Kamp-Lintfort-Hoerstgen. Sylvia und Armin Joos haben auf 17.000 Quadratmetern einen Klimagarten angelegt, ein Refugium für die Insektenwelt.
Einer, zwei, drei, nein sogar vier sind es – Maulwurfshügel sind im Garten der Eheleute Joos im beschaulichen Ortsteil Hoerstgen in Kamp-Lintfort kein seltener Anblick. Während anderenorts Hobbygärtnerinnen und -gärtner mit allerlei (legalen) Hausmittelchen versuchen, die in Deutschland per Gesetz geschützten Tiere zu vertreiben, ist ihre Anwesenheit hier eher als eine Art Auszeichnung zu verstehen. „Das bedeutet schließlich, dass sie hier genug Nahrung, also Insekten finden“, erklärt Armin Joos, der wie seine Ehefrau Sylvia im Berufsleben Biologie unterrichtete und nun die Pension genießt.
Mit ihrem selbst ernannten „Klimagarten“, einem 17.000 Quadratmeter großem Refugium für die hiesige Insekten- und Tierwelt, den sie auch regelmäßig für die Öffentlichkeit öffnen und Vorbild sein wollen, sind die beiden nominiert für den diesjährigen Solidaritätspreis von Freddy Fischer Stiftung und NRZ.
Ende der 1970er-Jahre zog es die Eheleute, die aus dem Saarland stammen und dort schon zusammen auf Lehramt studiert haben, an den Niederrhein. Sie erhielten Stellen an Schulen in Moers, fanden ein Zuhause in Hoerstgen. 2005, als für beide langsam die Pensionierung anstand, ergab sich die Gelegenheit, nur wenige Meter von ihrem Wohnhaus entfernt, ein nicht mehr benötigtes Gelände einer Gärtnerei zu übernehmen. „Andere fahren im Ruhestand viel in den Urlaub, wir kümmern uns um unseren Garten“, fasst Sylvia Joos ihre Leidenschaft und die ihres Mannes kurz zusammen.
Schädlinge sind ein Fall für Vögel
Von Grund auf wurde das riesige Grundstück, auf dem zuvor Rosenbeete angelegt waren, umgewandelt, die Strom und Wasserleitungen haben die beiden selbst verlegt. Die Bewahrung der Artenvielfalt der hiesigen Insektenwelt ist eine der Antriebsfedern. „Wir kommen ohne Spritzmittel aus, nutzen keinen Kunstdünger“, stellt Sylvia Joos mit einem gewissen Stolz in der Stimme klar. „Die Vögel kümmern sich um vermeintliche Schädlinge, fressen Läuse. Wir arbeiten in unserem Garten mit der Natur und nicht gegen sie.“
Brennnesseln haben im Garten ebenso ihren Platz wie der Löwenzahn oder die Gänseblümchen, auf den großen Wiesen hat sich Klee breitgemacht. „Das vermeintliche Unkraut darf sich gerne ausbreiten“, sagt Armin Joos. Eine Streuobstwiese nimmt ungefähr 5000 Quadratmeter ein, in einem anderen Teil des Garten ist Platz für diverse Gemüsesorten. „Tomaten, Kürbisse, Salat, Mangold, all das nutzen wir dann in der eigenen Küche“, so Sylvia Joos.
Vier bis sechs Stunden Gartenarbeit jeden Tag
Ein typischer Tag zieht die pensionierten Lehrer nach dem Frühstück in ihren Garten. „Wenn die Kirchenglocke um 12 Uhr ertönt, geht es zum Mittagessen ins Haus“, erklärt die 73-Jährige. Im Anschluss führt der Weg die gebürtigen Saarländer zurück in ihr kleines Paradies. „Am Abend sitzen wir dann noch oft auf der Terrasse unseres Gartenhäuschens.“ Mit vier bis sechs Stunden am Tag schlage die Gartenarbeit an einem normalen Tag zu Buche.
Das Dach ihres Wohnhauses haben die Eheleute erst im vergangenen Jahr neu dämmen lassen. Für 2023 steht nun die Installation einer Photovoltaik-Anlage auf dem Plan. „Wir versuchen möglichst nachhaltig zu leben.“ Das eigene Auto wird nur für die Erledigungen und Besorgungen genommen, die anderweitig auf dem Dorf nicht angegangen werden können.
Das Paar öffnet ihre Pforten für besondere Anlässe, etwa Nachbarschaftsfeste oder die Aktion „Kamp-Lintforter Gärten“. Mit dem Erlös aus dem Kuchenverkauf einer Feierlichkeit im vergangen Jahr soll eine Steele im Ort errichtet werden, die an die Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnern soll, „vor allem die jüdischen“, wie Sylvia Joos betont.
Ein Wunsch der Eheleute ist, dass der Garten auch nach ihrem Tode weiterbestehen kann. „Wir möchten etwas hinterlassen, unseren Beitrag leisten.“ Wie, das ist noch offen.
Der 7. Solidaritätspreis von Freddy Fischer Stiftung und NRZ trägt das Motto: „Wir für das Klima – Solidarität mit dem Planeten“. Im Fokus stehen Personen, Initiativen und junge Unternehmen, die sich mit guten Ideen, auch mit guten Geschäftsideen, mit großem Einsatz und als gute Vorbilder für das Abbremsen der Klimaerwärmung, für Umweltschutz und auch für eine notwendige Anpassung an unvermeidliche Veränderungen einsetzen. Der Preis ist insgesamt dotiert mit 10.000 Euro, 5000 Euro gibt es für den 1. Preis, 500 Euro für Platz 5. Reinhard Wiesemann, Jury-Mitglied und Sozialunternehmer, stiftet einen Sonderpreis in Höhe von 2500 Euro. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge. Schreiben Sie bitte bis Mitte Februar an: NRZ, Seite Drei, Stichwort: Solidaritätspreis, Jakob-Funke-Platz 1, 45127 Essen. Oder schicken Sie eine Mail an seitedrei@nrz.de, Betreff: Solidaritätspreis. Reichen Sie bitte auch – wenn vorhanden – Berichte, Videos oder weitere Informationen zu dem von Ihnen gemachten Vorschlag ein.