An Rhein und Ruhr. Oft landen Lebensmittel bei Supermärkten in der Tonne. So gehen Händler in NRW gegen die Verschwendung vor und das sagen sie zum Containern
„Solange Menschen auf der Welt hungern, ist es ein schlechtes Zeichen, wenn wir Lebensmittel wegschmeißen“, sagt Manfred Burkowski, als er über die Lebensmittelabfälle im Einzelhandel spricht. Er ist Geschäftsführer von fünf Edeka-Märkten in Essen und Bochum und Vorsitzender des Essener Handelsverbands NRW Ruhr. Bereits in den letzten Jahren hätten er und seine Mitarbeitenden neue Konzepte überlegt, um am Ende des Tages weniger Produkte entsorgen zu müssen. „Wir haben Bestellsysteme verändert und optimiert.“
Auch interessant
Das hat sich scheinbar gelohnt: Insgesamt 80 Prozent der Lebensmittelabfälle konnten laut dem Essener reduziert werden. Vor vier Jahren begannen die Märkte, mit den Tafeln in der Umgebung zusammenzuarbeiten. „Da ist die Ware gut aufgehoben, da bekommen es die Menschen, die darauf angewiesen sind“, erklärt der Geschäftsführer. Auch zum Heizen trägt der Lebensmittelabfall aus seinen Supermärkten bei: Ein weiterer Teil der Produkte gehe an eine Biokompostanlage in Essen-Kettwig.
Mehr Abfälle in Biomärkten wegen fehlender Konservierungsstoffe
Mit dem Anliegen, Lebensmittelabfälle einzusparen, steht Manfred Burkowski nicht alleine da. Auch andere Händler in der Region versuchen, auf die erhöhte Verschwendung zu reagieren. „Wir sehen, dass da einiges passiert ist und wir einen Fortschritt in den letzten Jahren erreichen konnten“, erklärt Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Handelsverbands NRW Niederrhein. Und trotzdem: „Jedes entsorgte Lebensmittel ist eins zu viel“, stellt Manfred Burkowski klar. Ähnlich sieht das auch Michael Radau. Er ist Vorstand der „SuperBioMarkt AG“ mit Sitz in Münster.
Gerade aufgrund der fehlenden Konservierungsstoffe des weniger behandelten Obst und Gemüses läge der Anteil der unverkäuflichen Lebensmittel im Biosektor um 0,5 Prozent höher als im klassischen Lebensmittelhandel, schätzt Radau. Um eben genau diese unverkäuflichen Lebensmittel nicht wegschmeißen zu müssen, hat sich die SuperBioMarkt AG mehrere Möglichkeiten überlegt: Einerseits würden Produkte, die kurz vor dem Ablaufdatum stünden oder nicht mehr verkäuflich aussähen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgegeben.
Biomärkte arbeiten mit Too Good To Go und Foodsharing
Auch eine enge Zusammenarbeit mit der Initiative Foodsharing bestehe. „So gut wie jeden Tag kommen Lebensmittelretterinnen- und Retter vorbei, schauen sich die übrig gebliebenen Produkte, die noch gut sind, an und nehmen sie dann mit, um sie weiter zu verteilen, oder zu verwerten“, so Radau. Andererseits arbeitet die SuperBioMarkt AG mit der App „Too Good To Go“ zusammen. „Wir waren damals einer der ersten Händler in Deutschland, die das für sich entdeckt haben“, sagt Michael Radau.
Die App ermöglicht den Verkauf überschüssiger Ware, die sonst im Müll landen würde. Menschen in der Umgebung können für kleines Geld eine Überraschungstüte ergattern und diese dann im Geschäft nach Ladenschluss abholen. Doch das setze laut Radau auch eine gute Mitarbeiterschulung voraus. Ohnehin sei die Rettung von Lebensmitteln vor der Tonne mit einem Mehraufwand verbunden – personell und wirtschaftlich, wie Radau erklärt. Und trotzdem bleibt er optimistisch und klar in seiner Meinung: „Für den Händler ist das im ersten Blick vielleicht ein Verlust, aber das Lebensmittel wird dadurch nicht verschwendet. Deswegen ist das eine wichtige Angelegenheit.“
Containern nicht gerne gesehen, oder doch?
Und das Containern, also das Retten weggeschmissener Lebensmittel aus den Supermarkttonnen? „Das wird hier nicht gerne gesehen“, sagt zum Beispiel Manfred Burkowski. Vor ein paar Jahren hätten Aktivisten die Schlösser bei einem seiner Märkte aufgebrochen. „Das ist dann Sachbeschädigung“, stellt er klar. Außerdem seien die Artikel im Müll teils gesundheitsgefährdend, die Höfe der Märkte würden oft in schlechtem Zustand zurückgelassen und dies würde schlussendlich Ungeziefer anziehen, begründet Burkowski seinen Standpunkt.
Anders sieht das Michael Radau: „Es ist eine gute und wichtige Sache, dass Containern nicht mehr strafbar sein soll und das aus der Kriminalitätsebene gehoben wird.“ Trotzdem gibt er zu bedenken: „Es ist ja für niemanden schön, wenn Menschen in vermeintlichem Abfall wühlen müssen, um an Nahrungsmittel zu kommen. Deswegen ist die Kooperation mit Foodsharing von allen Varianten sowieso die viel viel bessere.“
Der Discounter Aldi Nord wiederum zeigt sich in einer Mitteilung wenig kooperativ: „Wir können aber nicht zuletzt auch aus haftrechtlichen Gründen das so genannte ‘Containern’ nicht tolerieren.“ Aus dem Grund seien ihre Abfallbehälter in der Regel nicht zugänglich. Stattdessen versucht der Discounter mit Aktionen wie „Brot vom Vortag“, bei der Kundinnen und Kunden Brot zum pauschalen Verkaufspreis von 50 Cent bekommen, die Entstehung der Lebensmittelabfälle einzudämmen.
>>> 16 Unternehmen unterzeichneten Erklärung zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen
Was früher schnell in den Tonnen vieler Supermärkte landete, soll heute nicht mehr weggeschmissen werden. So der Wunsch, der mit einer Beteiligungserklärung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Jahr 2020 verfolgt werden sollte. 16 Unternehmen des Lebensmittelgroß- und Einzelhandels unterzeichneten die Erklärung und verpflichteten sich somit zu weiteren Maßnahmen im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung – unter anderem sind große Lebensmittelhändler wie Lidl, Penny, Edeka, Netto sowie Aldi Süd und Aldi Nord Teil dieser Erklärung. Aber auch Alnatura, Metro und Kaufland haben unterzeichnet.