An Rhein und Ruhr. Ist die Ehe wieder im Trend? In NRW heiraten mehr Paare, gleichzeitig sinkt die Scheidungsrate. Paartherapeut sieht einen Wandel in Beziehungen.

Wenn Paare den Schritt vor den Traualtar wagen, dann teilen sie in der Regel wohl einen Wunsch: Das große Eheglück, bis dass der Tod sie scheidet. Dass genau dieser Wunsch nicht immer in Erfüllung geht, ist keine Neuigkeit. Und doch gibt es jetzt gute Nachrichten: Die Menschen in Nordrhein-Westfalen trauen sich wieder mehr. Während die Scheidungsrate in NRW weiter rückläufig ist, näherte sich die Zahl der Eheschließungen im vergangenen Jahr langsam aber sicher dem Vor-Corona-Niveau an.

Im vergangenen Jahr wurden 85.008 Ehen geschlossen (darunter 2282 Ehen zwischen Personen gleichen Geschlechts), das sind zwar immer noch rund fünf Prozent weniger als im Jahr 2019 vor der Pandemie (89.476 Eheschließungen), im Vergleich zu 2012 mit 81.759 Eheschließungen jedoch ein Anstieg von knapp 3,4 Prozent.

2022 wurden in NRW 30.844 Ehen geschieden

Und auch die Zahl der Scheidungen geht zurück: Im vergangenen Jahr wurden mit Blick in die Zahlen des Statistischen Landesamtes 30.448 Ehen geschieden – ein Rückgang von 4,5 Prozent im Vorjahresvergleich. Verglichen mit den Zahlen aus 2012 macht das fast 30 Prozent weniger Ehescheidungen als noch vor zehn Jahren.

Wenn die Ehen dann doch geschieden wurden, hielten sie länger an. Ehepaare, die sich im Jahr 2022 scheiden ließen, waren nach Angaben der Statistiker zuvor im Durchschnitt 15,3 Jahre verheiratet gewesen. Zehn Jahre zuvor ließen sich Paare im Schnitt nach 14,6 Ehejahren scheiden.

Nachfrage nach Paartherapie wächst

So stellt sich schnell die Frage: Erlebt die Ehe wieder einen Aufschwung? Der Essener Paartherapeut Andreas Niehues ist da geteilter Meinung. „Ich kann mir vorstellen, dass einer der Gründe für die sinkende Scheidungsrate ist, dass viele Paare erst später heiraten, sich diesen Schritt also sehr gut überlegen und bewusster an die Sache rangehen als früher.“

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Trotzdem habe er festgestellt, dass die Nachfrage nach Paartherapie in den vergangenen Jahren gestiegen sei und viele Paare an ihren Problemen arbeiten wollten, statt ihre Beziehung zu beenden. „Vermehrt kommen Paare zu mir, die im Freundes- und Bekanntenkreis von dem Angebot erfahren. Scheinbar ist Paar- und Sexualtherapie kein Tabuthema mehr“, vermutet der Therapeut, der seine Praxis in Essen-Holsterhausen betreibt.

„Scheidungsrate sagt wenig über die Stabilität von Paarbeziehungen aus“

Und doch sage die Scheidungsrate nur wenig über die Stabilität von Paarbeziehungen aus. Denn trotz der wieder steigenden Zahl von Eheschließungen sei Corona ein Brennglas für Beziehungsprobleme gewesen, ein Beziehungskiller also. „Unterschwellige Beziehungsprobleme und Konflikte, die schon vor der Pandemie da waren, brachen während Corona auf und spitzten sich zu“, erklärt Andreas Niehues.

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Dem stimmt auch Beziehungstrainerin Astrid Lauderbach aus Oberhausen zu. „In der Coronapandemie haben sich manche Dinge einfach deutlicher gezeigt“, sagt Lauderbach, die Paar- und Einzelcoachings anbietet.

Wandel: Frauen nehmen Männer mehr in die Pflicht

Paartherapeut Niehues nimmt in seiner Arbeit nicht nur die erhöhte Nachfrage wahr, auch ein Wandel innerhalb der Beziehungen habe stattgefunden: Ein häufiges Problem, mit dem Paare auf ihn zukämen, sei die hohe Belastung durch den Wunsch, Beruf und Alltag unter einen Hut zu bringen. Oft sei es so, dass die Frauen einen Großteil der „Beziehungsarbeit“ zusätzlich zu ihrer Berufstätigkeit stemmen.

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„Viele Frauen beklagen, dass sie das Gefühl haben, die alleinige Verantwortung für die Familie tragen zu müssen und fühlen sich von ihren Männern im Stich gelassen.“ Dazu seien die Frauen häufig nicht mehr bereit und nähmen immer öfter auch ihre Männer in die Pflicht.

Und wenn sich Paare zu einer Therapie entscheiden, dann kämen sie oft zu spät in Niehues’ Praxis. „Ein häufiger Grund ist dann, dass einer von beiden eine Außenbeziehung hatte und wenn ich genauer nachfrage, ob und wie lange es denn schon in der Beziehung kriselt, dann heißt es oftmals ‘mehrere Jahre’.“ Der Zeitpunkt, an dem die Beziehung oder Ehe zu retten gewesen wäre, sei dann schon lange überschritten, klärt der Paartherapeut auf.

Fehlende Kommunikation sei oftmals der Grund für das Scheitern einer Ehe oder einer Beziehung

Oftmals hapere es bei Astrid Lauderbachs Kundinnen und Kunden an mangelnder Kommunikation. „Die Paare leben oftmals aneinander vorbei im Alltag und die Zuneigung fehlt“, sagt sie. Wie viele Ehen sie mit ihren Trainings bisher retten konnte, weiß sie nicht.

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„Kann natürlich sein, dass im Nachhinein dann die Scheidung eingereicht wurde, das entzieht sich leider meiner Kenntnis. Aber ich betreue eher Paare, die länger zusammen sind, wo vielleicht auch Kinder im Spiel sind, wo die Beziehung nicht so schnell aufgegeben werden will“, fasst sie ihren Kundenstamm zusammen. Und wenn eine Beziehung doch scheitere, läge das fast immer an unterschiedlichen Vorstellungen und Wünschen und an der fehlenden Kommunikation.

>>> Am kürzesten hielten die Ehen in Duisburg

Die durchschnittliche Ehedauer variierte zwischen den verschiedenen Kreisen und kreisfreien Städten in NRW. Am kürzesten waren Ehepaare bei ihrer Scheidung im Jahr 2022 in Duisburg (13,8 Jahre) verheiratet gewesen. Kurz darauf folgt der Kreis Siegen-Wittgenstein (14,0 Jahre) und Ennepe-Ruhr-Kreis (14,0 Jahre).

Die längste Ehedauern bis zur Scheidung wurde im Rheinisch-Bergischen Kreis mit 17 Jahren ermittelt, im Hochsauerlandkreis hielten die Ehen im Schnitt 16,7 Jahre, im Kreis Coesfeld 16,9 Jahre.

Mehr als die Hälfte der Scheidungsverfahren (52,5 Prozent) wurde 2022 von den Ehefrauen beantragt. Bei 5,5 Prozent der Scheidungen stellten die Eheleute den Antrag gemeinsam und in 42 Prozent der Fälle ging die Initiative von den Ehemännern aus, erklärt IT.NRW die Statistik