Dinslaken/Neukirchen-Vluyn. Die 67-Jährige aus Neukirchen-Vluyn will beweisen, dass sie keine „Versorgungsehe“ geführt hat. Im Kreis Wesel erhält sie Unterstützung.
Jutta Jell zieht ihren beigefarbenen Schal über ihr Haar, er bietet etwas Schutz vor dem Nieselregen. Sie steht in der Dinslakener Innenstadt, unweit von der Neutor-Galerie, um ihre Geschichte für die Öffentlichkeit zu erzählen. Weil sie zwar 38 Jahre mit ihrem Mann Günter in einer Beziehung zusammengelebt hat, aber weniger als ein Jahr mit ihm verheiratet war, soll sie keine Witwenrente erhalten.
Es geht um die Frage, ob es sich um eine Versorgungsehe gehandelt habe. Jutta Jell scheiterte zuletzt vor dem Bundessozialgericht. Vor kurzem hat sie Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Passantin ironisch: „Eigentlich gehören wir noch an den Herd“
Junge und ältere Frauen kommen an diesem Donnerstagabend an dem kleinen, rund zehnköpfigen Kundgebungstrupp vorbei, um ihre Einkäufe zu erledigen. Manche bleiben kurz stehen, nehmen ein Flugblatt mit. „Wir lehnen es ab, dass der Staat darüber entscheidet, wie zwei Menschen ihre Lebensgemeinschaft organisieren“, steht unter anderem darauf.
Manche schütteln den Kopf. Sie sei alleinerziehend, habe zwei Kinder, unverheiratet, sie bekomme später kaum Rente, klagt die blonde Frau. „Eigentlich gehören wir noch an den Herd“, sagt sie ironisch. Es bleibt bei einzelnen Gesprächen, zu wenige bleiben an diesem Novemberabend stehen, um sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen.
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Trotzdem ist die Witwe fest entschlossen, den Kampf weiterzuführen. Dabei gehe es ihr nicht um den eigenen Erfolg, sondern auch darum, diese Ungerechtigkeit, die Benachteiligung von Frauen und Unverheirateten, aufzuzeigen.
Es werden Flugzettel in Duisburg verteilt
Das entsprechende Gesetz besagt in § 46 des sechsten Sozialgesetzbuches: „Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.“
Unterstützung erhält die Neukirchen-Vluynerin von der Initiative „Kumpel für Auf“, auch an diesem Abend in Dinslaken. Die Bewegung besteht aus ehemaligen Bergleuten und ihren Frauen, zum Teil auch aus Mitgliedern der vom NRW-Verfassungsschutz beobachteten Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD).
Am Samstag wollen Jutta Jell und die Gruppe „Kumpel für AUF“ Flugblätter in Duisburg verteilen, am Internationen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.