An Rhein und Ruhr. Mehr als 30.000 Fälle häuslicher Gewalt gab es 2021 in NRW. Um gegen das Problem vorzugehen, gibt es in Oberhausen nun ein Projekt mit Tätern.

Mehr als 30.000 Fälle häuslicher Gewalt zählte das Landeskriminalamt (LKA) in NRW im vergangenen Jahr. Statistisch hat sich im Vergleich zu 2020 kaum etwas geändert. Die Zahlen zu häuslicher Gewalt seien aber bereits seit Jahren unerträglich hoch, sagt Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen.

Die Polizei könne bei einer Anzeige mit Gefährderansprachen, Festnahmen oder Durchsuchungen reagieren, wie das NRW-Innenministerium mitteilt. Um gegen häusliche Gewalt vorzugehen müsse man verstärkt bei den Tätern ansetzen. „Denn die Arbeit mit Tätern ist Opferschutz“, betont Costecki. Die Caritas Oberhausen hat daher in Zusammenarbeit mit der Stadt ein Beratungs- und Trainingsangebot für Täter häuslicher Gewalt auf die Beine gestellt.

Caritas-Projekt in Oberhausen: Täter sollen Verhalten ändern

Dabei lernen die Männer in mindestens 25 Gruppensitzungen gewaltfreie Handlungsstrategien, setzen sich mit Gewaltformen, aktuellen Konflikten und den eigenen Gewalterfahrungen und Gefühlen auseinander, so die Caritas. Ziel sei, dass die Männer keine weitere psychische oder physische Gewalt mehr ausüben. Behörden können Täter in das Projekt vermitteln, aber Täter können sich auch selbst melden.

„Um den Gewaltkreislauf zu durchbrechen, sind Verhaltensänderungen beim Täter notwendig“, bestätigt auch ein Sprecher des NRW-Innenministeriums auf Anfrage. „Diese Verhaltensänderungen sollen mit Hilfe von sozialen Trainingsprogrammen, deren Teilnahme die Justiz dem Täter verpflichtend auferlegen kann, erzielt werden.“

Gewalt: 78 Prozent der Straftaten sind Körperverletzungen

Werde der Polizei ein Fall häuslicher Gewalt bekannt, schreite man konsequent ein und schöpfe alle polizeirechtlichen und strafprozessualen Maßnahmen aus, betont das Ministerium. „Hierdurch sollen verfestigte Gewaltbeziehungen aufgebrochen, Opfer geschützt, weitere Straftaten verhindert und eine beweiskräftige Strafverfolgung ermöglicht werden.“ Dabei werden bereits am Einsatzort einzelne Fälle geprüft und entsprechend einer Gefahrenprognose entsprechende Maßnahmen durchgesetzt.

Insgesamt 30.759 bekannt gewordene Straftaten listet das LKA NRW für 2021 in seinem „Lagebild häusliche Gewalt“ auf. Damit haben sich die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr nur leicht verändert. Für 2020 zählte das LKA 29.155 bekannt gewordene Straftaten auf.

Der größten Anteil der Delikte in der Statistik für 2021 machen mit rund 78 Prozent oder 24.100 Körperverletzungen aus. Aber auch Bedrohung, Misshandlung von Schutzbefohlenen, sexueller Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen sowie Nötigung, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung werden aufgeführt. Zudem gab es 65 Fälle von Mord oder Totschlag sowie zwei Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge.

Gruppentrainings gegen Gewalt

Bereits im November wolle die Caritas in Oberhausen mit den ersten Einzelgesprächen starten, bei denen geklärt werden soll, ob das Projekt zu dem jeweiligen Mann passe, wie es heißt. Ende des Jahres könne man dann mit den ersten Gruppentrainings beginnen.

„Was wir in Oberhausen Frauen anbieten können, die Opfer häuslicher Gewalt sind – etwa das Frauenhaus oder die Hilfe und Unterstützung durch die Frauenberatungsstelle – ist als Schutz für Betroffene sehr wichtig“, sagt auch Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz. „Wichtig ist es aber auch, an der Ursache anzusetzen.“ Er hoffe, dass Täter den Mut aufbringen, das Angebot von Stadt und Caritas anzunehmen.

Kooperation mit anderen Städten

Das Konzept für das Projekt habe man mit Unterstützung der Caritas Mettmann entwickelt, die seit Jahren erfolgreich in der Täterarbeit aktiv sei, so die Caritas Oberhausen. Für den Erfolg des Projektes sei ein breites Netzwerk in allen Städten notwendig. Dies baut die Caritas nun auf. Das Projekt richte sich daher auch an Männer aus Duisburg, Mülheim und dem Kreis Wesel.

Bei der Aufnahme einer Anzeige händige die Polizei den Tätern auch Flyer aus, in denen Hilfsangebote und Informationen für Täter sowie Infos über Beratungsstellen zusammengefasst seien, so das Innenministerium weiter. Andere mögliche Maßnahme sei aber auch noch am Einsatzort die Aussprache einer Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot. Sollte letzteres missachtet werden, könne ein Zwangsgeld vollstreckt werden.

Zudem seien Gefährderansprachen, Festnahmen oder Durchsuchungen von Tätern oder Wohnungen möglich. Wenn ein Fall als Hochrisikofall eingeschätzt wird, seien des Weiteren eine polizeiliche Beobachtung des Täters, Aufenthalts- und Kontaktverbote sowie die Überwachung durch eine elektronische Fußfessel möglich.

Info-Karte zeigt freie Plätze in Frauenhäusern

Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, können Hilfe in einem Frauenhaus bekommen. Die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW, ein Zusammenschluss von 26 Frauenhäusern, hat auf der Seite frauen-info-netz.de die Standorte von rund 70 Frauenhäusern in NRW auf einer interaktiven Karte eingetragen. Diese zeigt an, in welchem Frauenhaus noch Plätze frei sind. Derzeit haben jedoch nur Frauenhäuser in Düsseldorf, Dorsten, Bocholt und Datteln freie Kapazitäten.

Auf der Seite sind jedoch auch Sicherheitstipps und weitere Hilfsangebote für betroffene Frauen aufgelistet. So auch die Nummer des Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen – 08000 116 016. Dieses ist auch online per Chat erreichbar unter: hilfetelefon.de.