zu ihnen – aber zum Glück auch immer viele Interessenten. „Innerhalb von drei Monaten sind wir von 250 auf 90 Katzen runter“, sagt Mona Schellscheidt. Und erst vor Kurzem ist ihr „längster Kandidat“, wie sie Keks nennt, ausgezogen. Nach vier Jahren. Schwer fiel ihr der Abschied aber nicht, „wir müssen Abstand wahren, sonst funktioniert es nicht“, betont sie. Und sie weiß ja, dass es die Tiere bei ihnen gut haben, „aber in einem richtigen Zuhause haben sie es noch besser.“ Deshalb würde sie sich auch freuen, wenn ihr Liebling eines Tages ausziehen würde... Als ob er ihre Worte verstanden hätte, tapst und rollt Tyson schon mal den Gang hoch. „Keine Sorge“, sagt sie und lacht, „der kommt gleich wieder.“ Spätestens für die nächste Krauleinheit!