Kreis Kleve/Kreis Wesel. Kommunen dürfen erst ab einer bestimmten Mindestgröße eigene Radarfallen betreiben. Warum Städte am Niederrhein auf eine Gesetzesänderung hoffen

50 Euro für elf Stundenkilometer in der 30er-Zone zu viel, 100 Euro für Tempo 71 statt 50: Wer gegen Verkehrsregeln verstößt, muss seit dem vergangenen Jahr tiefer in die Tasche greifen. Der neue Bußgeldkatalog ahndet Verstöße deutlich höher. Doch dafür müssen die Verkehrsteilnehmer erst einmal erwischt werden.

Die nötige Radarkontrolle würden einige Städte gern selbst in die Hand nehmen. Doch bislang dürfen es kreisangehörige Kommunen mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.000 und 60.000 nicht – im Gegensatz zu größeren Städten. Der Städte- und Gemeindebund fordert die Landesregierung auf, das zu ändern.

„Das Land sollte seine bisherige Zurückhaltung bei dem Thema aufgeben und den Kommunen freistellen, ob sie tätig werden wollen“, sagte Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes (StGB) kürzlich laut Mitteilung. „Es geht schlicht und einfach um mehr Verkehrssicherheit, also weniger Verletzte oder gar Tote.“

Neuer Blitzer in Kevelaer

Betroffene Städte am Niederrhein unterstützen diesen Vorstoß, ergab eine NRZ-Stichprobe. „Wir würden es sehr, sehr, sehr begrüßen“, betont der Sprecher der Stadt Goch im Kreis Kleve, Torsten Matenaers. In Goch ist – neben der Polizei – der Kreis Kleve für die Geschwindigkeitskontrollen zuständig. Der Kreis betreibt 29 stationäre Blitzer, ein 30. soll voraussichtlich in diesem Frühjahr in Kevelaer installiert werden.

Mehr stationäre Radarfallen - das wünschen sich viele mittelgroße Kommunen. Bisher dürfen sie nicht blitzen.
Mehr stationäre Radarfallen - das wünschen sich viele mittelgroße Kommunen. Bisher dürfen sie nicht blitzen. © Regios24 / FUNKE Foto Services | Anja Weber

Zusätzlich setzt der Kreis Kleve in seinen angehörigen Kommunen bis zu drei mobile Radarwagen an Gefahrenstellen ein. Das seien Orte, an denen es zu Unfallhäufungen kommt oder wo eine „erhöhte Unfallgefahr angenommen werden muss“, erläutert eine Sprecherin; also an Schulen, Kindertages- und Senioreneinrichtungen oder auf von Radfahrern und Fußgängern stark frequentierten Straßenabschnitten.

Diese Liste sei nicht starr, erklärt eine Kreissprecherin. Regelmäßig würden weitere Standorte von der Unfallkommission, Polizei, Städten und Gemeinden und Einwohnern vorgeschlagen. Diese würden „geprüft und gegebenenfalls in das Verzeichnis aufgenommen“.

Die Stadt Goch bekomme immer wieder Beschwerden von Bürgerinnen und Bürger, die über Raser in Wohngebieten oder verkehrsberuhigten Zonen klagen.

Messanlagen mit Smiley als Ersatz

Bislang kann sie die Beschwerden zur Kenntnis nehmen, die Polizei informieren oder Messstationen einrichten, die die Einhaltung der Geschwindigkeit mit einem digitalen lächelnden Gesicht belohnen. Doch Verstöße ahnden kann die Stadt nicht, blitzen aber auch nicht. Hätte die Stadt selbst die Chance, einen Radarwagen einzusetzen, könnte er auch in solchen Wohngebieten zum Einsatz kommen. Zudem, so Matenaers, gebe es immer wieder Hinweise auf Autoposer am Wochenende oder in der Nacht.

Wer mit erhöhter Geschwindigkeit erwischt wird, zahlt sein Bußgeld in den genannten Städten an den Kreis, nicht an die Kommune. Im vergangenen Jahr wurden beim Kreis Kleve 93.007 verwertbare Geschwindigkeitsüberschreitungen erfasst. Die Einnahmen beliefen sich auf 4.730.692,45 Euro.

Beim Kreis Wesel kommen jährlich rund vier bis fünf Millionen Euro zusammen. Neben dem Kreis Wesel führen auch die Polizei und die drei großen kreisangehörigen Städte Dinslaken, Moers und Wesel eigene Geschwindigkeitsmessungen durch. Der Kreis Wesel verfügt über 15 Starenkästen und vier semistationäre Messanlagen. Einer der „Blitzeranhänger“ hatte es wegen eines Kennzeichens ohne gültigen TÜV zu bundesweiter Aufmerksamkeit gebracht. Dennoch, zum Vergleich: In Oberhausen waren es rund sieben Millionen, die durch Radarfallen kassiert wurde.

Auch die Stadt Kleve würde das Heft des Handelns gern selbst in die Hand nehmen. „Da die Verkehrssicherheit an Gefahrenstellen durch blitzen verbessert werden könnte, ist der Vorstoß des StGB zu begrüßen“, so ein Stadtsprecher.

Martin Notthoff, Kämmerer der Stadt Kamp-Lintfort und zuständig für Ordnungsangelegenheiten, würde sich ebenso eine eigene Kontrollmöglichkeit wünschen. Ideal, so Notthoff gegenüber der NRZ, wäre ein Blitzeranhänger, der auch ohne Personal auskommt und an verschiedenen Einsatzorten abgestellt werden kann. „Eine Verhaltensänderung kann ich nur dann erreichen, wenn die Kontrolldichte höher ist“, begründet er. Der Kreis Wesel und die Polizei, die andere prioritäre Aufgaben habe, könnten diese Kontrolldichte nicht leisten, meint Notthoff.

Mehr Geld für klamme Kommunen? Iwo!

Wie in Goch gebe es in Kamp-Lintfort viele Beschwerden über zu schnelles Fahren in Wohngebieten. „Wenn wir nicht reagieren können, ist das eine leidige Angelegenheit“, sagt Notthoff. Dass finanzschwache Städte öfter den Blitzer einsetzen würden als andere, um die Stadtkasse aufzubessern, hält der Kämmerer „für eine lustige These“. „Wenn sich alle an die Regeln halten, braucht nicht geblitzt zu werden“. Es gehe, so Notthoff, um die Verkehrssicherheit.

In Kamp-Lintforts Nachbarstadt Rheinberg unterstützt die Verwaltung ebenfalls den Vorschlag, weil die Kommune so in der Lage wäre, „verstärkt das Sicherheitsbedürfnis der Bürger umzusetzen“, heißt es aus der dortigen Pressestelle. Aber: Ob für Rheinberg Kontrollen wirtschaftlich sein können, könne die Stadt nicht beurteilen. „Eine kommunale Zusammenarbeit mit anderen Kommunen könnte daher sinnvoll sein“, so die Stadtsprecherin.

In Hamminkeln sei vor Jahren eine Zusammenarbeit mit der Stadt Voerde geplant gewesen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen seien damals aber nicht geschaffen worden. „Aus unserer Sicht wird der Vorstoß positiv bewertet, da wir die kritischen lokalen Punkte lieber selber überprüfen würden“, heißt es aus dem Büro des Bürgermeisters.