Wesel. Rolf Clostermann begann in den 80er Jahren den elterlichen Obstanbauhof in Wesel ökologisch umzustellen. Das stieß am Anfang auf Skepsis.
Als Rolf Clostermann vor gut 40 Jahren den elterlichen Obstanbau-Betrieb zu einem Biohof umbauen wollte, wurde er nicht nur von vielen Landwirten in der Region kritisch beäugt. Auch der eigene Vater war überzeugter Anhänger der konventionellen Landwirtschaft. Den Neuhollandshof in Wesel-Bislich gab es damals bereits in der dritten Generation. Anfang der 60er Jahre eröffnete Gerd Clostermann den ersten Hofladen in der Region, ein fester Kundenstamm schaute regelmäßig vorbei – und nun wollte der Sohn auf einmal alles anders machen? Bio? Ein Obstanbau ohne chemisch-synthetische Spritzmittel? „Gab es damals so gut wie nicht“, erinnert Rolf Clostermann an die Anfänge seiner Pionierarbeit. Sein Vater war nicht davon überzeugt, dass der Sohn mit dem Umbau des Betriebes zu einem Biohof Erfolg haben könnte. Doch der heute 62-Jährige ließ sich nicht beirren und ging seinen Weg.
„Es gab nur etwa 30 Obstbauern, die auf Bio umstellten“
Es war die Zeit der Anti-Atombewegung, die ersten „Ökos“ wurden als Strickpullover und Birkenstocksandalen tragende „Müslis“ belächelt. Und in der Landwirtschaft fingen Biobauern bei fast Null an. „Es gab nichts an Vorleistungen, in ganz Europa gab es nur etwa 30 Obstbauern, die auf Bio umstellten“, blicken die Clostermanns zurück. Die ersten Bio-Äpfel waren klein, im Hofladen nicht der Renner. Rolf Clostermann schloss sich Demeter, dem ältesten Bioverband Deutschlands an. Anderweitig Hilfestellungen zu bekommen war schwierig. Die Landwirtschaftskammern oder regionalen Wirtschaftsverbände hätten das Thema noch nicht auf dem Schirm gehabt.
Mit den Jahren zahlte sich Rolf Clostermanns Beharrlichkeit aus: „Ich bin das Risiko eingegangen. Wir haben auch viel eigenes Kapital in die Forschung reingesteckt.“ Anfang der 90er Jahre zog sich der Vater komplett aus dem Unternehmen zurück, der Sohn übernahm und stellte mit seiner Frau Thea komplett auf Bio um. Auch den Hofladen: „Einige Kunden blieben weg. Neue kamen dazu.“ Tochter Leslie erinnert sich an ein Erlebnis aus ihrer frühen Schulzeit, was den Zeitgeist von damals widerspiegelt. „Als ich mal Geburtstags-Waffeln mit in die Schule brachte, fragte ein Mitschüler: Sind die Bio? Das esse ich nicht!“, erzählt die 29-Jährige schmunzelnd. Seitdem sei viel passiert: „Heute ist es eher umgekehrt, heute ist Bio angesagt.“
Biomärkte, Supermärkte, selbst in Discountern sind Biolebensmittel zu bekommen. Wobei hier Bio nicht auch gleich regional bedeutet und somit nicht immer auch zugleich nachhaltig ist, wenn zum Beispiel die Äpfel aus Argentinien kommen. Rolf Clostermann hat seine Ernte immer nur regional vermarktet. Zunächst im Hofladen, in dem nur zu 100 Prozent Bioprodukte verkauft werden, heute sind einige Supermärkte und Einzelhändler in der Region dazugekommen, die vor allem die verarbeiteten Hofprodukte in der Region vermarkten.
Der Erfolg kam mit dem alkoholfreien Apfelsekt
Nachdem Rolf Clostermann in den ersten Jahren auf klassische Produkte wie Apfelkraut- und Säfte setzte, „überlegten wir Anfang der 2000er Jahre, was wir noch machen können.“ Herausgekommen sind ein Apfelperlwein und der alkoholfreie Apfelsekt „Appléritif“. Damit kam der richtige Erfolg.
Rolf Clostermann hat die Vermarktung seiner Produkte immer selbst in die Hand genommen. Inwieweit die jetzt an den Start gehende Ökomodellregion Niederrhein zukünftig den Landwirten in der Region hilft, sich stärker regional zu vernetzen, bleibe abzuwarten. „Es ist ein gutes Projekt und kann ein Anreiz sein. Aber es muss sich zeigen, inwieweit es monetär motiviert ist oder auch der Überzeugung heraus“, sagt Leslie Clostermann, die mit ins Hofgeschäft eingestiegen ist. Ihr ist wichtig, dass der Neuhollandshof immer auch ein Begegnungsort bleibt: „Jeder ist hier eingeladen, sich frei durch die Plantagen zu bewegen“ – und Fragen zu stellen, wie: „Sie spritzen ja. Ich denke es ist hier alles Bio?“ Dann erklärt Leslie Clostermann: „Ja, ist es auch. Wir spritzen aber keine chemischen, sondern ausschließlich natürliche Stoffe, wie Mineralien und Pflanzenexrakte.“
Im Sommer ist seit Jahren das Rosenfest auf dem Hof ein Anziehungspunkt. 4000 Rosenstöcke blühen dann in den Plantagen. Eine Idee, die Rolf Clostermann aus Frankreich mit an den Niederrhein gebracht hat. Dort hatte ein Obstbauer jede Baumreihe mit einem Rosenstock begonnen und beendet, „das fand ich schön.“
Kritisch blicken die Clostermanns auf die Kommerzialisierung der Biovermarktung. Die Gefahr für die Biobauern- und Produzenten sei es hierbei aber, dass zu schnell, zu viel Bio auf den Markt kommt. Das drücke die Preise und dies gehe zu Lasten aller Bioproduzenten. Die Frage bleibe: Was ist der echte Preis, den Bio-Landwirte nehmen müssen, um wirtschaftlich zu bleiben. „Bio ist einfach teurer in der Herstellung. Bio darf sich nicht verwässern“, sagt Leslie Clostermann.
Rolf Clostermann drückt es mit einem Zitat des englischen Philosophen John Ruskin (1819-1900) aus:
„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte. Und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Es ist unklug zu viel zu bezahlen, aber es ist genauso unklug zu wenig zu bezahlen (...) Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Das funktioniert nicht. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das eingegangene Risiko etwas hinzurechnen. Wenn Sie das aber tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“