An Rhein und Ruhr. Der Verein „Mehr Demokratie“ sieht nach Coronajahren wieder mehr bürgerliche Beteiligung. Besonders bei zwei Themen engagieren sich viele.

Es herrscht Aufbruchstimmung bei den Bürgerinitiativen in NRW. Das beobachtet der Verein „Mehr Demokratie“. In den beiden vergangenen Pandemiejahren habe sich eine Menge angestaut, da gerade auf kommunaler Ebene viele Probleme nicht angegangen werden konnten. Aber auch die Zahl der Bürgerbegehren scheine wieder zuzunehmen.

„Grundsätzlich lässt sich eine Vielzahl an Neugründungen von Bürgerinitiativen zu unterschiedlichen Themen beobachten“, berichtet Achim Wölfel, NRW-Landesgeschäftsführer von „Mehr Demokratie“. „Das hängt auch damit zusammen, dass nach mehr als zwei Jahren coronabedingter Einschränkungen bei größeren Veranstaltungen oder Unterschriftensammlungen, jetzt eine Art Aufbruchstimmung herrscht.“ Jetzt sei für viele der Zeitpunkt gekommen, wieder sichtbar aktiv zu werden, so Wölfel.

Dieser Eindruck decke sich auch mit Zahlen zu Bürgerbegehren, erklärt der Geschäftsführer. „Gemeinsam mit der Bergischen Universität Wuppertal führen wir eine Datenbank, in der alle Bürgerbegehren im Land erfasst werden“, sagt Wölfel. „Daraus geht hervor, dass es während der Corona-Jahre 2020 und 2021 einen leichten Rückgang gab, seit Anfang 2022 aber wieder ein Anstieg an neuen Verfahren verzeichnet werden kann.“

Bedenken von vorneherein ausräumen

In der aktuellen Krisensituation müsse man nun jedoch erarbeiten, wie Beteiligung in der Krise aussieht. „Mit Bürgerbegehren kann man immer durchdringen. Diese Möglichkeit darf auch nicht eingeschränkt werden“, betont Wölfel. Und über Beteiligungsverfahren können man Bedenken von Bürgern auch schon von vorneherein ausräumen oder Probleme feststellen.

Die Themen der Initiativen seien recht unterschiedlich. In diesem Jahr jedoch drehe sich in NRW vieles um den Erhalt von Schulen und Schwimmbädern, erklärt Wölfel weiter. „Absolutes Topthema in den vergangenen drei Jahren ist aber der Radverkehr. So setzen sich in NRW zahlreiche Initiativen für mehr Radwege und eine allgemein bessere Fahrrad-Infrastruktur im Land ein.“

Erfolgreiche Initiativen auf Landesebene

Erfolg hatte damit unter anderen die NRW-weite Initiative „Aufbruch Fahrrad“. Seit 2018 sammelten die Mitglieder rund 200.000 Unterschriften. Dies mündete schließlich im ersten Fahrradgesetz in einem Flächenland, welches vergangenen November vom Landtag beschlossen wurde. Der Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen soll damit von neun auf 25 Prozent gesteigert werden.

„Ein anderes Beispiel ist die Volksinitiative ‚Straßenbaubeiträge abschaffen‘, die fast 450.000 Menschen unterschrieben“, so Wölfel. Da ging es um Geld, das Hausbesitzer für städtische Arbeiten an der Straße vor ihrem Grundstück zahlen sollen. „Als Reaktion gaben zwischenzeitlich alle Parteien bekannt, die Straßenbaubeiträge abschaffen zu wollen“, freut sich der Landesgeschäftsführer von „Mehr Demokratie“.

Der Kampf gegen den Lärm

So kämpft die Initiative „Lebenswertes Bergheim“ in Duisburg seit mehr als zehn Jahren gegen Lärmbelastung und für mehr Sicherheit in der Jägerstraße. Die Anwohner setzen sich dort gegen den Schwerlastverkehr vor ihrer Haustür ein. Einen entsprechenden Antrag für ein Durchfahrtverbot, den Bezirkspolitiker einbrachten, lehnte der Duisburger Stadtrat im vergangenen Jahr jedoch ab.

Besonders wegen des Lärms gründete sich die Initiative Angermund im Düsseldorfer Norden. Bürger des dörflichen Stadtteils protestieren gegen die Pläne der Deutschen Bahn für den Ausbau der Schienentrasse für den RRX (Rhein-Ruhr-Express). Gefordert wird ein besserer Lärmschutz durch Tieferlegung und Einhausung der Strecke. Für die Bahn ist ein Tunnel aber nicht vorstellbar. Der bisherige Plan sei jener mit dem geringstmöglichen Eingriff, hatte eine Bahnsprecherin gegenüber der NRZ im vergangenen Jahr gesagt. Doch auch die Stadt Düsseldorf fordert nun Nachbesserungen beim Lärmschutz und lehnte den Plan der DB im Februar ab.

Bereicherung für die Demokratie

Protest gibt es auch beim Thema Schulen. Auch wenn nicht alle Initiativen erfolgreich sind. In Hamminkeln setzten sich Eltern seit Anfang Januar dieses Jahres als Bürgerinitiative „Die Schule im Dorf lassen“ für den Erhalt der Grundschule Hamminkeln ein und eine Sanierung im Bestand. Am Ende stimmte der Stadtrat mit deutlicher Mehrheit jedoch für einen Neubau und somit gegen die Forderung der Initiative.

Aber unabhängig vom Ausgang sieht Achim Wölfel die zahlreichen Bürgerinitiativen in NRW als „große Bereicherung für unsere Demokratie“. Sie setzen politische Themen auf die Agenda, „die den Menschen unter den Nägeln brennen, von der Politik aber noch nicht oder zu zögerlich aufgegriffen wurden“, sagt er. „Sie helfen somit, viele unterschiedliche Stimmen in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen.“