An Rhein und Ruhr. Der Kreis Kleve müsste seine Pläne zum Katastrophenschutz überdenken. Die FDP sieht in den Überlegungen der Nachbarn derweil eine Chance für NRW.

Als „völlig verantwortungslos“ sieht die Grünen-Fraktion im NRW-Landtag die Überlegung der niederländischen Provinz Limburg, kleine Atomkraftwerke zu bauen. Ein Gutachten im Auftrag der an NRW grenzenden Provinz hatte jüngst ergeben, dass der Bau solcher Kraftwerke zumindest technisch möglich ist. Weitere Untersuchungen und politische Abstimmungen müssen noch klären, ob ab 2030 tatsächlich Mini-AKWs gebaut werden. Dennoch stößen die Überlegungen auf der deutschen Seite der Grenze teils schon jetzt auf Unverständnis und Besorgnis.

Benachbarte Kreise müssten Katastrophenschutz anpassen

Die Kreise Kleve und Viersen etwa erklärten, man müsse die eigenen Katastrophenschutzpläne gegebenenfalls anpassen, sollten solche AKWs wirklich gebaut werden. Das hänge vom jeweiligen Standort von möglichen Neubauten ab, teilt ein Sprecher des Kreis Kleve mit. Man sei im grenzüberschreitenden Bevölkerungs- und Katastrophenschutz im stetigen Austausch mit den niederländischen Kollegen. „Dort würden konkretere Planungen und die Auswirkungen in jedem Fall besprochen werden.“

Welche Maßnahmen dafür notwendig sind, hänge davon ab, wie weit entfernt ein AKW stehen würde. So habe die Strahlenschutzkommission des Bundesumweltministeriums vier Sicherheitszonen festgelegt: In der Zentralzone liege das Kraftwerk und drumherum ein Radius von fünf Kilometern. Daran schließe sich die Mittelzone mit einem Radius von 20 Kilometern an, gefolgt von der Außenzone mit einen Radius von rund 100 Kilometern. Die letzte Zone, die Fernzone, umschließe das gesamte Bundesgebiet.

Eine mögliche anzupassende Maßnahme sei jedoch die Verteilung von Jodtabletten. Diese müssten aufgrund eines kürzeren zeitlichen Vorlaufs neu organisiert werden. „Bei Zugehörigkeit zu einer engeren Zone müsste eventuell über Evakuierungspläne nachgedacht werden“, heißt es seitens des Kreis Kleve. Dies sei aktuell aber nicht notwendig.

Grüne sehen Pläne als Gefahr

Auch der Kreis Viersen erklärt, man koordiniere sich grenzüberschreitend und passe die Pläne gegebenenfalls an. Jedoch weisen beide Kreise daraufhin, dass die Bewertung der AKW-Überlegungen in Limburg Bundes- oder Landesangelegenheit sei. Dass über den Bau von AKWs nachgedacht wird, überrasche nicht, angesichts eines drohenden Energiemangels sowie der EU-Entscheidung, Atomkraft und Gas als klimafreundlich einzustufen, so der Kreis Kleve weiter.

Die Landesregierung verweist gegenüber der NRZ darauf, dass sich die Entwicklung sogenannter kleiner AKW ja noch im reinen Planungsstadium befinde. „Grundsätzlich ist die Haltung der Landesregierung, dass jedes Land selbstverständlich eigenverantwortlich darüber entscheidet, wie es seinen Strombedarf decken möchte“, sagte der Sprecher des Wirtschaftsministeriums. „Es sollte dabei aber ebenso selbstverständlich die Umwelt- und Sicherheitsbelange seiner Nachbarn berücksichtigen.“ Diese wären durch einen Ausbau der Atomkraft in Grenznähe berührt. Der Sprecher weiter: „Deshalb erwarten die Bürgerinnen und Bürger in NRW transparente Informationen über die Pläne der Provinz Limburg.“

Scharfe Kritik äußern derweil die Grünen im NRW-Landtag. „Atomkraft ist eine teure, unbeherrschbare Hochrisikotechnologie, unabhängig von der Größe der Reaktoren“, sagt Fraktionsgeschäftsführerin Norika Creuzmann. Schon der Austritt kleinster Mengen von Radioaktivität werde mit Recht zu den ersten Störfällen gerechnet. „Da spielt die Größe des Reaktors überhaupt keine Rolle. Die Verniedlichung von Atomreaktoren zu kleinen ’Kann-ja-nicht-viel-passieren-Anlagen’ ist daher völlig verantwortungslos. Die Auswirkungen von Unfällen machen an keiner Grenze Halt“, betont Creuzmann.

FDP will Energieversorgung „europäisch denken“

Die FDP-Landtagsfraktion hingegen sieht die Überlegungen als Chance. „Neue Kraftwerke der vierten Generation in den Niederlanden können einen Beitrag dazu leisten, auch die Versorgungssicherheit in NRW zu gewährleisten“, meint der energiepolitische Sprecher, Dietmar Brockes. Die Energieversorgung müsse konsequent europäisch gedacht werden. Man solle den Niederlanden dabei nicht die Unterstützung verwehren, so Brockes weiter. „Aus NRW-Sicht sollten wir den Prozess eng und konstruktiv begleiten. Alle Sicherheits- und Umweltfragen sollten transparent ausgetauscht werden.“

Zudem müsse man respektieren, „dass unsere europäischen Nachbarn bei der Energiewende eigene Wege gehen und souverän über ihre Energieversorgung entscheiden“, sagt der FDP-Abgeordnete.

Erneuerbare Energie gegen Krise

Die Grünen sehen Atomkraft hingegen als „Scheinlösung“ für die Energiekrise. „Jetzt in Erneuerbare Energien, Speicher und Netze zu investieren, bringt schneller Ergebnisse für die Stromversorgung und Versorgungssicherheit der kommenden Jahrzehnte als Träumereien von Atomkraftwerken nachzuhängen“, sagt Norika Creuzmann.

Auch der BUND NRW fordert den Ausbau von erneuerbaren Energien. „Wir haben alle Rezepte, um die Energie- und die Klimakrise zu bekämpfen, nämlich erneuerbare Energien und das Energiesparen“, sagt BUND-Sprecher Dirk Jansen. Pläne für kleinere AKWs gebe es schon länger. „Fakt ist, kleine inhärent sichere Atomkraftwerke gibt es nicht.“