An Rhein und Ruhr. In NRW haben sich erste Cannabis Social Clubs gegründet. Nicht nur in Kleve, Essen und Düsseldorf können sich Vereine vor Anfragen kaum retten.
Schon vor der offiziellen Cannabis-Legalisierung in Deutschland haben sich erste Cannabis Social Clubs gegründet – und der Ansturm darauf ist enorm. Rund 50 solcher Vereine, die künftig Anbau und Verkauf regeln sollen, gibt es laut einer Schätzung des Dachverbandes deutscher Cannabis Social Clubs (CSCD) bereits in Nordrhein-Westfalen. „Um das gesamte Potenzial möglicher Konsumenten in NRW abzudecken, werden etwa 25.000 Clubs benötigt“, sagte der Vorsitzende des neuen Verbandes, Steffen Geyer, der NRZ.
Noch hielten die unsichere Rechtslage und die Angst vor einer Stigmatisierung potenzielle Gründerinnen und Gründer zurück, sobald per Gesetz durch die Bundesregierung Klarheit besteht, rechnet Geyer jedoch mit einem „explosionsartigen Wachstum“ der Vereinsgründungen. Bis zu 500 Mitglieder sollen die Clubs laut einem aktuellen Gesetzentwurf, der dieser Redaktion vorliegt, aufnehmen dürfen.
Legales Cannabis: Erste Clubs in NRW sprechen Aufnahmestopp aus
Die bereits gegründeten Cannabis Clubs melden einen enormen Andrang auf die verfügbaren Plätze. Sowohl auf dem Land als auch in den großen Städten in NRW gebe es eine hohe Nachfrage nach legalem Cannabis. Die Vereine berichten zum Teil von Hunderten Anfragen pro Tag, davon einige aus dem gesamten Bundesgebiet. Erste Clubs mussten bereits einen Aufnahmestopp aussprechen.
Auch das E-Mail-Postfach von Patrick van Heeck ist voll. Jeden Tag erreichen den Lehrer aus Kleve mehrere neue Anfragen von Menschen, die Mitglied in dem ersten Cannabisclub der Stadt am Niederrhein werden möchten. Bis zu 500 Mitglieder dürften die „Cannabis Social Clubs“, die laut dem Plan des Bundesgesundheitsministeriums nach der Legalisierung den Anbau und die Abgabe der Droge verwalten sollen, aufnehmen. Van Heeck und sein zwölfköpfiges Team haben sich selbst eine Obergrenze von 100 gesetzt – und ohne Werbung in Windeseile erreicht.
Andrang auf Cannabis Clubs in NRW – Verein aus Kleve: „Nachfrage ist enorm“
„Die Nachfrage ist enorm. Aber wir müssen genug produzieren können, um jedes Mitglied versorgen zu können“, erklärt der Vorsitzende. Er schätzt, dass allein in Kleve das Potenzial für bis zu 80 Vereine bestehen könnte – und das nicht nur, weil die Einwohnerinnen und Einwohner durch die Nähe zur niederländischen Grenze dem Konsum besonders offen gegenüberstünden.
Ob wirklich so viele Vereine entstehen, ist aufgrund der strikten Regelungen fraglich. Laut einem am Dienstag durchgesickerten Gesetzesentwurf müssen die Standorte für Anbau und Verkauf mindestens 250 Meter von Kinder- und Jugendeinrichtungen wie Schulen oder Spielplätzen entfernt liegen. Dazu müssen sie mit einbruchssicheren Fenstern und Türen sowie Zäunen vor dem Betreten Minderjähriger geschützt werden. Pro Verein wird zudem eine Person als Jugendschutzbeauftragte ernannt. „Kein Karnevalsverein hat so ein Jugendschutzkonzept“, sagt Patrick van Heeck, der sich in Gesprächen mit Landwirten über einen möglichen Anbau in einer Halle befindet. Bei einer Auslastung mit 500 Mitgliedern würden bis zu 1000 Quadratmeter Anbaufläche benötigt.
Cannabis Club in Essen: Anfragen aus ganz Deutschland für Mitgliedschaft
Als ihren Antrieb nennen die Gründer von Cannabis-Clubs übereinstimmend den Kampf gegen den Schwarzmarkt. Durch den Kontakt zu Dealern würden Konsumenten leicht an andere Drogen geraten, was Cannabis den Ruf als Einstiegsdroge verschafft habe. Kontrollierter Anbau im Verein soll das ändern.
