Bedburg-Hau. Das Museum Schloss Moyland zeigt in der Ausstellung „Female View“ die Arbeiten von Modefotografinnen – und spielt mit einer kleinen Provokation.
Es ist eine Premiere und – ja, das darf ruhig so gesagt werden – eine Provokation. Die neue Künstlerische Direktorin Dr. Antje-Britt Mählmann präsentiert mit „Female View. Modefotografinnen von der Moderne bis zum Digitalen Zeitalter“ ihre erste Ausstellung im Museum Schloss Moyland und das ausgerechnet auf der Etage, die sonst ausschließlich Joseph Beuys vorbehalten war. Genau, ebenjenem Künstler, der weder für sein Modebewusstsein (wobei Hut und Anglerweste natürlich auch ihren ganz eigenen Charme haben) noch für seine Feminismusthemen bekannt war.
Frau Mählmann, der Ausstellungsort für „Female View“ scheint tatsächlich etwas ungewöhnlich…
Ein bisschen provokativ soll er schon sein. Aber wenn etwas so fest ist, also dass auf einer Etage immer nur ein einziger Künstler gezeigt wird, ist das auch nicht im Sinne von Joseph Beuys. Bei ihm im Werk geht es doch um die Bewegung, den Dialog und die Aktion. Deshalb brechen wir das bisherige Ausstellungsprinzip auf und setzen ihn in einen ganz neuen Kontext. So wie hier wurde er sicher noch nie gezeigt.
Das heißt, ganz ohne Joseph Beuys geht’s dann doch nicht?
Er passte für diesen Ausstellungskontext ganz gut. In einem Raum liegt die erste deutsche Ausgabe der Vogue L’Uomo von 1981, auf der Joseph Beuys auf dem Cover abgebildet ist. Darauf hängt er gar nicht elegant unten am Bildrand und sieht richtig Antifashion aus. Aber er war damals mit seinem Hut und seiner Anglerweste zugleich eine echte Marke. Übrigens, in der Zeitschrift selbst gibt’s über ihn nur einen kurzen Artikel, der ganz am Ende steht. (lacht) Außerdem sind in der Ausstellung frühe Textilmuster von ihm zu sehen, die er für eine Krefelder Seidenfabrik angefertigt hat. Ich fand es total interessant, diese feinen, femininen Zeichnungen und damit eine ganz andere Facette von ihm zu zeigen, die weniger aus dem Diskurs und mehr aus ihm selbst heraus kommt.
Im Mittelpunkt der Ausstellung aber stehen ja nun gerade mal keine Männer, sondern viele Frauen…
Genau! Ich habe selbst Modefotografie in London studiert und dabei immer wieder gemerkt, dass Modefotografinnen kaum präsentiert werden. Deshalb wollte ich eine Überblicksausstellung konzipieren, in der 21 Frauen der breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Denn es ist doch immer eine Frage der Institution: Was haben wir in der Sammlung und was stellen wir aus? Wir haben in unserem Bestand auch Arbeiten von Modefotografinnen, darunter beispielsweise eine von Regina Relang, die aber bislang alle kaum gezeigt wurden. Ich möchte einen neuen Schwerpunkt setzen, unter anderem in der Fotografie. Die Ausstellung ist also auch eine Art Sneak Peak auf das, was noch kommen wird. Wir als Kunstinstitution müssen daran arbeiten, die gesellschaftliche Vielfalt besser abzubilden.
Die Ausstellung trägt den Titel „Female View“. Aber gibt’s überhaupt „den“ weiblichen Blick?
Nein, den gibt es nicht, vor allem ist dies nicht unbedingt eine biologische Setzung. Wenn überhaupt, lernen wir als Kinder aus „weiblicher“ oder „männlicher“ Sicht auf Dinge zu blicken. Aber „Female View“ sollte auch nicht als Statement, sondern als Fragestellung verstanden werden, mit der man durch die Ausstellung gehen kann. Wo sehe ich weibliche, wo männliche Perspektiven?
Eignet sich Modefotografie für so tiefgreifende Fragestellungen? Ist sie nicht zu oberflächlich, zu unpolitisch?
Modefotografie kann ebenso subversiv sein wie alles andere auch. Nehmen wir beispielsweise Sibylle Bergemann, die in der DDR die Mode der rebellischen Subkultur fotografierte und dadurch den Traum von Freiheit dargestellt hat. Oder Amber Pinkerton, die in ihren Bildern die modischen Selbstentwürfe der verschiedenen Communitys aus ihrem Heimatland Jamaika aufgreift. Und gerade sieht man ja auch im Iran, was für Auswirkungen es hat, wenn sich eine Frau über die Freiheit äußert an ihrem Körper zu tragen, was und wie sie will. Heute findet diese Kommunikation natürlich viel mehr über die Sozialen Medien statt.
Wie hat sich die Modefotografie denn durch die Digitalisierung grundsätzlich entwickelt?
Viele junge Frauen arbeiten mittlerweile entlang der Grenzen von künstlerischen und feministischen Modebildern, die sie auch als Auftragsarbeiten beispielsweise für Instagram umsetzen. Oder es gibt Fotografinnen wie Bettina Rheims, die 2010 über Facebook nach Menschen gesucht hat, die sich nicht einem Geschlecht zugehörig fühlen. Für ihre Arbeit „Gender Studies“ hat sie diese Menschen eingeladen, sich selbst zu präsentieren.
Dabei tragen einige der Portraitierten kaum Kleidung. Ist das überhaupt noch Modefotografie?
Für Modefotografie muss man nicht unbedingt angezogen sein. Die Art, wie jemand seine Haut zeigt, ist auch schon ein Zeichen von modischer Zugehörigkeit und von der eigenen Identität.
Sich selbst können Besucherinnen und Besucher ebenfalls in der Ausstellung inszenieren und fotografieren…
Wir haben in der oberen Etage einen wohnlichen Raum geschaffen, mit Teppich und Spiegel, damit Besucherinnen und Besucher mit verschiedenen Accessoires wie Weste, Hut und Plüschhasen einen modernen Joseph Beuys-Look kreieren können. Davon kann man dann ein Selfie machen und mit dem Hashtag #artiststyle auf Instagram hochladen, sodass über die Zeit eine Modenschau auf unserer Instawall entsteht. Dabei geht’s darum, die Marke Joseph Beuys spielerisch zu hinterfragen. Unter anderem durch solche partizipativen Angebote wird das Museum zum Experimentierfeld.
Die Ausstellung „Female View. Modefotografinnen von der Moderne bis zum Digitalen Zeitalter“ ist noch bis zum 15. Januar 2023 im Museum Schloss Moyland zu sehen.
Im Rahmen der Ausstellung finden verschiedene Angebote statt – unter anderem öffentliche Führungen und ein Filmabend im Tichelpark Kino.