Emmerich/Kleve. . Landtagsabgeordneter sorgt sich um Personalausstattung der Polizei und fragte bei der Landesregierung nach. Ein Ex-Polizist gibt Einblicke in Situation der Kollegen.

Steuert die Polizei im Kreis Kleve auf einen massiven Personalmangel zu? Das jedenfalls befürchten die Polizeigewerkschaften GdP und BDK. Danach hat die Polizei im Kreis Kleve seit 2012 mehr als 50 Fehlstellen zu verzeichnen. Seit dem 1. September 2015 bis zum 31. August 2016 werden 19 Beamte in Pension gehen oder ließen sich versetzen, diese würden aber nur durch sechs neue Beamte ersetzt. In den nächsten sechs Jahren sollen weitere 110 Beamte in Pension gehen.

Sicherheitsgefühl der Menschen vor Ort leidet

Wenn die von der Landesregierung sicherzustellende personelle Ausstattung der Klever Kreispolizeibehörde nicht angepackt werde, drohe „das Sicherheitsgefühl der Menschen vor Ort weiter zu leiden“, so Dr. Günther Bergmann (MdL-CDU). Er hat kurz vor Weihnachten die Landesregierung mit dem drohenden Szenario konfrontiert. Jetzt kam die Antwort von Innenminister Ralf Jäger (SPD).

Die Zahlen kommen auf den ersten Blick unauffällig daher. Deshalb hat die NRZ sie einem ehemaligen Polizeibeamten vorgelegt, der mit der Situation am Niederrhein gut vertraut ist. Er macht deutlich: Die Übersicht mit den Planstellen, die Jäger präsentiert, ist das eine, die Realität ist eine andere. Die Gesamtbehörde (mit den Aufgaben Kriminalität, Verkehr und Gefahrenabwehr) hatte vor 20 Jahren 420 Planstellen, 2015 waren es deutlich mehr: 462.

Bei diesen Zahlen und überhaupt in der aktuellen Diskussion rund um die Kölner Ereignisse vermisse er aber jeder Hinweis auf Elternteilzeit, Mutterschutz, Beurlaubungen für zehn Jahre oder Krankheitsfälle (z.B. Burn out), so der Insider. In Wahrheit liege ein „massiver Personalabbau“ vor. Die Personalstärke sei in den letzten 15 Jahren de facto um zehn Prozent zurück gegangen.

Es sei begrüßenswert, dass das Land die Ausbildungsplätze nunmehr auf 1900 deutlich aufgestockt habe, um einer extremen Überalterung entgegen zu wirken. 2015 seien alleine bei der Kreispolizeibehörde Kleve über 20 Beamte in Pension gegangen, aber nur fünf neue Kollegen gekommen. Für 2016 sehe es ähnlich aus.

„Die Altersstruktur ist dramatisch, hier muss was passieren“

Bei der Kripo Emmerich sind 2015 zwei Beamte verabschiedet worden, weitere Pensionierungen stünden an. Ob die Stellen zügig besetzt werden können, sei fraglich. Zwar stocke das Land das Personal an Brennpunkten wie Duisburg-Nord oder Köln auf, das gehe aber zu Lasten der Landkreise, lautet die Kritik, zumal junge Leute lieber in Städten wie Krefeld arbeiten wollten, wo sie bessere Aufstiegschancen hätten.

„Die Altersstruktur ist dramatisch, hier muss was passieren, sonst droht das Chaos “, warnt der Ex-Polizist: „Das wird eine ganz enge Kiste.“ Er weist auch auf zwei weitere Tatsachen hin. Die Arbeitsbelastung habe durch die Einführung der 41 Stunden-Woche (vorher 38,5) deutlich zugenommen. Ein Problem sei der Schichtdienst, den die Polizisten bis zum Ende leisten müssten: „Früher war mit 48 Jahren Schluss.“

Die Aufklärungsquoten sind im Kreis Kleve höher als im Landes- oder Bundesdurchschnitt. Dennoch hält der Ex-Polizist, mit dem die NRZ darüber sprach, Aufklärungsquoten bei Einbrüchen (Wohnungen, Pkw) von 15, 16 oder 18 % für „beschämend“, denn: „Das heißt doch: 8 von 10 Täter können sich sicher sein, dass sie nicht erwischt werden. Das ist nicht in Ordnung.“ Früher habe gerade Emmerich mit seiner besonderen Grenzlage supergute Aufklärungsquoten verzeichnet, bis die Erfolgszahlen, die auf das Konto von Zoll und Bundespolizei gingen, herausgerechnet worden seien.

Die Aufklärungsquote bei Körperverletzungen lag 2010 (aus dem Jahr stammen die aktuellsten Zahlen, die für 2015 will Jäger nachliefern) sogar bei 91,5 %. Inzwischen leben aber ca. 4000 Polen in Emmerich, so der Insider. Viele Männer würden in niederländischen Schlachthöfen körperlich schwer schuften und sich abends betrinken. Schlägereien und häusliche Gewalt nähmen zu: „Das gab’s vor fünf Jahren noch nicht.“