An Rhein und Ruhr. Lange Wartelisten und sogar Anfragen aus anderen Bundesländern: Viele Menschen möchten ihr Haustier aus der Coronazeit nun doch lieber loswerden.

Schluss mit den einsamen Corona-Jahren: Die Menschen in NRW können aktuell wieder verreisen, treffen sich mit Freunden und arbeiten nicht mehr im Homeoffice. Das bedeutet im Umkehrschluss: Sie haben auch weniger Zeit für die in der Corona-Zeit angeschafften Haustiere. Die Zahl der Tierabgaben sei laut verschiedenen Tierheimen so hoch wie noch nie. „Früher, 2019 etwa, hat sich vielleicht einmal in der Woche jemand gemeldet. Nun haben wir fünf Anfragen am Tag“, sagt Stefanie Bresnik vom Tierheim in Moers. Mehrere Tierheime bestätigen, dass sie sogar Anfragen aus anderen Bundesländern bekommen.

Inzwischen gäbe es in Moers einen Aufnahmestopp und eine sehr lange Warteliste. Das führt zu viel Frust und Wut bei den Menschen, die ihre Tiere satt sind. „Wir bekommen regelmäßig Drohungen, dass sie die Tiere aussetzen oder einschläfern, wenn wir sie nicht nehmen. Die Leute haben wenig Verständnis dafür, dass wir völlig überlastet sind“, sagt Bresnik.

Bei den Abgaben handele es sich ganz klar um „Corona-Tiere“. „Viele haben damals im Internet ein Foto gesehen und das Tier sofort bei Ebay oder via Facebook gekauft. Das sind Impulskäufe gewesen“, sagt die Tierpflegerin. Deswegen scheinen viele nun mit dem Haustier überfordert zu sein.

Viele Tier-Käufe übers Internet

Auch seien Tiere über Pseudo-Auslandstierschutzvereine vermittelt worden, die über keine Infrastruktur verfügen, um beispielsweise Hunde auch wieder zurückzunehmen. Welches Umfeld das Tier gewohnt ist oder ob es für Anfänger geeignet ist, spiele bei diesen schnellen Vermittlungen keine Rolle. Deshalb werden viele Hunde abgegeben, mit denen es zum Beispiel Beißvorfälle gegeben hat. Das macht Bresnik besonders unruhig: „Ich will mir nicht vorstellen, was passiert, wenn die teils gefährlichen Hunde einfach ausgesetzt werden.“ Im Tierheim dauert die Vermittlung deutlich länger. Die Zeit wollen viele aber nicht aufbringen.

„Tiere sind zu einem Konsumgut geworden: Ein Tier soll dann verfügbar sein, wenn ich es mir wünsche. Im Alltag hat es sich sofort anzupassen. Wenn es mir nicht mehr gefällt, dann setze ich eine Anzeige ins Internet und verkaufe es wie eine Playstation“, kritisiert Timo Franzen, Tierheimleiter in Düsseldorf.

Eine weitere Hürde für die Tierheime seien die steigenden Energie- und Futterkosten – und die gleichzeitig rückläufigen Spendengelder. „Wir haben schon ein wenig Angst vor dem nächsten Winter. In unserem Hof heizen wir mit Gas und unsere Hundezimmer werden mit Strom beheizt. Das bedeutete letzten Winter schon eine extreme Nachzahlung“, schildert auch Julia Tirkschleit vom Tierheim Leygrafenhof im Kreis Kleve. „Im Jahr 2021 kostete jeder Tag im Tierheim mit allem Drum und Dran knapp 5000 Euro“, erinnert sich Franzen.

Hohe Kosten für Tierheime in NRW

Ein Zuschuss für die Aufnahme und Versorgung von Abgabetieren wäre eine Hilfe, sagt er. „Im Moment trägt diese Kosten der Tierschutzverein und damit seine Spender allein.“ Langfristig würde das auch Geld sparen: Denn aufgenommene Abgabetiere sind in vielen Fällen auch verhinderte Fundtiere. Die Unterstützung würde für eine schnellere Vermittlung und damit Kostenentlastung sorgen, weil der abgebende Tierhalter Informationen zum gesundheitlichen Status und zu Verhaltenseigenschaften des Tiers geben kann, die sonst erst im Tierheim ermittelt werden müssten.

Bresnik vom Tierheim in Moers würde sich zudem wünschen, dass der niederschwellige Internethandel gar nicht erst möglich wäre. Nur so könne man Tiere davor bewahren, hin und her gegeben zu werden.

Laut dem Land NRW können Tierheime derzeit Zuschüsse für bauliche Maßnahmen, die Unterbringung von Haustieren aus der Ukraine und für die Katzenkastration beantragen. Eine Förderung für die Aufnahme von Corona-Tieren sei derzeit nicht geplant. Ab dem Jahr 2023 soll es aber weitere Hilfen zur Unterstützung des Ehrenamtes in privaten Tierheimen geben. Dadurch sollen auch Plätze für Fundtiere geschaffen werden.

Bis dahin heißt es für Tirkschleit vom privaten Tierheim Leygrafenhof: durchhalten. „Wir werden nicht so schnell aufgeben auch wenn es sehr schwierig wird. Die Fellnasen brauchen uns, sie geben uns jeden Tag so viel zurück.“