Ennepetal. Ein Mann soll aus dem Flüchtlingsheim an der Heimstraße in Ennepetal heraus islamistische Terroranschläge in Deutschland geplant haben.

Die Spezialkräfte der Polizei kamen in der Nacht. Als sie an der Heimstraße in Ennepetal eintrafen und die Flüchtlingsunterkunft betraten, wussten sie ganz genau, wo sie den Mann finden würden, der als Teil eines Terrornetzwerks islamistische Anschläge in Deutschland geplant haben soll. Er ist einer von sieben Männern, die in der Nacht auf Donnerstag in Nordrhein-Westfalen als mutmaßliche Mitglieder einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden sind.

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Der Generalbundesanwalt hatte die Haftbefehle beim Bundesgerichtshof beantragt, Kräfte des Bundeskriminalamts und des Landeskriminalamts vollstreckten diese in einer konzentrierten Aktion gegen die Tatschiken Mukhammadshujo A., Nuriddin K., Shamshud N., Said S. und Raboni Z, sowie gegen den Turkmenen Ata A. und den Kirgisen Abrorjon K., die sich zum Zeitpunkt ihrer Festnahme neben Ennepetal in Düsseldorf, Gladbeck, Gelsenkirchen, im Rhein-Sieg-Kreis, und im Kreis Warendorf aufhielten. Wer von ihnen in der Heimstraße in Ennepetal untergebracht war, das verrät die Bundesanwaltschaft auf Nachfrage der Redaktion nicht. Ein weiterer Mann aus Tadschikistan und eine Frau aus Kirgistan sind parallel in den Niederlanden festgenommen worden.

Tatorte für Terror bereits ausgekundschaftet

Gesichert ist hingegen, dass die Verdächtigen sich bereits seit Längerem kennen und ihre radikal-islamistischen Einstellung teilen, wie die Bundesanwaltschaft mitteilt. Sie sind kurz nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Zuge der Flüchtlingswelle von der Ukraine aus nach Deutschland eingereist. „Ende Juni 2022 schlossen sie sich hier zu einer terroristischen Vereinigung zusammen, mit dem Ziel, in Deutschland öffentlichkeitswirksame Anschläge im Sinne des IS zu verüben“, heißt es in der Mitteilung.

+++ NRW steht weiter im Fokus des islamistischen Terrorismus +++

Konkret sollen die 20 bis 46 Jahre alten Männer in Kontakt zum pakistanisch-afghanischen Ableger der Terrormiliz IS gestanden haben, der auf den Namen „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ hört und in Afghanistan trotz gleicher Ideologie Feind der Taliban ist. Der Ennepetaler und seine mutmaßlichen Terror-Verbündeten sollen nach ihrer Ankunft in Deutschland Ziele für Anschläge ins Auge gefasst und ausgespäht haben. Zudem sollen sie bereits versucht haben, sich Waffen zu besorgen. Konkrete Anschlagspläne, so betonen die Behörden, habe es jedoch noch nicht gegeben.

Subventionsbetrug für Anschlagsfinanzierung

„Mit Ausnahme von Abrorjon K. sammelten die in Deutschland festgenommenen Beschuldigten zudem seit April 2022 Geld für den IS und transferierten dieses wiederholt zu der Vereinigung ins Ausland“, teilt der Generalbundesanwalt mit und fasst damit eine Sache auf, die bereits Ende des vergangenen Jahres für eine Islamisten-Razzia in Ennepetal gesorgt hatte. Ebenfalls im Zuge einer bundesweiten Aktion stürmten Beamte am 22. November 2022 eine Wohnung an der Diestelkampstraße. Hier soll sich ein Teil des Netzwerks von Fayez K. (25) befunden haben. Der Salafist befand sich zum Zeitpunkt des Zugriffs in Syrien, soll sich mehr als eine Million Euro an Coronafördermitteln über Strohleute erschlichen haben, um damit islamistischen Terror zu finanzieren.

