An Rhein und Ruhr. Vor allem auf dem Land gibt es viele Bahnübergänge ohne Schranken, immer wieder passieren schwere Unfälle. Was es dort zu beachten gilt.

„Der Lärm ist unerträglich“, klagt Bernhard Bußkamp. 50 Meter trennen sein Haus in Hamminkeln-Dingden von den Gleisen. Wenn ein vorbeifahrender Zug hupt, tönen 82 Dezibel über sein Grundstück. „Mein Nachbar wohnt sogar noch näher dran und hat auf seiner Terrasse 107 Dezibel gemessen“, kann Bußkamp noch gerade so eben erzählen, ehe er von ebenjenem ohrenbetäubenden Ton unterbrochen wird. „Aber sie hören es ja selbst“, ruft er gegen die Geräuschkulisse an.

Der Grund für das Hupen ist der Bahnübergang Lankernbrok. An diesem gibt es weder Schranken, noch eine Lichtanlage. Also muss der RE 19 zwischen Bocholt und Wesel eben lautstark auf sich aufmerksam machen – zwei Mal in der Stunde, von fünf Uhr morgens bis halb zwölf in der Nacht. Obwohl es immer wieder zu schweren Unfällen kommt, zum Teil sogar tödlichen, wurden Schranken erst für das Jahr 2023 versprochen. Bis dahin wurde zunächst der Autoverkehr über die Gleise untersagt.

Bahnübergang Lankernbrok: Anwohner fordern Sicherheit

Als dann im Mai dieses Jahres eine Radfahrerin auf der Strecke erfasst wurde und an ihren Verletzungen verstarb, ist der Bahnübergang komplett gesperrt worden. Das sorgt im Ort für Unmut: „Landwirte müssen riesige Umwege fahren und Kinder können ihre Schulbushaltestelle nicht mehr erreichen“, sagt Bernhard Bußkamp. „Wir wollen eine zufriedenstellende Lösung – die das Hupen überflüssig macht.“

Diskussionen dieser Art werden in Nordrhein-Westfalen vielerorts geführt. Auch in Alpen, wo es allein im Stadtgebiet fünf unbeschrankte Bahnübergänge gibt, ist im Jahr 2017 ein 16-jähriger Radfahrer tödlich verunglückt. Landesweit gibt es 1998 Bahnübergänge. Davon sind 419 nicht mit sichernden Schranken oder Lichtanlagen ausgestattet. Die meisten davon sind, wie in Hamminkeln oder Alpen, auf dem Land. Wie eine Bahnsprecherin auf NRZ-Nachfrage erläutert, seien die Züge dort meist mit geringerer Geschwindigkeit unterwegs, außerdem sei das Verkehrsaufkommen auf Feld- und Waldwegen niedriger.

Unbeschrankte Bahnübergänge in NRW meist auf dem Land

Die Art der Straße, welche eine Bahnlinie kreuzt, entscheidet aber nicht nur darüber, wo eine technische Sicherung installiert wird, sondern auch darüber, wer dafür bezahlt. Wie das NRW-Verkehrsministerium klarstellt, müsse sich das Land allein an Landes- und Bundesstraßen an den Kosten für die Sicherung oder Entfernung von Bahnübergängen beteiligen. Diese belaufen sich je Schrankenanlage auf mehrere hunderttausend Euro. An allen anderen Straßen, und somit der Mehrzahl der Bahnübergänge, wird hingegen die jeweilige Kommune zur Kasse gebeten.

Bislang müssen diese laut Eisenbahnkreuzungsgesetz ein Drittel der Kosten übernehmen. Den Rest tragen in gleichen Teilen Bahn und Bund. Um die oft klammen Städte und Gemeinden beim Bau von Brücken und Unterführungen über beziehungsweise unter Bahnübergängen zu entlasten, hat die Regierung eine Initiative gestartet. Demnach soll der Bund künftig die Hälfte, die Bahn ein Drittel und das Land, in dem die Kreuzung liegt, ein Sechstel der Kosten tragen. So soll die Zahl der ungesicherten Übergänge schnell und unkompliziert gesenkt werden. Die Deutsche Bahn unterstütze dieses Vorhaben: „Jeder Unfall ist einer zu viel. Daher haben wir gemeinsam mit den Gemeinden und Eigentümern der Straße bereits viele Bahnübergänge beseitigt.“

Unfälle an Bahnübergängen in NRW „zu 90 Prozent vermeidbar“

Bundesweit hätte man mit 16.000 sogar den Tiefstwert in der Unternehmensgeschichte erreichen können. Auch wenn die Zahl der Unfälle an Bahnübergängen in NRW seit Jahren abnimmt – 2020 waren es laut Deutscher Bahn noch 16 – gibt es weiterhin Luft nach oben. Denn verantwortlich für den Großteil der Unfälle sei laut einer Analyse der DB das Fehlverhalten von Straßenverkehrsteilnehmern. 90 Prozent aller Unfälle seien demnach vermeidbar gewesen.

Denn selbst wer bei einem nicht technisch gesicherten Bahnübergang das Hupen eines Zuges überhört, dem signalisiert ein Andreaskreuz die Vorfahrt von Schienenfahrzeugen. Diese zu missachten, kann nicht nur gefährlich, sondern auch teuer werden. Laut Bußgeldkatalog werden für dieses Vergehen mit Sachbeschädigung bis zu 120 Euro sowie ein Punkt fällig.

Richtiges Verhalten am Bahnübergang: Das gilt es zu beachten

Noch tiefer in die Tasche greifen müssen Menschen, die trotz geschlossener Halbschranke die Gleise überqueren: 700 Euro, zwei Punkte und ein dreimonatiges Fahrverbot sind die Folge. Wer selbiges zu Fuß oder mit dem Fahrrad macht, kann ein Bußgeld von 350 Euro erwarten. Die hohen Strafen haben ihren Grund: Laut Deutscher Bahn ist das bewusste Ignorieren von Halbschranken eine der häufigsten Unfallursachen und somit eher Risiko als Zeitersparnis.

Bis es in Nordrhein-Westfalen nur noch mit Schranken ausgestattete oder durch Brücken und Unterführungen ersetzte Bahnübergänge geben wird, ist also nicht nur Geduld, sondern auch eine gewisse Vorsicht geboten.