Am Niederrhein. Dr. Timm Strotmann-Tack erklärt, was erste Anzeichen für Demenz sind und wie sich das Risiko, daran zu erkranken, verringern lässt.
Demenz ist nicht gleich Demenz. Das weiß kaum jemand so gut wie Dr. Timm Strotmann-Tack, der nicht nur Chefarzt der Abteilung für Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik Viersen, sondern seit Neustem auch Vorsitzender der Alzheimer-Gesellschaft Krefeld-Niederrhein ist. Im Gespräch erklärt er, welche Gesichter Demenz haben kann, wo sich Angehörige Hilfe suchen können und was er selbst macht, um das Risiko der Erkrankung zu verringern.
Wieso haben Sie sich als Arzt auf das Thema Alter spezialisiert?
Schon während meines Studiums und meiner Facharztausbildung hat sich herauskristallisiert, dass ich mich für Alterspsychiatrie interessiere. Dazu gehören auch Demenzen und Depressionen, die immer Veränderungen bei den Menschen bewirken. Eine Demenzerkrankung bekommen die Betroffenen selbst oft nicht bewusst mit, denn sie vergessen auch, dass sie vergessen. Die Angehörigen leiden dagegen sehr darunter, deshalb spielt die Beratung immer eine große Rolle.
Deshalb sind Sie dann auch der Alzheimer-Gesellschaft beigetreten?
Als ich von Berlin an den Niederrhein zurückgekehrt bin, wo die Krefelder Alzheimer-Gesellschaft schon seit Jahren aktiv ist, habe ich den Kontakt gesucht und Interesse daran bekundet, Teil dieser Alzheimer-Gesellschaft zu werden. Ich bin dann erst Mitglied, später Beisitzer im Vorstand geworden. Und als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, die Nachfolge als erster Vorsitzender von Prof. Dr. Hans-Jürgen von Giesen anzutreten, habe ich Ja gesagt. Es bleibt meine Aufgabe als Vorsitzender weiterhin, die Erkrankung Demenz in die Öffentlichkeit zu tragen.
Wieso ist das so wichtig?
Als ich Student war, gab es zwar schon die Diagnose Demenz, aber diese spielte in der Gesellschaft keine Rolle. Doch je mehr Initiativen sich gegründet haben, desto mehr wurde sich auch mit dieser Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten beschäftigt. Das ist wichtig, weil die Zahl der Demenzerkrankten immer weiter zunimmt.
Woran liegt das?
An dem zunehmenden Alter der Bevölkerung. Je mehr Menschen im höheren Lebensalter existieren, desto häufiger kommt es zu dem Auftreten einer Demenz in der Gesamtbevölkerung. Wir sind als Alzheimer-Gesellschaft ein Forum für Selbsthilfe, aber wir bieten auch Veranstaltungen an, um Menschen über diese Erkrankung und Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Außerdem haben wir eine Internetseite, auf der eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse zu finden sind, über die Angehörige zu uns Kontakt aufnehmen können.
Was für Anfragen erreichen Sie?
Viele fragen, ob wir Informationen haben, wo sie Hilfe bekommen. Wir können dann an Beratungsstellen vermitteln, die versiert sind, was z.B. Angebote angeht, die eine Entlastung für Angehörige ermöglichen. Immer wieder haben wir Patient*innen auf der Station in der Behandlung, die durch ihre Demenzerkrankung zunehmend ihre Selbstständigkeit und manchmal auch ihre Fähigkeit zu sprechen verlieren. Wenn sie sich dann nicht mehr richtig mitteilen können, kommt es nicht selten dazu, dass die Betroffenen aufbrausend oder sogar aggressiv dem Ehepartner gegenüber werden. Wir erleben es immer wieder, dass gerade gerade die Ehefrauen bis zur Erschöpfung versuchen, alles zu managen. Sie wollen keine Hilfe annehmen und fühlen sich sogar schuldig, wenn sie ihren Mann dann doch ins Krankenhaus bringen. In solchen Fällen zeigen wir Unterstützungs- und Lösungsmöglichkeiten auf.
Was genau ist überhaupt eine Demenz? Und was ist der Unterschied zu Alzheimer?
Man kann sich die Demenz als Oberbegriff vorstellen, wie „Baum“. Und dahinter stehen Eiche, Buche, Erle... so, wie die verschiedenen Formen der Demenz, wozu eben auch Alzheimer gehört. Tatsächlich ist Alzheimer aber mit circa 70 Prozent die Hauptform der Demenz.
Und die restlichen 30 Prozent?
Die haben andere Ursachen. Die zweithäufigste Demenz geht zurück auf Durchblutungsstörungen des Gehirns, ausgelöst beispielsweise durch Schlaganfälle. Ein Grund kann aber auch Vitaminmangel sein.
