An Rhein und Ruhr. Über fünf Millionen Überstunden haben Polizisten in NRW angehäuft. Warum Ausgleich selten möglich ist und was die Gewerkschaft fordert.

Polizisten in NRW beklagen große Mengen an Überstunden, ohne einen gerechten Ausgleich zu bekommen. Mehr als fünf Millionen Überstunden haben die 40.000 Polizisten und Verwaltungsbeamten NRW bis Ende 2022 angehäuft, wie das NRW-Innenministerium auf Nachfrage bestätigt. Zuerst hatte der WDR berichtet. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW fordert nun mehr Personal und eine Umverteilung der Aufgaben.

„Viele Polizisten leiden aktuell unter einer starken Mehrbelastung und tragen noch viele Altlasten mit sich herum“, sagt GdP-Landesvorsitzender Michael Mertens der NRZ. Vor allem Mitarbeiter im Bereitschafts- und Wachdienst sowie Ermittler in Mordkommissionen würden oft mehr als die Regelzeit arbeiten: „Die meisten haben jeweils weit über 1000 Überstunden aufgebaut.“

Durch welche Einsätze sich besonders viele Überstunden anhäufen

In Mordkommissionen entstünden oft in kurzer Zeit viele Überstunden, „weil so schnell wie möglich und so viel wie möglich ermittelt werden muss, um den Täter zu überführen“, erklärt Mertens. Oft würden die Ermittler über mehrere Tage bis zu 14 Stunden täglich arbeiten. Ähnlich sei es beim Wachdienst: „Wenn kurz vor Ende der regulären Schicht ein Verkehrsunfall oder Raub auftritt, sind Überstunden angesagt.“

Michael Mertens, NRW-Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, fordert mehr Personal für die Polizei.
Michael Mertens, NRW-Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, fordert mehr Personal für die Polizei. © Sven Vüllers/ GdP

Auch Großeinsätze wie bei Bundesliga-Spielen und Demonstrationen führten zu Mehrarbeit. In der Regel seien die Polizisten sehr lange im Einsatz – meist bis zu zwölf Stunden. Die Zeit für Anreise, Vor- und Nachbereitung komme oben drauf. Ein geplanter Schichtwechsel sei oft nicht möglich, weil viele Polizisten auf einem Fleck gebraucht würden. Mertens schildert: „Wenn zum Beispiel der ukrainische Präsident zum Karlspreis nach Aachen kommt, werden so viele Polizisten wie für zehn Einsätze gleichzeitig gebraucht.“

Gewerkschaft der Polizei fordert mehr Personal

Für den fehlenden Ausgleich sei vor allem der Personalmangel verantwortlich. Zurzeit würden nur so viele Polizisten eingestellt, dass bestehende Lücken gefüllt würden. „Wir müssen aber noch mehr Personal aufbauen, weil Gewalt und Aggressivität zunehmen, und das wird aktuell nicht gemacht“, meint der GdP-Landesvorsitzende. Er fordert von der Regierung: „Wir müssen so viel Personal bekommen, um alle Aufgaben bewältigen zu können und uns selbst bei Einsätzen zu schützen.“

Außerdem spricht sich Michael Mertens dafür aus, die Aufgabenverteilung zwischen Polizei und Ordnungsdienst klarer zu regeln. Für Nachbarschaftsstreitigkeiten wie Ruhestörungen müsse oft die Polizei anrücken, obwohl das Sache des Ordnungsdiensts wäre. Er meint: „Wenn wir das auch noch machen müssen, weil der Ordnungsdienst nicht zur Verfügung steht, kommen wir nicht mehr hinterher.“

Wie das Innenministerium reagiert

Das NRW-Innenministerium erklärt auf NRZ-Anfrage, es habe „die Polizeibehörden mittels Erlass zum Umgang mit Stundenguthaben sensibilisiert.“ Damit seien Führungskräfte verpflichtet, ab einer Grenze von 240 Überstunden „ganz konkrete Abbaupläne mit dem oder der Betroffenen zu vereinbaren“. Zudem habe die Regierung 2022 Langzeitarbeitskonten eingeführt.

Außerdem wolle das Innenministerium das Personal aufstocken, wie ein Sprecher schildert: „Erklärtes Ziel ist es, über den Umfang des Personals tätig zu werden und jährlich bis zu 3.000 Einstellungen von Kommissaranwärterinnen und -anwärtern vorzunehmen.“