An Rhein und Ruhr. In den Niederlanden sind hunderte Möwen an Vogelgrippe gestorben. Infektionen auch in NRW. Nachbarland testet unterdessen erste Tier-Impfstoffe.

Auf einem Pier im niederländischen Kraggenburg liegen dutzende weiße Möwen-Kadaver mit teils noch ausgestreckten Flügeln, darunter schwappt grau-blaues Wasser. Das triste Bild illustriert einen Bericht des öffentlich-rechtlichen Rundfunk NOS aus dem Nachbarland: Hunderte tote Möwen sind demnach in den vergangenen Tagen in der Region Flevoland am Ijsselmeer gefunden worden, alle an Vogelgrippe verendet.

Seit 2021 rafft die Geflügelpest (ein schwerer Verlauf der Vogelgrippe mit vielen Todesfällen) ganze Populationen in vielen europäischen Ländern dahin. Wegen hoher Ansteckungsgefahr müssen die toten Vögel schnellstmöglich vernichtet werden. Auch den Anwohnerinnen und Anwohnern im niederländischen Kraggenburg wurde geraten, sich den Tieren nicht zu nähern.

Das Nachbarland von NRW ist laut Daten des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit eines der stärker betroffenen Länder. Ausbrüche gab es in den vergangenen Jahren auf Hühnerfarmen oder bei Schwänen. Auch in NRW sind Hunderttausende Vögel seit dem ersten neuen Ausbruch im Oktober 2022 in Bottrop bereits verendet oder mussten getötet werden.

Vogelgrippe: Möwen in Niederlanden und NRW betroffen

Zwar gibt es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums aktuell nirgendwo in Nordrhein-Westfalen eine Aufstallungspflicht oder gar eine Sperrzone, aber die Nachrichten aus dem Nachbarland lassen aufhorchen. Auch in Deutschland sind Möwen infiziert, wie das Loeffler-Institut bestätigt. Darunter Silbermöwen, Herings- und Mantelmöwen.

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Das Geschehen fokussiere sich derzeit allerdings auf Lachmöwen, wie Institutssprecherin Elke Reinking auf Anfrage der Redaktion mitteilt. In den Niederlanden sind Medienberichten zufolge ebenfalls unterschiedliche Möwenarten betroffen, vor allem aber die Schwarzkopfmöwe an der Nordseeküste.

In Deutschland scheinen laut Reinking eher Kolonien im Binnenland betroffen zu sein, vor allem in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. „Von den Küsten sind uns nur vereinzelte Totfunde bekannt“, erklärt sie weiter. Auch in NRW seien nach Angaben der Institutssprecherin Möwen infiziert gewesen, zuletzt im Münsterland. Im April und Mai seien in NRW eher andere Wildvögel wie Gänse, Schwäne und Greifvögel betroffen.

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Das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium bestätigt, dass auch infizierte Möwen entdeckt worden sind. Seit Jahresbeginn wurde die Geflügelpest nach Informationen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) bei 25 Möwen festgestellt. Bei Tauben hingegen wurde das Virus in NRW in diesem Jahr nicht nachgewiesen, schildert eine Ministeriumssprecherin.

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Das Loeffler-Institut spricht bei dem Geflügelpestvirus H5N1 weiterhin von einer Panzootie, also einer Pandemie bei Tieren. „Dieses derzeit dominierende Virus ist besonders gut an Wildvögel angepasst, noch nie waren so viele Wildvogelarten betroffen. Das Virus scheint seit einigen Monaten, zumindest in Europa, auch eine besondere Anpassung an Möwen zu haben, die zur geografischen Ausbreitung des Virus beigetragen haben“, schildert Elke Reinking. „Kein Geflügelpesterreger konnte sich bislang derart auszubreiten – bis auf Ozeanien und die Antarktis sind alle Kontinente betroffen.

In Südamerika hat es solch ein Geflügelpestgeschehen noch gar nicht gegeben, dort müssen auch die Behörden, Ornithologen und Farmer zunächst Erfahrungen mit der Bekämpfung des Erregers sammeln.“ Der Naturschutzbund Nabu berichtet in seiner aktuellen Vogelgrippe-Bilanz davon, dass inzwischen allein in Europa über 70 Vogelarten von der Geflügelpest betroffen sind. „H5N1 könnte damit auch zu einer Gefahr für die Artenvielfalt werden“, lautet die Befürchtung in der Bilanz.

Niederlande testen Tier-Impfungen gegen Vogelgrippe

Auch das Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Geflügelpest weiterhin grassieren wird. Durch die große Verbreitung der Viren in der Wildvogelpopulation sei anzunehmen, „dass Nordrhein-Westfalen – wie in den vergangenen beiden Jahren auch – von Ausbrüchen sowohl in kommerziellen, als auch in Hobbyhaltungen weiterhin betroffen sein wird“, so die Ministeriumssprecherin. „Wie in den Jahren zuvor, sind die zuständigen Stellen auf kommunaler und Landesebene für diesen Fall vorbereitet.“

Seit den Wintermonaten 2022/23 wurde das Virus nach Ministeriumsangaben bislang in mehr als 20 Geflügelhaltungen in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen; seit Oktober seien etwa 240.000 Tiere wegen der Geflügelpest notgetötet worden.

Zwar sei die Situation bei den Geflügelbauern in NRW nach den Ausbrüchen im vergangenen Herbst und Winter aktuell wieder etwas entspannter, doch durch die Infektion bei Wildvögeln stelle die Viruslast das ganze Jahr über eine Gefahr dar, erklärt auch Heinrich Bußmann, Geschäftsführer des Geflügelwirtschaftsverbandes NRW, im Gespräch mit der NRZ.

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Die Landwirtschaftsbetriebe hätten hohe Bio-Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Dazu gehört das Umkleiden vor dem Gang in den Stall oder das Aufstellverbot von Tränken oder Futterstellen in einem Außenbereich, zu dem Wildvögel Zugang haben können.

Zwar gebe es derzeit Versuche, einen Impfstoff zu entwickeln, doch bis der flächendeckend eingeführt werden kann, könnten noch zwei bis fünf Jahre vergehen, meint Bußmann. In den Niederlanden haben Mitte März bereits zwei Impfstoffe für Geflügelarten eine erste Testphase bestanden, wie das zuständige Ministerium mitteilt. Die Stoffe würden nicht nur gegen Krankheitssymptome, sondern auch gegen die Verbreitung der Vogelgrippe helfen. Nun müssen weitere Schritte zur Zulassung geprüft werden, unter anderem ein möglicher Einsatz in Geflügelbetrieben.