An Rhein und Ruhr. Der Ton auf den Straßen wird rauer: Um ihre Mitarbeiter im Ordnungsdienst zu schützen, setzen immer mehr Städte auf Bodycams. Das fordert Verdi.

Moers, Essen, Bochum, Herne: Die Liste der Städte, in denen die kommunalen Ordnungskräfte mit am Körper getragenen Kameras, den sogenannten Bodycams, auf Streife gehen, wird immer länger. An Rhein und Ruhr herrscht in vielen Rathäusern, aber auch etwa bei der Gewerkschaft Verdi der Eindruck vor, dass der Ton auf den Straßen rauer werde.

So begründet etwa die Stadtverwaltung in Moers die Entscheidung, die in der vergangenen Woche von der Kommunalpolitik abgesegnet wurde, Kameras zu beschaffen. Es sei ein „zunehmendes Aggressionspotenzial in der Bürgerschaft festzustellen“, hieß es dazu in der entsprechenden Verwaltungsvorlage. „Dies reicht von Beleidigungen der städtischen Bediensteten über verbale Bedrohungen bis hin zur Simulation eines Anfahrens, das erst unmittelbar vor dem Aufprall gestoppt wird.“

Mehrfach gegen Kopf geschlagen

Dass diese Einschätzung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigte sich Anfang März in der Moerser Innenstadt, als eine Ordnungsamtsmitarbeiterin angegriffen wurde. Der Täter schlug der Frau mehrfach gegen den Kopf, verletzte sie. Durch das Eingreifen von Zeugen konnte der Angriff gestoppt werden.

Die Mitarbeiterinnen des Ordnungsamts in Moers, Janina und Isa, sind mit Bodycams ausgestattet.
Die Mitarbeiterinnen des Ordnungsamts in Moers, Janina und Isa, sind mit Bodycams ausgestattet. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Auf den dringenden Wunsch der Beschäftigten im Ordnungsdienst hin, legte die Stadt Moers zuerst eine Pilotphase auf, bei der vier Kameras im Einsatz getestet wurden. Die Rückmeldungen dazu seien äußerst positiv gewesen, so dass nun weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst mit Kameras ausgerüstet werden.

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InDuisburg startete im Sommer 2022 ein Pilotprojekt, bei dem zuerst 20 mobile Kameras zum Einsatz kamen. Die Einsatzkräfte des städtischen Außendienstes und der Verkehrsüberwachung des Bürger- und Ordnungsamtes hätten festgestellt, „dass die Kameras bei vielen Gesprächen mit Bürgern bereits deeskalierend wirken, ohne dass sie überhaupt eingeschaltet sind“, berichtet Sprecher Sebastian Hiedels.

Der Pilotversuch des Ordnungsamtes in Duisburg startete im vergangenen Jahr.
Der Pilotversuch des Ordnungsamtes in Duisburg startete im vergangenen Jahr. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Manchmal würden die Mitarbeitenden gefragt, ob die Kamera eine solche sei und ob diese bereits eingeschaltet wurde. „Dann erklären sie das mehrstufige Verfahren zur Deeskalation: Erstmal ist die Kamera nur präsent, dann gibt es die Möglichkeit, lediglich das Display einzuschalten und nur, wenn sich die Lage immer noch nicht beruhigt hat und weiter eskaliert, wird die Aufnahme gestartet“, erklärt Hiedels das Verfahren.

Flächendeckender Einsatz in Duisburg: 110 Kameras bestellt

Insgesamt sei die Rückmeldung der Einsatzkräfte durchweg positiv. „Wir möchten daher sukzessive alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen Außendienstes und der Verkehrsüberwachung für den ruhenden Verkehr mit den mobilen Videokameras ausstatten“, kündigt Hiedels an. „Insgesamt sollen noch in diesem Jahr 110 Bodycams zu einem flächendeckenden Einsatz in Duisburg kommen.“

Auch in Essen steht nach diversen Vorfällen, bei denen Ordnungsamtsmitarbeiter angegangen wurden, der Bodycam-Einsatz bevor. In Herne begann mit der diesjährigen Cranger Kirmes eine einjährige Versuchsphase für Kameras im Ordnungsdienst, die sieben Bodycams sollen in brenzligen Einsatzsituationen die Geschehnisse in Bild und Ton festhalten.

