Für einen falschen Polizisten legte die 93-Jährige ihre EC-Karte samt PIN-Nummer bereit. Warum ihre mutige Friseurin den Betrüger noch verfolgte.

Die Masche:Am Telefon meldet sich die „Kripo“. In der Nachbarschaft ist eingebrochen worden, auf einem Zettel hinterließ der Dieb auch Ihre Adresse. Wie viel Gold haben Sie im Haus? Und andere Wertsachen? Sie sollten das in Sicherheit bringen, am besten geben Sie alles zur Aufbewahrung uns. Ein Kollege Kommissar kommt gleich vorbei. Die EC-Karte bitte mit PIN-Nummer in einen Briefumschlag!

Friseurin Beate kommt jeden Donnerstag zu Maria S. An diesem Tag schneidet sie ihr die Haare, die 93-Jährige sitzt unter der Trockenhaube und ist anders als sonst. Nervös. „Komisch“, sagt Beate. „Wat is’ los?“, fragt sie mehrfach, hellhörig geworden. „Das darf ich nicht sagen“, sagt Maria. Die Friseurin erinnert sich: „Damit hatte sie mich.“ Es dauert, bis die Kundin zugibt: Es hat ein „Thomas Sternbach“ angerufen von der Polizei Oberhausen, Kriminalkommissariat 22. „Das gibt es aber gar nicht“, weiß Maria S. heute.

Maria S. (93) war allein zuhause, als der Unbekannte anrief. Den Umschlag mit Scheckkarte und PIN hat sie sofort bereitgelegt.
Maria S. (93) war allein zuhause, als der Unbekannte anrief. Den Umschlag mit Scheckkarte und PIN hat sie sofort bereitgelegt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der falsche Kommissar war schneller als die Polizei

„Nix Kripo, Falle!“, begreift die Friseurin sofort. Holt Tochter und Schwiegersohn aus der Etage darüber, ruft die Polizei. Die rät, das Konto sofort zu sperren. Der Briefumschlag mit Scheckkarte und PIN liegt schon griffbereit auf dem Tisch, beide Nummern hat Maria S. am Telefon durchgegeben. Das mit dem Einbruch nebenan stimmt ja, davon hat sie in der Zeitung gelesen.

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Der „Kommissar“ ist schneller als die Polizei. Plötzlich steht er vor der Tür, sie sehen ihn durch das Fenster. Die Tochter, auch schon 67, will öffnen, „ich hätte mich aber bewaffnet“, sagt sie heute. Friseurin Beate aber warnt: Da steht ein breitschultriger, großer Mann, „nicht klein und niedlich“. Der Unbekannte wartet nicht lange, dann geht er davon. Auf dem Heimweg sieht Beate ihn aus dem Auto, „da läuft der Sack“! Sie fotografiert ihn, ein kräftiger Typ, kurze blonde Haare, Jeans, Steppjacke. So könnte ein Polizist aussehen. Angst hatte die 61-Jährige nicht, „Quatsch, wenn der gekommen wäre, hätte ich die Knöppe runtergedrückt. Und ihn umgefahren“.

93-Jährige: „Ich war wie ferngesteuert“

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    Die Polizei sagt, sie ist „eine Heldin“. Oma Maria sagt, sie ist „meine Retterin“. Warum sie selbst nicht geschaltet hat, ist ihr auch drei Wochen danach ein Rätsel. „Es hätten doch die Alarmglocken klingeln müssen, ich verstehe das nicht.“ Maria S. geht zwar nach einem Unfall am Rollator, aber im Kopf ist die 93-Jährige noch fit. Sie weiß sogar die angebliche Dienstnummer des Beamten noch: „373712“. Wie oft hat sie das gesagt: „Sowas passiert mir nicht.“ Und jetzt: „Man kommt sich blöd vor.“ Die alte Frau schüttelt den Kopf über sich selbst. Es muss der Schreck gewesen sein, die Angst. „Ich war wie… ferngesteuert.“

    Das Notizbüchlein von Maria S. (93): Der Tattag ist ein „Scheißtag“.
    Das Notizbüchlein von Maria S. (93): Der Tattag ist ein „Scheißtag“. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

    Maria S. geht jetzt nicht mehr ans Telefon, wenn sie die Nummer nicht kennt. Oder sie drückt sofort „auf den roten Knopf“. Ihre Tochter sagt, trotzdem habe sich etwas verändert. „Unser Haus ist unser Heiligtum, da hat kein Fremder was zu suchen. Schon gar kein böser.“ Die Mutter wird das Datum nicht vergessen, trotzdem hat sie es aufgeschrieben in ihrem kleinen Notizbuch, sonst notiert sie die Haushaltsausgaben darin. Sie holt es aus der Küche, „Tatort 3.8.23“, steht da. „Scheißtag!“

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