Voerde. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich am Donnerstag das Flender-Werk in Voerde angeschaut. Was das Unternehmen für Habeck so wichtig macht.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat das Werk des Windkraftanlagen-Herstellers Flender in Voerde bei Dinslaken besucht. Vor Ort tauschte er sich mit Flender-Chef Andreas Evertz zu den Herausforderungen im deutschen Maschinenbau und der Energiewende aus und machte sich ein Bild von der Situation der Windenergiebranche. Im Landtag wollen CDU und Grüne den vorgeschriebenen 1000-Meter-Abstand von Windkraftanlagen zu Wohngebieten kippen.
NRW: Habeck besucht Getriebewerk am Niederrhein
Habeck will die Produktion erneuerbarer Energie steigern und macht besonders Druck beim Ausbau der Windkraft. Dabei komme man auch gut voran, wie er bei seinem Besuch bei Flender erklärte. „Hauptaugenmerk ist es aber auch, bestehende Unternehmen in den Prozess miteinzubeziehen.“ Die modernen, leistungsfähigen Getriebe, die in Voerde gebaut werden, seien das Resultat der Entwicklung der letzten 20 Jahre, sagte Habeck. „Das ist eine Meisterleistung der deutschen Ingenieurskunst.“
Wie Flender mitteilte, seien die Unternehmen der Branche auch bereit, das künftig erwartete Marktwachstum abzuwickeln. Bis Ende 2030 sollen in Deutschland 115 Gigawatt (GW) Windenergie an Land installiert sein. Dafür ist ein jährlicher Zubau von 7 GW netto (9 GW brutto) nötig. „Die sieben Gigawattstunden, die Deutschland pro Jahr braucht, können wir liefern“, versicherte Flender-Chef Andreas Evertz dem Minister. Bereits vor einigen Wochen besuchte der Habeck im Rahmen seiner Sommerreise das Flender-Werk im sächsischen Penig bei Chemnitz.
Im Juni wurde Robert Habeck noch mit Trillerpfeifen und Buh-Rufen von Stahlarbeitern von Thyssenkrupp in Duisburg empfangen als er das örtliche Werk besuchte. Der heutige Empfang war weitaus freundlicher. Am Standort in Voerde werden unter der Produktmarke „Winergy“ Getriebe und Antriebe für Windkraftanlagen gefertigt.
160 Arbeitsstunden fließen in ein Windrad-Getriebe
Habeck ließ sich die Fertigungsstrecke der Getriebe zeigen, durfte mit sichtlicher Freude im Gesicht ein kleines Modell ankurbeln und dann auch den letzten Teil eines großen Getriebes per Lastenkran auf das Werkstück herablassen. Rund 160 Arbeitsstunden fließen in die Montage eines Getriebes, wie ein Mitarbeiter dem Minister erklärte. Pro Achtstundenschicht verlasse ein fertiges Getriebe das Werk. Flender selbst teilt zudem mit: „Aktuell befindet sich in knapp jedem dritten Windrad der Welt eine Antriebskomponente von Flender.“ Zudem werden im Voerde auch andere Getriebearten für die Industrie sowie Schiffsgetriebe produziert.
Das Voerder Werk sei eines der weltweit modernsten und größten zur Herstellung von Antrieben für Windkraftanlagen, erklärt Flender. Das gelte nach Angaben des Unternehmens auch für die Prüfstände, mit denen jeder Antrieb vor Auslieferung getestet wird. Davon durfte sich zum Abschluss des Rundgangs durch das Werk auch Minister Habeck vergewissern und den Startknopf für einen Testvorgang betätigen. Kein Getriebe verlasse das Werk ungetestet, betonte eine Mitarbeiterin.
Unternehmen ist ehemalige Siemens-Tochter
Das Maschinenbau-Unternehmen Flender hat neben seinen Standorten in Deutschland weitere in diversen anderen Ländern wie der Türkei, Indien, China oder den USA. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in Bocholt, in der Nähe werden Kupplungen und weitere Teile für Windkraftanlagen hergestellt. Das Werk in Sachsen fertigt Zahnradgetriebe. Zudem betreibt das Unternehmen ein Werk für Generatoren für Windkraftanlagen bei der türkischen Großstadt Adana.
Zwischenzeitlich war Flender ein Tochterunternehmen von Siemens und wurde Ende 2020 an den US-amerikanische Konzern Carlyle Group verkauft. Flender hat rund 9000 Mitarbeiter, etwa 1500 davon am Standort Voerde.
Windräder neben Wohngebieten: Schwarz-Grün will 1000-Meter-Abstand kippen
Auch die schwarz-grüne Landesregierung in NRW setzt auf den starken Ausbau der Windkraft. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2027 sollen in NRW mindestens 1000 zusätzliche Windenergieanlagen gebaut werden. Im Landtag wird am Freitag, 25. August, darüber abgestimmt, ob der vorgeschriebene 1000-Meter-Abstand von Windkraftanlagen zu Wohngegenden fällt. Den Gesetzesentwurf hatte die Regierungskoalition aus CDU und Grünen eingebracht.
Bundesminister Habeck findet es „richtig, über pauschale Regeln nachzudenken“, sagte er der NRZ bei dem Besuch in Voerde hinsichtlich der unterschiedlichen Abstandsregeln, die in den einzelnen Bundesländern gelten. Bei der Windkraft sei NRW eines der Länder, das voran gehe. „Die Landesregierung macht eine gute Arbeit“, bescheinigt Habeck. Am Ende können man die gesteckten Ziele im Ausbau der erneuerbaren Energien nur zusammen erreichen. „Das bezieht sich nicht nur auf Bundes- und Landesregierungen, sondern auch auf die Industrie, die Kommunen und die einzelnen Menschen.“ Vor allem die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen müssten deutlich schneller laufen, fordert der Minister.
Bereits Anfang März wurde die Abstands-Regel aufgeweicht als Schwarz-Grün im Landtag durchsetzte, dass die Vorgabe nicht für sogenannte „Repowering-Vorhaben“ gelten soll. Dabei ersetzen moderne, leistungsstärkere Anlagen ältere an bereits bestehenden Standorten. Der Opposition war das nicht weit genug gegangen und die SPD hatte die komplette Abschaffung der 1000-Meter-Regel gefordert. Und auch der Landesverband Erneuerbare Energien NRW erklärte, dass die Abstände bei neuen Windanlagen schnellstmöglich abgeschafft werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen.