Essen. Die Zahlen von Gewalttaten und Sexualdelikten an Bahnhöfen nehmen zu. Die GdP fordert mehr Polizei und sieht auch die Bahn in der Pflicht.
An Bahnhöfen in Deutschland gibt es immer mehr Fälle von Gewalt. Das berichtet die „Bild“-Zeitung und bezieht sich auf ein Dokument der Bundespolizei. Demnach sei die Zahl der Gewalttaten an Bahnhöfen in 2022 seit 2019 um 28,4 Prozent gestiegen. Gegenüber 2021, als coronabedingt noch weniger Reisende unterwegs waren, gebe es sogar einen Anstieg um 38,6 Prozent.
Auch die NRW-Bahnhöfe Düsseldorf, Dortmund und Köln seien Brennpunkte. Diesen Trend bestätigt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und fordert erneut mehr Stellen bei der Bundespolizei sowie eine bessere Kameraüberwachung der Bahnhöfe. Aber auch die Deutsche Bahn sieht die GdP in der Pflicht.
Starker Anstieg von Gewalttaten mit Messern
Die GdP bestätigt den Anstieg der Fälle. Die Zahlen seien jedoch sehr frisch und noch nicht qualitätsgesichert, kommentiert Andreas Roßkopf Vorsitzender der GdP-Direktionsgruppe Bundespolizei und Zoll mit Sitz in Hilden. Er begründet den Anstieg mit dem Ende der Pandemie und den Beschränkungen, aber auch mit den höheren Fahrgastzahlen in Deutschland. „Wir reden von über zwei Milliarden Reisenden, die die Bahn im Jahr benutzen.“ Allein aus diesen Zahlen und dem Ende der Pandemie ergebe sich diese Steigerung in den Gewaltfällen.
Dem Bericht über das Lagebild „Gewaltdelikte auf Bahnanlagen im Jahr 2022“ nach seien allein die Körperverletzungen in dem Dreijahreszeitraum von 11.600 auf 14.155 Fälle gestiegen – eine Zunahme um 22 Prozent. Sexualdelikte seien um 43 Prozent gestiegen (von 1184 Fällen auf 1693) und Gewaltdelikte mit Messereinsatz um 44,5 Prozent (von 299 auf 432 Fälle). Aber auch Raub und Erpressung seien von 540 auf 708 Fälle gestiegen (plus 31 Prozent). Taschendiebstähle seien um 12 Prozent von 18.405 Fällen auf 20.552 gestiegen. Vorkommnisse in denen Menschen ins Gleis gestoßen wurden, habe es in 2019 60 gegeben, in 2022 78.
Insgesamt habe es in 2022 17.099 Tatverdächtige gegeben. 20 Prozent mehr als 2019 (14.205). Das statistische Bundesamt zählte 2022 im Eisenbahn-Nahverkehr (einschließlich S-Bahnen) 2,4 Milliarden Reisende. Weitere 138 Millionen fuhren mit Zügen des Fernverkehrs.
Den Anstieg von tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte kann derweil auch Andreas Roßkopf von der GdP bestätigen. „Wir stellen fest, dass es mehr Übergriffe auf Beamte gibt. Aber da gibt es keine exorbitanten Steigerungen“, meint er. Laut Medienbericht seien diese von 914 Fällen auf 1150 gestiegen (plus 26 Prozent).
GdP sieht auch die Deutsche Bahn in der Pflicht
„Wir fordern seit Jahren 3500 mehr Stellen für die Bahnhöfe“, sagt Roßkopf. Die Beamten sollen dann zu dritt auf Streife gehen. Um dem Problem zu begegnen reiche es aber nicht aus, nur mehr Polizisten einzustellen, ergänzt er. „Die Bahnhöfe müssten kameratechnisch besser überwacht werden. Der Hauptbahnhof in Nürnberg wäre ein Vorzeigebahnhof.“ Dort könne mir modernster Kameratechnik jeder Winkel des Bahnhofs überwacht werden. „So sind wir in der Lage solche Delikte schnell aufzuklären. Das fordern wir für alle Bahnhöfe“, so Roßkopf.
Aber auch das Bild der Bahnhöfe müsste ein anderes sein. „Sie müssten freundlicher, heller und offener werden. Sie dürfen keine Angsträume mehr sein.“ Es dürfe keine dunklen Ecken an Bahnhöfen gebe, wo Alleinreisende, gerade Frauen, sich nicht trauen alleine zu warten. Generell sieht Roßkopf die Deutsche Bahn in der Pflicht. „Die Bahn muss ihrer Verpflichtung nachkommen, für die Sicherheit der Reisenden zu sorgen“, sagt der Gewerkschaftler.
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„Der Sicherheitsdienst der Bahn hat etwa 4000 Mitarbeiter in Deutschland. Da erwarten wir eine Steigerung der eigenen Sicherheitskräfte der Bahn.“ Mit diesem Gesamtpaket könne man Gewalttaten und Straftaten „ein Stück weit eindämmen“, so Roßkopf und betont: „Jeder der Straftaten am Bahnhof begeht, muss mit der Angst leben, auf dem Fuße erwischt und bestraft zu werden. Dahin müssen wir kommen.“
Pro Bahn NRW: Bundespolizisten wurden versetzt
Für den Fahrgastverband Pro Bahn in NRW sind mehr Kameras nur dann sinnvoll, „wenn gesichert ist, das auch beobachtet wird und nicht nur aufgezeichnet“, so Sprecher Lothar Ebbers. „Reine Beobachtung verhindert keine Straftaten.“ Wo und wann Bahnhöfe mehr oder weniger gefährlich sind, hänge von Ort und Zeit ab, erklärt er. So seien gerade Bahnhöfe wie jener in Düsseldorf, an denen der „abendliche Wochenend- und Freizeitverkehr“ stärker ist, die Schwerpunkte von Verbrechen.
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Zudem müsse man sehen, ob Verbrechen in Zügen oder am Bahnhof passieren. Bei den Zügen seien S-Bahnen stärker belastet. „Wenn einer was macht, dann in der S-Bahn, wo er schneller aussteigen kann als aus einem Regionalexpress, der vielleicht für die nächsten 15 Minuten nicht anhält“, erklärt Ebbers.
Als Problem sieht Pro Bahn NRW, dass in den vergangenen Jahren Bundespolizisten aus NRW abgezogen worden seien, wie Ebbers berichtet. „Im Zuge der Flüchtlingskrise wurden Beamten versetzt, um zum Beispiel die östlichen Landesgrenzen stärker zu kontrollieren. Da hat NRW am meisten geblutet.“ Das sei jetzt ein strukturelles Problem.