Diesen Standpunkt vertritt auch Luca Kaidasch. Der Gründer des ersten Cannabis-Clubs in Essen, dem „Candyz Club“, berichtet von Anträgen aus dem gesamten Bundesgebiet, bei 250 Mitgliedern will er die Grenze ziehen. „Viele der Interessenten wollen ehrenamtlich helfen, beim Anbau oder bei der Elektro-Installation.“ Sobald es grünes Licht vom Bund gibt, sollen die Mitglieder den Pflanzen im Rüttenscheider Vereinsheim sogar per Livestream beim Wachsen zuschauen können.
Cannabis Clubs in NRW: Ärger um Konsumverbot in Vereinsgebäuden – Sorge um Führerschein
Bis es soweit ist, wird sich der Gesetzesentwurf noch einige Male ändern, befürchten die Cannabis Social Clubs in NRW. „Einige Punkte müssen noch dringend überarbeitet werden“, moniert Timon Panke, Vorsitzender des Vereins „Düsselhanf“ aus der Landeshauptstadt. Ihn stört allen voran das Konsumverbot in Vereinsgebäuden. „Durch das Verbot werden Konsumenten in private Räumlichkeiten gedrängt, was für den Jugendschutz nicht förderlich ist.“
Ebenso sorgt sich Panke um die Folgen von Cannabis-Konsum auf den Führerschein. Das Bundesgesundheitsministerium hatte mit seinem Eckpunktepapier für die Cannabis-Legalisierung im April bekanntgegeben, dass der THC-Grenzwert für den Straßenverkehr überprüft werden soll. Aktuell ist der „Lappen“ schon bei geringen Werten im Blut weg.
Experte aus Mülheim warnt: „Cannabis-Konsum kann hochgefährlich sein“
Auch in Düsseldorf können die strikten Rahmenbedingungen den Andrang auf legales Cannabis nicht dämmen. „Wir werden von Anfragen überrannt“, sagt Timon Panke. In den ersten 24 Stunden seien bereits mehr als 100 Bewerbungen eingegangen, gut zwei Monate später ist die Obergrenze von 500 längst überschritten. „Die Anfragen kommen aus allen möglichen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Unter den Interessenten sind Studenten, Anwälte, Rentner – und sogar ein Polizist.“
Mit Blick auf die enorme Nachfrage sind sich die Betreiber einig: In der Region würden noch deutlich mehr Cannabis Social Clubs benötigt, um dem Schwarzmarkt ein Ende zu setzen. Ob das gelingen wird, sehen Experten kritisch. Armin Koeppe, Vorsitzender der Ginko Stiftung für Prävention aus Mülheim an der Ruhr, warnt etwa, dass ein höherer THC-Gehalt den Schwarzmarkt weiter attraktiv machen könne. „Der Konsum bleibt ein bestehendes Risiko. Gerade für junge Menschen, deren Gehirn noch nicht vollständig ausgeprägt ist, kann Cannabis hochgefährlich sein.“ Er fordert klarere Regelungen für Suchtprävention und Jugendschutz als in den bisherigen Entwürfen der Regierung.
Legales Cannabis in NRW: Preis pro Gramm zwischen 6 und 12 Euro
Laut einem aktuellen Gesetzesentwurf darf ein Verein pro Monat bis zu 50 Gramm Cannabis an seine Mitglieder zum Eigenkonsum verkaufen. Die höchste Abgabemenge pro Tag beträgt 25 Gramm. Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren sollen im Monat höchstens 30 Gramm Cannabis mit einem geringeren THC-Gehalt erwerben können.
Per Gesetz soll geregelt werden, dass die Droge nur kostendeckend verkauft werden darf. Die Vereine aus NRW rechnen mit einem Preis zwischen 6 und 12 Euro pro Gramm Cannabis. Zusätzlich erheben die Clubs einen monatlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von etwa 10 Euro. Für Sozialschwache, Studierende, Senioren und Menschen mit Behinderung soll es Ermäßigungen geben. Die Legalisierung der Abgabe von Cannabis ist bei Drogenexperten und bei der Polizei nicht unumstritten.