Das heißt, solche Demenzen lassen sich behandeln?
Genau, deshalb ist es auch so wichtig, dass man anfangs erst einmal feststellt, was die Ursache für eine Demenz sein könnte. Häufig kommt aber eben doch heraus, dass es eine Alzheimer-Demenz ist.
Was sind denn klassische Anzeichen von Alzheimer?
Gedächtnisstörungen. Wissen Sie beispielsweise noch, was Sie vor einer Woche gefrühstückt haben?
Äh... ne?
Das ist normal, denn das Gehirn löscht Unwichtiges. Wenn Sie aber nicht mehr wüssten, wo Sie gerade Ihr Auto abgestellt haben, dann ist das ein schlechtes Zeichen.
Wie sollten sich Angehörige verhalten, die eine solche Veränderung mitbekommen?
Offen damit umgehen. Es hilft nichts, alles schön zu reden und zu sagen, dass es schon wieder wird. Stattdessen müssen Angehörige das Thema ernst nehmen und am besten mit dem Betroffenen in eine Gedächtnisambulanz gehen. Dort kann man mit einigen Tests herausfinden, ob es sich tatsächlich um Gedächtnisstörungen handelt oder um Alterserscheinungen.
Und wenn die Diagnose dann Alzheimer lautet? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die bisher bei uns zugelassenen Möglichkeiten sind Tabletten oder Pflaster, mit denen sich das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz verlangsamen lässt. Wer irgendwann ein Medikament findet, um diese Krankheit zu heilen, bekommt mindestens den Medizinnobelpreis.
Ist es denn nur eine Krankheit, die Ältere betrifft?
In der Hauptsache schon, Alzheimer tritt typischerweise jenseits der 65 auf. Das Gehirn ist im Prinzip wie eine Autobahn aufgebaut und wenn durch Alzheimer typische Ablagerungen im Gehirn dieses zur Landstraße wird, ist man nicht mehr in der Lage, schnell zu denken oder sich an Dinge zu erinnern. Aber es gibt wenige Ausnahmen, in denen Menschen auch schon mit Ende 50 erkranken. Das ist dann zum Beispiel eine frontotemporale Demenz, die mit Persönlichkeitsveränderungen einhergeht, wie zum Beispiel impulsives und distanzloses Verhalten.
Ist Alzheimer vererblich?
Wenn in den Generationen vorher jemand an Alzheimer erkrankt ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, selbst daran zu erkranken. Aber das muss nicht passieren. Tatsächlich scheinen auch noch andere Faktoren eine Rolle zu spielen, die aber noch längst nicht alle bekannt sind.
Lässt sich präventiv etwas dagegen unternehmen?
Studien haben gezeigt, dass in manchen Regionen der Welt die Menschen älter werden und seltener an Alzheimer erkranken. Das ist beispielsweise am Mittelmeer so, deshalb könnte mediterrane Kost ein Faktor sein. Außerdem soll Sport, am besten drei Mal in der Woche je dreißig Minuten, ebenfalls das Risiko verringern.
Hilft Gehirnjogging auch?
Naja, mein Credo ist: Wenn sich das Gehirn langweilt, ist das immer schlecht. Kreuzworträtsel können also helfen, aber genauso gut sind auch soziale Interaktionen, beispielsweise im Sportverein oder Ehrenamt.
Die Alzheimer-Gesellschaft Krefeld-Niederrhein
Alois Alzheimer (1864-1915) war ein deutscher Psychiater und Neuropathologe, auf den die gleichnamige Erkrankung zurückzuführen ist. Seine Patientin, Auguste Deter (1850-1906), untersuchte er unter anderem durch Fragemethoden. Nach heutigem Forschungsstand ist diese häufigste Form der Demenz nicht heilbar. Sie kann jedoch durch therapeutische Maßnahmen behandelt werden, so dass der Verlauf verlangsamt wird.
Die Beratungsstelle für Alterserkrankungen am Wiedenhof in Krefeld sowie die LVR-Klinik an der Oberrahserstraße 2 in Viersen beraten in allen Angelegenheiten, die demenzielle Entwicklungen betreffen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit zur Teilnahme an Angehörigengruppen in Krefeld, Viersen und Kempen, die Teilnahme an diesen Veranstaltungen ist unverbindlich und kostenfrei. Weitere Infos: www.alzheimerkrefeld.de. Bei akuten Fragen steht das Demenz-Telefon zur Verfügung: 02162/89748666.
Versuchen Sie selbst auch etwas zu tun, um Alzheimer vorzubeugen?
Ich esse mediterran. Und ja, ich mache ein Mal die Woche Sport und denke dann, dass ich noch zwei weitere Mal gehen müsste... (lacht).