An Rhein und Ruhr. Ab dem 1. Januar gibt es beim Arzt nur noch elektronische Rezepte. Wie sich Praxen und Apotheken vorbereiten und wo es noch hakt.
Der Versuch einer Kleverin, mit einem E-Rezept ihr Medikament zu bekommen, gleicht einer Odyssee. Der NRZ schilderte Barbara V., wie ihre Gesundheitskarte in der Apotheke nicht eingelesen werden konnte und sie schließlich das Rezept in der Arztpraxis ausdrucken lassen musste. Sie ärgert sich darüber, dass sie lange in Warteschleifen am Telefon festhing und dass das System für die E-Rezepte bislang nicht reibungslos funktioniert. Ab dem 1. Januar 2024 ist es jedoch Pflicht. Ob es dann besser funktioniert? Die NRZ fragte Ärzte und Apotheker, wie sie sich vorbereiten.
Apotheker sind vorbereitet auf das E-Rezept
„Das E-Rezept ist fälschungssicher und wenn es richtig läuft, ist das super“, sagt Franz Josef Cüppers. Der 76-Jährige betreibt seit rund 40 Jahren die Apotheke St. Martin in Düsseldorf. Es werde sicher ein halbes Jahr dauern, bis alles gut funktioniert, meint er. „Aber das ist immer so, wenn es eine größere Änderung gibt.“
Das E-Rezept ersetzt das alte Papierrezept und wird für verschreibungspflichtige Medikamente verpflichtend. Ausgestellt werden kann es über die Gesundheitskarte, die „Das E-Rezept-App“ oder auch als ausgedruckter Code.
Wie funktioniert das E-Rezept?
Ab dem 1. Januar wird das rosafarbene Papier- durch das digitale Rezept abgelöst. Für verschreibungspflichtige Medikamente ist die Nutzung des E-Rezeptes dann verpflichtend. Das hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach entschieden.
Das E-Rezept wird in den Arztpraxen auf die Gesundheitskarte gespielt und kann in der Apotheke von dieser dann ausgelesen werden. Zudem gibt es die Möglichkeit, das Rezept auf die App „Das E-Rezept“ zu spielen. Für die Freischaltung dieser App wird ein PIN-Code der Krankenkasse gebraucht, den man sich zuschicken lassen kann. Alternativ kann ein QR-Code in der Arztpraxis ausgedruckt werden, der dann in der Apotheke gescannt wird.
Zur Verfügung gestellt wird das System für das E-Rezept von der Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte), deren Gesellschafter das Bundesgesundheitsministerium und verschiedenen medizinische Verbände sind. Auch das Ministerium informiert auf seiner Internetseite über das E-Rezept.
Wichtig sei, dass mit dem E-Rezept auch mehr als drei Arzneimittel verschrieben werden können, sagt Apotheker Cüppers. „Mit den alten Papierrezepten konnte man nur maximal drei verschreiben. Und wenn ein Medikament aufgebraucht ist, kann in der Praxis das Rezept über das System wieder auf die Karte gespielt werden, ohne dass der Patient hingehen muss.“
E-Rezept kann zur Not auch ausgedruckt werden
Die Apotheker seien gut vorbereitet, sagt der 76-Jährige. „Meine Mitarbeiterinnen kennen sich schon gut mit dem System aus. Ich selbst stehe noch davor, wie ein Ochs vorm Berg, aber es wird langsam.“ Die Kunden seien aber noch recht verdutzt. „Die Aufklärung war bisher miserabel“, kritisiert Cüppers.
Auch in der Praxis des Essener Hausarztes Sebastian Krehl sei man vorbereitet. „Unsere Angestellten hatten die Schulung für das neue System schon“, sagt der Mediziner. Von einigen Apothekern habe er bereits von positiven Erfahrungen mit dem E-Rezept gehört. „Ob das System ab dem 1. Januar dann funktioniert, wird sich zeigen. Wenn es klappt, ist es eine Entlastung, wenn nicht, dann dauert alles noch länger“, so Krehl. „Zur Not kann man die Rezepte als QR-Code ausdrucken.“
Pflegekammer befürchtet Probleme durch neue Vorgabe
Dieser Ausdruck werde vorerst für den Fall von Störungen angeboten, erklärt ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo). „Einigen Rückmeldungen nordrheinischer Praxen während der letzten Monate war zu entnehmen, dass das E-Rezept teils noch nicht in allen Systemen reibungslos und anwenderfreundlich funktionierte und Nachbesserungen der Hersteller nötig waren.“
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Für Sorgenfalten sorgt das E-Rezept derweil bei der Pflege. Wenn die Pflegebedürftigen ihre Rezepte über ihre Gesundheitskarte bekommen, dann sieht Peter Rötzel von der Pflegekammer NRW einen größeren Aufwand für seine Kolleginnen und Kollegen in der ambulanten Pflege. „Dann müssen wir ja erst zum Kunden, um die Karte abzuholen und dann in die Apotheke, um das Medikament zu besorgen. Und erfahrungsgemäß geben die Kunden ihre Karte nicht gerne weg“, sagt Rötzel, der selbst einen ambulanten Pflegedienst leitet.
Privatversicherte bekommen weiterhin Papierrezepte
„Wir müssen sehen, wie gut das alles klappt und wie die Praxen damit umgehen.“ Wer bisher seine Medikamente selbst abgeholt hat, werde das wohl auch weiterhin selbst machen, schätzt Rötzel. „Für uns ist die Abholung ein Mehraufwand, wenn wir erst die Karte brauchen. Da muss man mit den Ärzten ausmachen, dass die Kunden nur ausgedruckte Codes bekommen“, sagt er und beklagt: „Wir sollen unsere Mitarbeiter entlasten, aber müssen sie dann wegen einer Karte mehr laufen lassen.“
Die Apothekerkammer Nordrhein sieht ihre Branche vorbereitet. Ein Versorgungs- und Formalitätenchaos werde es nicht geben, sagt ein Sprecher, „aber rumpeln wird es. Das ist naheliegend, bei so einer großen Umstellung. Das ist aber nicht unsere Schuld, wir sind vorbereitet. Wir haben das Haus nicht gebaut, sondern haben nur die Schlüssel.“
Privatversicherte bekommen klassische Papierrezepte
Träger des Systems für das E-Rezept ist die Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte), deren Gesellschafter das Bundesgesundheitsministerium und verschiedenen medizinische Verbände sind. Aktuelle Störungen im System seien derzeit nicht bekannt, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Man habe Apotheken und Praxen lange vorbereitet und habe ausführlich aufgeklärt. Für Patienten biete das E-Rezept eine „bestmögliche Flexibiliät“.
Wer privatversichert ist, kann sich übrigens weiterhin ein Papierrezept ausstellen lassen. Das E-Rezept über die elektronische Gesundheitskarte auszustellen, wie sie gesetzlich Versicherte haben, sei bei Privatversicherten nicht möglich, da sie keine elektronische Gesundheitskarte haben, erklärt eine Sprecherin der Ärztekammer Nordrhein.