Seit dem 25. April sind in Bochum 15 der körpernah getragenen Kameras vorhanden. „In den letzten Jahren ist die Zahl der Übergriffe auf Ordnungskräfte deutlich angestiegen“, berichtet die Stadt dort. „Immer häufiger werden die Mitarbeitenden bei ihren Einsätzen beleidigt, bedroht und teilweise sogar körperlich angegriffen und verletzt.“

Zustimmung von Verdi – mehr Städte sollen Kameras anschaffen

Eine Änderung des Ordnungsbehördengesetzes war am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Schon zuvor setzten sich Verdi-Vertreter dafür ein, dass die Kameranutzung erlaubt würde. „In vielen Kommunen gibt es bisher noch keine Lösungen“, klagt Gewerkschaftssekretär Tjark Sauer.

„Unsere Mitglieder bewerten den Einsatz der Bodycams als positiv. Sie haben eine deeskalierende Wirkung und werden im Alltag als Schutz vor Übergriffen wahrgenommen“, wirbt Sauer, flächendeckender in die Ausrüstung mit Kameras zu investieren. „Daher fordern wir den generellen Einsatz der Bodycams vor Ort und in bestimmten Schwerpunktbereichen aktiv ein. Die konkrete Umsetzung muss aber, unter Beteiligung der Personalvertretung und der beteiligten Beschäftigten im Ordnungsdienst, durch die Dienststellen angegangen und ausgewertet werden.“

Zurückhaltung in Kleve: Vorerst keine Bodycams

Zurückhaltung herrscht dagegen in Kleve vor. Während Stimmen aus der Politik, etwa die örtlichen Liberalen, bereits im November 2021 eine Anschaffung der Kameras ansprachen, sah und sieht die Verwaltung dafür keine Veranlassung. „Bisher ist keine detaillierte rechtliche Prüfung erfolgt“, erklärt Stadtsprecher Niklas Lembeck auf Anfrage. „Und eine solche ist derzeit auch nicht angedacht, da in Kleve nach wie vor keine Häufung der Angriffe auf die Mitarbeitenden des Ordnungs- und Servicedienstes der Stadt Kleve festzustellen ist.“ Eine Ausstattung mit Bodycams werde nicht als erforderlich angesehen.

„Trügerische Gewissheit“

Diese Linie wird auch in Dinslaken verfolgt. Nach einer politischen Diskussion im vergangenen Jahr folgte die Lokalpolitik der Auffassung der Ordnungsexperten im dortigen Rathaus: Kameras würden nicht benötigt. Es solle vielmehr auf Deeskalation, Gesprächstechniken und Schulung der Eigensicherung gesetzt werden „als auf eine vermeintlich trügerische Gewissheit einer Kameraaufnahme“, so die Einschätzung der Dinslakener Verwaltung.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen ja auch „Ansprechpartner für und Bindeglied zu der Bürgerschaft sein“, gab die Verwaltung zu Bedenken. Dafür wäre das Tragen von Bodycams „nicht zuträglich“. Ein weiterer, gewichtiger Grund, der gegen einen Einsatz von Bodycams ins Feld geführt wurde, seien Personalengpässe. Innerhalb der Verwaltung stünden „keinerlei personelle Ressourcen für intensive Schulung, Überwachung des Einsatzes und datenschutzkonforme Bearbeitung“ zur Verfügung.

Für den Einsatz von Kameras haben die Ordnungsbehörden Vorgaben, die im Polizeigesetz NRW festgehalten sind. So gilt, dass die Bodycam bei „Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten“ eingesetzt werden kann. Voraussetzung sind Gefahr für Leib oder Leben der Einsatzkräfte oder Dritter.

Der Einsatz der Bodycam ist immer erkennbar zu machen, etwa durch eine rotblinkende Leuchtdiode (LED) am Gehäuse. Die Aufzeichnung ist den betroffenen Personen mitzuteilen. Nur bei Gefahr im Verzug kann dies unterbleiben. Bei Versammlungen dürfen Bodycams wegen der spezielleren Vorschriften des Versammlungsrechts nicht eingesetzt werden. Der Einsatz von Bodycams in Wohnungen ist nur zur Verhütung einer dringenden Gefahr zulässig.

Die Ordnungskräfte müssen für den Einsatz mit den Aufzeichnungsgeräten geschult werden, etwa in Sachen Datenschutz. Die Aufzeichnungen sind zwei Wochen nach ihrer Anfertigung zu löschen. Ausnahmes bestehen, wenn die Aufzeichnungen zur Gefahrenabwehr, zur Verfolgung von Straftaten, und Ordnungswidrigkeiten oder zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen benötigt werden.