An Rhein und Ruhr. Die Einschränkungen der Pandemie sind überwunden, trotzdem passen viele Händler nun die Öffnungszeiten an. Womit die Branche zu kämpfen hat.
Es ist, als hätten sie den Slogan „geänderte Öffnungszeiten“ in den Innenstädten der Region untereinander weitergegeben. Viele Geschäfte des Einzelhandels schließen entweder früher oder öffnen später als gewohnt. Der häufigste Grund dafür: Personalmangel – lange Öffnungszeiten können durch zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr geleistet werden. Doch das ist nicht der einzige Grund.
Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Handelsverbands NRW Niederrhein bestätigt den Trend. Sie habe von einigen Einzelhändlern schon mitbekommen, dass sie ihre Öffnungszeiten anpassen, da es durch fehlendes Personal gar nicht anders gehe.
Allerdings spielte in den letzten Wochen und Monaten auch mit rein, dass bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Corona länger ausfallen. Hinzu kommen Urlaube in der gleichen Zeit. Dass dies durch Überstunden von Kollegen abgefedert werde, sei kein Dauerzustand. „Es werden alle möglichen Spagate gemacht, um die Öffnungszeiten zu halten, aber oft geht es dann doch nicht anders“, so Lewitzky.
Im Winter könnten weitere Einschränkungen folgen
Dass Öffnungszeiten aus Energiesparmaßnahmen angepasst werden, ist der Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein aber noch nicht bekannt. „Im Winter wird das aber sicherlich noch eine Überlegung.“ Der Handelsverband fährt aber derzeit eine Klimaoffensive, mit der Energie gespart werden soll. Beispielsweise sollen Schaufenster und Reklameschilder nicht mehr rund um die Uhr beleuchtet werden und Türen geschlossen bleiben, damit die Wärme nicht so schnell nach Außen dringt. Generell werde der Energieverbrauch an vielen Stellen neu bewertet.
Der Juwelier „Golden Eye“ in der Essener Rathausgalerie hat sich dazu entschlossen, die Öffnungszeiten des Schmuckladens zu verkürzen, weil er nicht genug Personal habe. Statt von 10 bis 20 Uhr ist das Geschäft nun nur noch von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Konkurrenz durch das Internet
Der 63-jährige Verkäufer Ralf Vogelsang erzählt: „Es ist schwierig neue Mitarbeiter zu finden, weil die Bewerber meistens flexible Arbeitszeiten wollen.“ Dass der Personalmangel der einzige Grund für die Verkürzung der jetzigen Öffnungszeiten bei vielen Einzelhändlern ist, relativiert Vogelsang aber. Hinzu käme beispielsweise, dass viele auch einfach nicht mehr genug Umsatz machen, um zu überleben – vor allem durch die Konkurrenz im Internet. „Die meisten Menschen schauen sich jetzt den Schmuck hier im Laden an, suchen dann das gleiche Modell im Internet und kaufen dann dort anstatt bei uns“ bedauert Ralf Vogelsang.
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Diese Konkurrenz sieht auch Axel Wolff, Vorsitzender der Werbegemeinschaft in Dinslaken, sehr kritisch. „Das Internet ist 24 Stunden am Tag geöffnet, hier in der Innenstadt, wo Personal gestellt werden muss, ist das schwierig“, so Wolff, der ein Fotofachgeschäft in Dinslaken besitzt. Es sei einfach teuer, die Geschäfte länger aufzuhalten – da müsse man sehen, dass sich das auch rentiert.
„Ich kann nicht 14 Stunden alleine in meinem Laden stehen.“
Einheitliche Öffnungszeiten in Innenstädten hinzubekommen, sei durch die Personalsituation quasi unmöglich. Einzelhandelsketten und Einkaufscenter mit vorgegebenen Öffnungszeiten würden die Lage zusätzlich verschärfen, da einzeln geführte Geschäfte da nicht mithalten können: „Ich kann nicht 14 Stunden alleine in meinem Laden stehen.“ Für Wolff ist das Thema allerdings kein aktueller Trend: „Es ist schon seit Jahren so, dass das mit einheitlichen Öffnungszeiten nicht funktioniert.“
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Dass die Änderung der Öffnungszeiten nicht nur auf den Personalmangel zurückzuführen ist, bestätigt auch der Geschäftsführer von „The Outleter“ Peter Streich. „Wir haben auch einen Rückgang der Kundenzahlen seit Corona. Daher haben wir Anfang 2022 beschlossen, die Öffnungszeiten zu reduzieren“, sagt der Inhaber des Kleidungsladens auf der Limbecker Straße in Essen. Jetzt öffnet Streichs Laden eine Stunde später und schließt eine Stunde früher.
Die Geschäftsleiterin des Essener Schmucklandens „Konplott“ Patricia Kopitz bemerkt in der letzten Zeit außerdem ein verändertes Kaufverhalten: „Die Leute kaufen gewissenhafter. Schmuck ist ein Luxusgut und man braucht es nicht, um zu überleben.“ Auch Kopitz sucht, wie viel andere Einzelhändler, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie kann sich jedoch nicht ganz erklären, warum es jetzt so schwierig ist, Mitarbeiter zu finden: „Sicher ist, dass es nicht mehr an der schlechten Bezahlung liegt“, sagt die 44-Jährige und ergänzt: „Der Stundenlohn ist jetzt erhöht“.
Vertrauen ist geschwunden
Die Geschäftsleiterin vermutet, dass der Personalmangel auch mit den Corona-Lockdowns zusammenhängt. Kopitz erklärt, dass durch die Schließungen viele Beschäftigte im Einzelhandel ihren Arbeitsplatz verloren haben oder die Branche wechseln mussten. Infolgedessen haben die Menschen kein Vertrauen mehr in den Einzelhandel und Angst, dass sich die Situation durch mehr Corona-Fälle wiederholen könnte.
In Zusammenarbeit mit Tobias Harmeling