Kleve. Eine Klever Firma hat sich darauf spezialisiert, aus Kunststoffmüll neue Produkte herzustellen. Wie das funktioniert.

Der Reflektor, den Hösin Oynak gerade in der Hand hält, hat den industriellen Anforderungen an ihn nicht standgehalten. „Der wäre jetzt eigentlich Müll“, erklärt der Geschäftsführer des Unternehmens Klever Kunststoff Recycling (KKR). Wenn, ja wenn es seine Firma nicht gäbe.

KKR kauft diese überschüssige Ware auf und verarbeitet sie in einem ersten Schritt zu Mahlgut. Was entsteht, sind in diesem Fall kleine rote und hellgraue Granulatkörnchen. Was folgt, ist die Qualitäts-Kontrolle im Labor. „Hier wird das Material veredelt, verbessert, stabilisiert“, erklärt Oynak. Es sei wie beim Kochen: „Je nachdem, was am Ende herauskommen soll, ergänzen wir zum Beispiel mit Glasfasern oder Talkum, bis die richtige Mischung aus unserem Hexenkessel herauskommt“, schmunzelt er.

Und alles ohne Erdöl

Um ein bestimmtes Material zu kreieren, beginne man zu tüfteln, mische verschiedene Rohstoffe miteinander. So können aus dem ehemaligen Reflektor neue Teile für Lüftungen oder Elektronik für die Autoindustrie entstehen. Das alles, ohne Erdöl zu verbrauchen, das Grundlage aller Kunststoffproduktionen ist. „Jedes Kilogramm aus Recycling verbraucht weniger Öl und spart Rohstoffe“, weiß Oynak.

2006 ist er mit seinem Unternehmen gestartet, seit drei Jahren gibt es den neuen Unternehmenssitz im Klever Gewerbegebiet. Am Anfang hat Hösin Oynak noch eine Menge dicker Bretter bohren müssen. „Ein großer Zulieferer, dem ich damals meine Ideen vorgestellt habe, hat mich am Ende der Tür verwiesen“, erinnert er sich. Inzwischen, so erzählt er, schafften sie es immer wieder Kunden mit ihrem qualitativ hochwertigen Angebot von der Alternative zur Neuware zu überzeugen.

Unsere Serie

Zu schade zum Wegwerfen – in kleinen Umwelt-Serie stellen wir in lockerer Folge Menschen und Projekte vor, für die „Müll“ eine ganz eigene Bedeutung hat. Wir haben u.a. Second Hand Kleidung entdeckt, die anders ist als nur „schon mal getragen“, wir haben foodsharing-Ideen ausprobiert, FairKaufHäuser, Kunst recycelt, haben gelernt, dass man mit abgeschnittenen Haaren das Meer retten kann. Zum Serienfinale werden wir am Freitag, 1. März, zwei Herren präsentieren, die nichts, gar nichts wegwerfen. Und das kann man bestaunen in der Viller Mühle in Goch. Am 16. März gibt’s dann einen Blick auf nachhaltige Mode – für Dackel! 

Hülle von Kugelschreibern, Abdeckungen im Auto

„Es gibt eine Menge Produkte, die nicht unbedingt aus Öl hergestellt werden müssen.“ Als Beispiele hält er die aus recyceltem Material hergestellten Griffe einer Schere oder die Hüllen von Kugelschreibern hoch. Gleiches gelte auch für die Abdeckungen im Heck von Autos. „Mit den richtigen Rezepturen kann man das schaffen und Erdöl ersetzen“, ist er überzeugt. Inzwischen sei die Akzeptanz für recycelte Produkte viel höher und „Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle,“ sagt Oynak.

Habe man vor Jahren lieber nicht darüber gesprochen, welches recycelte Material man in der Produktion verwendet habe, werde heute damit offensiv geworben, so der Unternehmensgründer. Zu den großen Kunden von KKR gehören die Auto- und die Bauindustrie. Dort seien Folien ein weiteres gutes Beispiel. „Warum müssen sie neu sein, sie sind Einwegware auf den Baustellen“, weiß der Geschäftsführer.

Hösin Oynak recycelt, was möglich ist, zieht aber gleichzeitig klare Grenzen. „In der Medizintechnik macht es keinen Sinn, das ist zu heikel“, macht er deutlich und verweist auf Hygienevorschriften und ein mögliches Restrisiko, was das verwendete Material betrifft. Gleiches gelte auch für Lebensmittel. „Wir sind raus, wenn es um Leben und Tod geht“, bringt er es auf den Punkt.

Kunden aus der Auto- und Bauindustrie

Deshalb liefert KKR auch kein Material aus seinem Labor für die Verschlüsse von Sicherheitsgurten in Autos. „Das könnten wir mit unserem Gewissen nicht vereinbaren, wenn ein Gurt bei einem Unfall nicht standhält.“ In allen anderen Bereichen aber findet Oynak, dass man so oft wie möglich recycelte Rohstoffe verwenden sollte. „Wir sind so abhängig von Öl produzierenden Ländern, da sollten wir unseren eigenen Materialkreislauf so gut wie möglich selbst herstellen.“ Nicht selten, lacht der Unternehmer, stünden Menschen auf dem Firmengelände, die hier ihre Plastikabfälle abgeben wollten.

So aber funktioniert bei KKR der Aufkauf von Kunststoffabfällen oder Mahlgütern nicht. „Unsere Zulieferer rufen uns an, wenn sie Material für uns haben. Wir prüfen das dann, und wenn es sich für uns eignet, kaufen wir den Rohstoff auf und geben ihn in den Recycling-Prozess.“ Eine Spedition holt den „Abfall“ dann ab. Und auch daran ist gedacht: Für den Transport halten die Klever Kunststoff-Recycler eigene Pfand-Boxen vor, die zwischen dem Unternehmen in Kleve und den Zulieferfirmen hin und her gefahren werden. „Wir besprechen mit unserem Kunden die jeweils nötige Rezeptur für ihre Anforderungen und müssen ihn davon überzeugen, dass wir diesen Ansprüchen auch gerecht werden können,“ beschreibt er den Weg vom vermeintlichen Müll zum neuen Werkstück.

So funktioniert Rohstoffkreislauf

Aktuell sei der Markt schwierig, beobachtet Oynak. Das liege an der wirtschaftlichen Lage im Land. „Neuwaren sind teils günstiger als recycelte, und der Preisdruck ist enorm“, weiß der Geschäftsführer. Das aber hält ihn nicht davon ab, eine neue Produktionshalle errichten zu lassen.

„Wir wollen unser Portfolio erweitern und den Rohstoffkreislauf abrunden. In Zukunft will KKR nicht nur Kunststoff-, sondern auch Metallteile recyceln und ihnen damit ein neues Leben schenken. „Es ist gerade gegen den Trend“, weiß er natürlich, „aber das hier ist nun mal unsere DNA.“ Und im Grunde, findet er, könnten alle Unternehmen deutlich mehr tun für Nachhaltigkeit und die Einsparung von Rohstoffen. So gewinnt man bei KKR den für die Produktion notwendigen Strom über eine PV-Anlage selbst. Eine Wallbox ermöglicht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern außerdem noch, ihre E-Fahrzeuge während der Arbeit laden zu lassen.