Maastricht. Die niederländische Regierung will zwei neue Kernkraftwerke. Ein Limburger Politiker erklärt, ob kleine Reaktoren in der Region kommen könnten.
Aufgrund der Klimakrise und Angst vor Energieengpässen setzt die niederländische Regierung künftig stärker auf Kernenergie – und möchte deshalb in absehbarer Zeit zwei neue Kernkraftwerke im Nachbarland von NRW errichten lassen. Das Vorhaben steht im aktuellen Koalitionsvertrag festgeschrieben, ist aber vor 2030 wohl nicht realisierbar.
Dennoch weckt das Vorhaben in den Niederlanden und auf der deutschen Seite der Grenze durchaus Unbehagen. Im Interview erklärt der Regionalpolitiker Maarten van Gaans-Gijbels, wie es um mögliche Kernzentralen in der Grenzprovinz Limburg steht – und warum er Kernenergie inzwischen befürwortet.
Herr van Gaans-Gijbels, könnten neue Kernkraftwerke denn auch in Limburg stehen?
Es ist vorab wichtig zu erwähnen, dass auch in den Niederlanden das Thema Kernenergie umstritten ist. Lange waren neue Kernkraftwerke kein Thema, sie werden aber aufgrund der steigenden Energiepreise und Energieknappheit wieder diskutiert. In Limburg wird aktuell untersucht, ob es hier überhaupt Kernkraftwerke geben könnte. Wir nennen das ‘Phase 0’ der Untersuchung.
In Gelderland hat sich die Politik unterdessen vorerst gegen eine Suche nach möglichen Standorten entschieden. Warum ist das in Limburg anders?
Es ist ein Wunsch des Parlamentes in Limburg gewesen, dem Thema Kernenergie gegenüber offen zu sein. Gleichzeitig gibt es die nationale Bestrebung nach zwei neuen, großen Kernkraftwerken, wie es sie schon in Zeeland oder in Belgien gibt. In Limburg hingegen schauen wir, ob es Möglichkeiten für kleine Reaktoren geben könnte. Das sind zwei verschiedene Vorgänge, was in den deutschen Medien aber oft zusammengeworfen wird.
Also könnten in den Niederlanden neben zwei neuen, großen Kernkraftwerke noch weitere, kleine Reaktoren in der Grenzregion entstehen?
Ja. Was wir in Limburg untersuchen, wäre eine Ergänzung zu den von der Regierung geplanten großen Kernzentralen. Für diese steht aber noch kein Ort fest.
Das dürfte viele Menschen in NRW in unmittelbarer Nachbarschaft Limburgs verschrecken. Können Sie das nachvollziehen?
Ich war der Kernenergie früher auch kritisch gegenüber eingestellt, weil ich ein altmodisches Bild davon hatte. Auch meine Partei D66 ist, was die Frage der Kernenergie betrifft, gespalten. Ich selbst dachte, Kernenergie ist sehr unsicher, bis ich mich ins Thema eingearbeitet und die Vorteile gesehen habe – vor allem, was kleine Reaktoren anbelangt. Die steckten vor ein paar Jahrzehnten noch in den Kinderschuhen. Es wäre also hilfreich, uns mehr auf die Fakten zu konzentrieren, statt auf Schreckensbilder aus der Vergangenheit.
Was Sicherheit und Umweltverträglichkeit betrifft, gehen die Einschätzungen zur Atomenergie auseinander. Und für die kriegsbedingte Energieproblematik dürften neue Kernzentralen auch keine schnelle Lösung sein. Warum also neue schaffen?
Das stimmt. Ich glaube, bis 2030 gibt es keinen Platz für Kernenergie, weil die Bauzeit zu lange ist. Wir müssen bis dahin vor allem auf Wind und Sonne setzen. Mit erneuerbaren Energien werden wir aber auch auf lange Sicht unseren Energiebedarf nicht decken und die Klimaziele nicht erreichen können. Wir müssen nicht komplett auf Kernenergie setzen, es kann aber ein Teil im Energiemix sein. Ich finde es verwunderlich, dass es in der Euregio in so einem kleinen Gebiet zwischen den Niederlanden, Deutschland und Belgien so unterschiedliche Strategien gibt. Wir müssten stärker zusammenarbeiten.
Wann wird es mehr Klarheit geben, ob kleinere Kernreaktoren in Limburg gebaut werden können?
Wir erwarten die Ergebnisse der Untersuchung noch vor den Sommerferien, auch die der landesweiten Untersuchung. Diese Resultate müssen wir abwarten und dann schauen, ob wir Kernenergie in Limburg haben wollen.
Erwarten Sie großen Widerstand, sollten die Gutachten ergeben, dass kleine Kernreaktoren in Limburg möglich sind?
Wenn wir bis 2030 wirklich kleine Reaktoren in Limburg bauen wollen, wird es sicherlich Widerstand aus der Bevölkerung geben. Denn dann stellt sich ja die Frage, wo sie hinkommen. Ich halte es für entscheidend, eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung dafür zu bekommen. Ich denke, dass keine der Parteien Kernreaktoren um jeden Preis durchsetzen möchte.
Könnte das zu einem Volksentscheid führen?
Ich denke, dass das ein Thema für eine Befragung der Bevölkerung ist. Das wird aber noch ein paar Jahre dauern.