An Rhein und Ruhr. Bald geht es wieder los an den Schulen in NRW. Doch nach wie vor fehlen 4400 Lehrer. Drei Meinungen zum Thema.

Wenn in drei Wochen die Schule nach den großen Ferien wieder beginnt, werden viele Schüler, Eltern und Pädagogen mit einem bekannten Problem konfrontiert: dem Lehrermangel. Fast 4400 Stellen sind in NRW noch unbesetzt. Mit Seiteneinsteigern und Freiwilligen, die aus der Pension in den Schuldienst zurückkehren, hat die Landesregierung versucht gegenzusteuern. 10.000 Stellen will die neue Schulministerin Dorothee Feller (CDU) schaffen. Das stand in dieser Woche in der NRZ. Zu dem Bericht und zum Kommentar haben uns viele Leserbriefe erreicht, die wir hier dokumentieren wollen:

„Der Lehrerberuf hat stark an Attraktivität verloren“

„Fraglos ist es erfreulich, dass das Schulministerium wieder mehr voll ausgebildete Lehrer statt Seiteneinsteiger einstellen und dafür auch mehr Geld ausgeben will. Ob das zur Behebung des – ursprünglich von den Regierungen der Ära Johannes Rau verursachten – strukturellen Lehrermangels ausreicht, bezweifle ich jedoch. Der Lehrerberuf hat stark an Attraktivität verloren. Das liegt m. E. vor allem daran, dass Lehrer ohne zeitliche Entlastung immer mehr Erziehungsaufgaben, die in der Verantwortung der Eltern liegen, übernehmen müssen und an den weiterführenden Schulen immer mehr ‘Stroh zu Gold spinnen’ sollen. Wenn hier angesetzt und die Lehrerinnen und Lehrer von allen Aufgaben befreit würden, die mit dem eigentlichen Unterricht nichts zu tun haben, wäre vermutlich mehr gewonnen. Noch besser wäre es, wenn Politik und Wirtschaft damit aufhören würden, den Schulen immer neue Aufgaben zuzuweisen!“ Dr. Nikolaus Mantel, Essen

„Seiteneinsteiger bereichern die Schulen“

„Ich kann die Skepsis gegenüber Seiteneinsteigern nicht nachvollziehen. Sie bereichern Schulen und absolvieren ein strenges Auswahlverfahren und machen in der Regel eine nebenberufliche Ausbildung als Lehrerinnen und Lehrer, die eineinhalb Jahre dauert und die dem regulären Referendariat einschließlich der Staatsprüfung gleichkommt. Für diese Ausbildung ist ausgesprochen große Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen erforderlich, die Respekt verdient. Zusätzlich bringen Seiteneinsteiger ein gehöriges Maß an Lebens- und Berufserfahrung außerhalb von Schule mit, die Schulen und Kollegien durch ihren Blick über den Tellerrand bereichern. Gleiches gilt für eine verkürzte einjährige Ausbildung. Aus meiner Sicht ist der Lehrermangel nur mit Kräften aus vielen Bereichen des Berufslebens zu beheben – und diese sind ausgesprochen wertvoll für Schulen!“ Ursula Reinartz, Moers

„Lehrer als Staatsdiener dort einsetzen, wo sie dringend gebraucht werden“

„Peter Toussaint ist mit seiner Kritik, für den anspruchsvollen Beruf Lehrer*in Seiteneinsteiger*innen einzustellen, uneingeschränkt zuzustimmen. Gerne wird das Seiteneinsteigerproblem vom Ministerium mit dem positiv klingenden Begriff von ‘multiprofessionellen Teams’ kaschiert. Der tatsächliche Leher*innenmangel ist in der Tat noch höher. So bleibt vielen Schulen als einzige Lösung u. a. die Vergrößerung der Klassen auch über die eigentlich erlaubten Klassenfrequenzwerte hinaus.

Die relativ wenigsten Lehrer*innen sind dort zu finden, wo eigentlich die meisten und besten gebraucht würden, an den Schulen mit schwierigen Standorten. Das ist dem Ministerium natürlich bekannt. Aber die sozial benachteiligten Eltern können am wenigsten erfolgreich öffentlichen Protest organisieren. Sie tun das, was gerne beklagt wird, sie beteiligen sich nicht einmal mehr an den Wahlen. So bleibt es seit Jahren dabei, dass die sozial stärkste Schulform, das Gymnasium, gut versorgt ist.

Wir haben nicht nur einen gravierenden Lehrer*innenmangel, wir haben eine zunehmend ungleiche Verteilung. Das könnte und müsste man aus politischer und sozialer Verantwortung z. B. mit einem verändertem Einstellungsverfahren der Lehrer*innen oder mit wirksamen Anreizverfahren ändern, es geschieht aber nicht.

Das sogenannte schulscharfe Lehrer*inneneinstellungsverfahren ersetzte das Listenverfahren, nach dem die notwendigen Lehrer*innen den Schulen zugewiesen wurden. Die Schulen sollten die Möglichkeit bekommen, entsprechend ihrer Notwendigkeiten die konkreten Lehrer*innen selbst auszusuchen. In Zeiten eines Lehrer*innenüberhanges funktionierte das auch einigermaßen.

Das hat sich entsprechend des Lehrer*innenarbeitsmarktes ins Gegenteil verkehrt. Nicht die Schulen suchen die passenden Lehrer*innen, sondern die Lehrer*innen können sich die ihnen genehme Schule aussuchen. Das ist vielleicht für die Lehrer*innen gut, für viele Schüler*innen an Schulen mit schwierigem Standort mit Sicherheit schlecht. Es ist wenig nachvollziehbar, dass für Lehrer*innen nicht das gilt, was für Poliziste*innen gilt, dass die Staatsdiener*innen dort eingesetzt werden, wo sie entsprechend der staatlichen Aufgaben gebraucht werden.“ Behrend Heeren, Mitglied im Landesvorstand GGG NRW, Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule NRW e. V., Verband für integrierte Schulen