Die Stadt Ennepetal rückt seit vielen Jahren immer wieder in den Fokus der Staatsschützer, wenn es um islamischen Extremismus geht. So ging im Jahr 2014 der Fall von Ahmet C. um die Welt. Der 21-jährige Deutsch-Türke lebte ein unauffälliges, sehr gut integriertes Leben in Ennepetal, spielte beim TuS Fußball. Im Sog der Salafisten, die aus dem Bergischen Land mit Wuppertal als ihrem Zentrum seit Jahren an den Moscheen in Schwelm und Ennepetal versuchen, junge Männer für ihr radikales Gedankengut und letztendlich für den Dschihad zu akquirieren, radikalisierte sich der Ennepetaler innerhalb von nur wenigen Monaten.

54 Menschen mit in den Tod gerissen

Über die Wuppertaler Netzwerke, aus denen auch die Scharia-Polizei entsprang, war er bald derart hasserfüllt gegenüber Andersgläubigen, dass er sich der islamistischen Terror-Miliz Islamischer Staats (IS) anschloss. Über die Türkei reiste er nach Syrien, trug fortan den Kampfnamen „Abu Qaqa al-Almani“. Am 19. Juli des Jahres 2014 schickten ihn die Befehlshaber des IS in die irakische Hauptstadt Bagdad. Ahmet C. hatte sich bereit erklärt, als Selbstmordattentäter im Heiligen Krieg zu sterben.

In Empfang nahm ihn ein Bombenbauer des Islamischen Staats, der später verhaftet wurde und über die insgesamt 19 Attentate, die er vorbereitet hatte, aus dem Gefängnis heraus mit einem Spiegel-Journalisten sprach. Das Attentat des Ahmed C. sei das schnellste gewesen, das Abu Abdullah – so der Name des Bombenbauers – vorbereitet hätte: „Er verstand ein paar Worte, aber es ging eher mit Händen und Füßen. Es war meine kürzeste Operation; der Platz an dem ich ihn in Empfang nahm, lag nahe am Ort der Detonation. Er kam zum ersten Mal in seinem Leben nach Bagdad, 45 Minuten später war er tot. Ich dachte: Jetzt kommen schon Leute aus Deutschland, um sich hier in die Luft zu sprengen. Es gab mir ein Hochgefühl.“ 54 Menschen riss der Ennepetaler damals mit in den Tod.

Selbstmordattentat: Mit dieser Explosion riss der Ennepetaler Ahmed C. 54 Menschen mit in den Tod.
Selbstmordattentat: Mit dieser Explosion riss der Ennepetaler Ahmed C. 54 Menschen mit in den Tod. © WP | WP

Eine zentrale Persönlichkeit bei der Rekrutierung von Ahmed C. soll Atila G. gewesen sein, dessen Fall vier Jahre später die Stadt Ennepetal erneut in den Fokus islamistischen Terrors rückte. Atila G. gilt als Scharfmacher des IS. Aus einer Laube in einem Schrebergarten und seiner Ennepetaler Wohnung heraus soll der in Vielehe lebende Hassprediger mindestens sechs junge Männer für die Terror-Miliz rekrutiert haben, und in Deutschland zum Führungszirkel der Organisation gehört haben.

Radikalisierung im Kleingarten

Seinen Sohn Muhammed H. stuften die Verfassungsschützer als Hochkaräter der salafistischen Szene ein. Abu Walaa – seinerzeit wohl einer der bedeutendsten IS-Führer auf deutschem Boden – soll regelmäßiger Gast im Ennepetaler Kleingarten gewesen sein. Während G.s Sohn Muhammed H. im Jahr 2018 zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde, weil er in den bewaffneten Dschihad ziehen wollte, ist sein Vater bislang stets ungeschoren davon gekommen. Auch wenn die Ermittler felsenfest von seiner Rolle im IS überzeugt sind, konnten sie ihm doch nie etwas nachweisen.

Ob dies nach Haftprüfung für den nun verhafteten Terrorverdächtigen gelingt, das werden die kommenden Tage und Wochen zeigen.

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