Duisburg. Am Karfreitag wird’s still: Im Kolumbarium in Duisburg können Interessierte in besonderer Atmosphäre beten, meditieren oder zur Ruhe kommen.
Die schwarze Metallklinge herunterdrücken, die schwere Holztür aufschieben… und dann kommt das Staunen, mitten in der Rheinkirche, die eigentlich gar keine Kirche mehr ist. Sechs Jahre stand das Gebäude in Homberg leer, zweieinhalb Jahre dauerte der Umbau, seit einem Jahr ist es nun ein Kolumbarium. Aber was für eines! „Das gibt’s nur ein Mal in Deutschland“, betont Geschäftsführer Stefan Schuster. Tatsächlich, die Architektur überrascht, fasziniert und, ja, auch das passiert immer wieder, sie irritiert. Deshalb heißt es gerade beim ersten Besuch: Erstmal ankommen und umschauen. Ganz in Ruhe.
So wandert der Blick langsam die meterhohen Holzregale hoch, findet fast kein Ende, bis schließlich doch leuchtende Kästen den Abschluss bilden. Grün, Lila, Blau, Weiß. „So wie die Farben der Fenster“, erklärt Stefan Schuster und deutet auf die bunten Quadrate, durch die das Sonnenlicht fällt. „Die Betonung der Vertikalen ist für viele ungewohnt“, weiß er. Aber das Symbiotische überzeugt, weil sich das Neue harmonisch mit dem Alten verbindet. Das muss es auch, immerhin steht das 120 Jahre alte Gebäude unter Denkmalschutz, nur unter bestimmten Bedingungen durfte hier ein Kolumbarium entstehen.
135 Urnen im Kolumbarium
Eine Vorgabe dürfte all jene besänftigen, die mit einer gewissen Skepsis an den noch ziemlich leeren Fächer entlanggehen. 135 Kammern sind aktuell mit Urnen befüllt, „ganz normal, wenn man mit nix anfängt“, erklärt Stefan Schuster. Aber wie wirkt das denn, wenn alles mal voll ist? Ja, die Sorge kennt er. „Das dürfte mindestens 15 Jahre dauern“, antwortet er, „und selbst dann bleiben 30 Prozent frei.“ Wie „Schuhregale“ werden die Holzkonstruktionen also nie aussehen, denn, das ist ihm wichtig zu betonen: „Man soll immer die Kirche und auch die Leute sehen können.“
Ein bisschen wie ein Labyrinth, in dem sich zwar niemand verläuft, das aber zum Umherwandern – und zum Nachdenken anregt. Graue und schwarze Kästen wechseln sich in lockerer Reihenfolge ab, darauf zu lesen sind die Namen, Geburts- und Todesdaten der Verstorbenen. „Man kann sich alles individuell aussuchen“, erklärt Stefan Schuster. Übrigens auch, wo die Urne stehen soll. „Man kann mit einem Finger auf den Platz zeigen und sich den dann reservieren lassen.“ Das machen mehr und mehr Leute, die das freie Kolumbarium besuchen. Denn es ist zwar ein Ort des Trauerns, aber auch der Begegnung.
Tabuthema Tod
Sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, ist für viele noch immer ein echtes Tabuthema, weiß Stefan Schuster nur allzu gut. „Aber wenn man sich darüber klar wird, das niemandem der Tod erspart bleibt, kann man das Leben mit mehr Sinn füllen.“ Deshalb finden hier, zwischen den Urnen, immer wieder Führungen und Konzerte statt. Die Orgel beispielsweise, „die hat noch richtig Wumms“, sagt er. Aber auch Klassik, Folk oder Pop erklingen regelmäßig. Thomas Huy organisiert, gemeinsam mit seinem Kollegen Stephan Lux und dem Geschäftsführer Stefan Schuster, die Veranstaltungen.
Wichtig ist ihm dabei vor allem eines, wie er sagt: „Die Leute sollen den Raum durch die Musik neu entdecken.“ Da kann der Sänger auch schon mal auf der Empore oder die Musikerin mitten im Labyrinth stehen. „Sie sind dann zwar nicht zu sehen, aber immer zu hören.“ Einige Konzerte haben sie für die kommenden Monate geplant, dazu kommen sechs Sommersonntage ab Ende Juni, an denen nach einer Führung durchs Kolumbarium jeweils ein Konzert im Garten stattfinden soll. Vorher aber steht noch eine andere, ganz besondere Veranstaltung an…
Übung der Stille am Karfreitag
Karfreitag ist einer der höchsten Feiertage im Christentum, weil an diesem Tag Jesus am Kreuz gestorben ist. Gläubige finden sich zusammen, um gemeinsam in Stille zu beten. Das war auch die Grundidee der evangelischen Gemeinden, denen die Rheinkirche einst gehörte. „Aber weil wir überkonfessionell sind, können auch Leute kommen, die eher von einer halben Stunde des Schweigens oder der Meditation sprechen“, betont Stefan Schuster. Ab 14.30 Uhr geht’s los, dann allerdings erst einmal mit Gemurmel, Husten, Vogelgezwitscher… und ist das nicht das Brummen eines Flugzeugs?
Thomas Huy und Stephan Lux haben die Geräusche bei Konzerten, in der Natur, auf dem Waldfriedhof aufgenommen und zu einer neuen Klangkomposition zusammengestellt. „Durch die verschiedenen Geräusche kann einem fast die Idee von Musik kommen“, erklärt Thomas Huy. Eine halbe Stunde dauert die akustische Performance, bis um Punkt 15 Uhr „die Übung der Stille“ beginnt. Kein Lärm, nur Ruhe. Um durchs Kolumbarium zu laufen oder sich einen Platz zu suchen. Um zu beten, zu meditieren oder den eigenen Gedanken nachzuhängen. In Stille.
>>> Karfreitag im Kolumbarium
Die „Übung der Stille“ beginnt am Karfreitag, 7. April, um 14.30 Uhr im Freien Kolumbarium Rheinkirche, Rheinstraße 16 in Duisburg-Homberg. Die Veranstalter bitten um Anmeldung: 02066/4690179 oder per E-Mail an info@kolumbarium-rheinkirche.de
Interessierte können das Kolumbarium und den Garten dienstags bis sonntags von 11 bis 16 Uhr besuchen. Weitere Veranstaltungen und Informationen zu den Bestattungen sind auf der Homepage zu finden: www.kolumbarium-rheinkirche.de