An Rhein und Ruhr. Im Wolfsgebiet Schermbeck ist es derzeit ruhig um Wölfin Gloria. Was die Herdenschutz-Förderung bewirkt und warum weniger Schafe gehalten werden.

Die Aufregung im Wolfsgebiet Schermbeck war im vergangenen Herbst groß: Das Rudel um Wölfin Gloria war nicht nur für 18 Schafsrisse über das Jahr verteilt verantwortlich. Innerhalb von drei Monaten gingen auch fünf getötete Ponys auf das Konto des Rudels. Das Landesumweltministerium handelte und weitete zum 1. Januar den Herdenschutz für das Wolfsgebiet auch auf Ponys aus. Seitdem sind bei der zuständigen Landwirtschaftskammer NRW sieben Anträge von Pferdebesitzern eingegangen, sechs wurden bislang bewilligt, wie die Kammer auf NRZ-Anfrage erklärt. Die Fördersumme beträgt für diese Fälle insgesamt 64.334,18 Euro. Von Weidetierhaltern sind bisher 30 Anträge eingegangen, von denen 16 bewilligt wurde. Die Fördersumme beträgt hier insgesamt 59.772,71 Euro. Hinzu kamen bislang drei genehmigte Anträge auf Entschädigungen nach tödlichen Rissen, für die insgesamt 3.260,45 Euro ausgezahlt wurden.

Grundsätzlich werde die Herdenschutzberatung „gut angenommen“, sagt Lea-Kathrin Piepel, Sprecherin der Landwirtschaftskammer. 200 Vor-Ort-Termine haben die Herdenschutzberater bereits in diesem Jahr durchgeführt, davon 100 alleine im Streifgebiet des Schermbecker Wolfsrudels. Über die Herdenschutzhotline wurden 2022 mehr als 400 Anfragen beantwortet. Die Anfragen kommen hauptsächlich aus den Wolfsgebieten und den umliegenden Pufferzonen, aber auch von Tierhaltern außerhalb dieser Gebiete.

Durchziehender Wolf sorgt für Aufregung im Kreis Kleve

Nachdem im vergangenen Jahr von den insgesamt 41 Übergriffen von Wölfen auf Haus- und Nutztiere in NRW 18 Risse dem Schermbecker Rudel zugeschrieben werden konnte, gibt es bislang in diesem Jahr landesweit 24 Vorfälle, davon geht einer auf das Konto von Wölfin Gloria und ihrem Partner. Im Januar hatten beide auf einer Weide in Hünxe-Buchholtwelmen zwei Schafe gerissen. Ansonsten blieb es bislang im Wolfsgebiet Schermbeck ruhig.

Dafür war die Aufregung unter Schaftierhalter und Pferdebesitzer im Kreis Kleve umso größer. Anfang des Jahres zog ein Wolf durchs Gebiet, riss erst in Bedburg-Hau vier, ein paar Wochen später in Kalkar drei Lämmer und in Xanten ein Schaf, bevor er in Krefeld auftauchte und dort insgesamt fünf Schafe riss. Mittlerweile ist er in der Städteregion Aachen unterwegs, dort im April auffällig geworden, als er ein Kalb riss.

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Vor wenigen Wochen demonstrierten Landwirte in der Klever Innenstadt für einen besseren Herdenschutzes in den Kreis Kleve hinein. Ein Kritikpunkt auf der Demo: Die Förderung der Präventionsmaßnahmen griffen zu spät: Wenn nicht mindestens drei Tiere in der Umgebung gerissen würden, gebe es keine Zuschüsse. Fest angesiedelt hat sich aber bislang nachweislich kein Wolf im Kreis Kleve, das nicht so viel Waldfläche bietet, wie der Kreis Wesel.

Hier ist auffällig, dass die Schafstierhaltung zurückgeht: Seit dem Niederlassen des Wolfsrudels im Schermbecker Gebiet werden nach Angaben des Kreis Wesel 2000 Tiere weniger gehalten. Auch die Besitzer der Schermbecker Alpaka-Ranch geben auf und wollen im kommenden Jahr nach Ungarn auswandern. Zwar wurde noch keines der Alpakas von Gloria oder ihren Artgenossen gerissen, jedoch ist die Sorge bei der Familie Lorei, die die Ranch betreibt groß. Wolfssichere Ställe dürften sie auf ihre Weiden nicht bauen und die Vorgaben für die Umzäunungen reichen ihrer Ansicht nach nicht. „Wir haben ja als Alpakazüchter schon das Privileg auf 1,60 Meter zu bauen“, beschreibt Simone Lorei, doch das reicht durch verschiedene Bodenhöhen eben nicht überall aus.

Aktuell gibt es knapp über 400 Schaf- und 200 Ziegenhaltungen in unterschiedlicher Größe von einzelnen Tieren bis zu Herden mit 1000 Tieren. Der Wolf sei aber nicht der einzige Grund für die rückläufigen Zahlen. Vielmehr plagen die Schäfer seit Jahren Nachwuchssorgen. Bundesweit gibt es zurzeit nur 14 Lehrlinge bei 900 Berufsschäfern, weiß Maik Dünow, Vorsitzender der Schafhalter im Kreis Wesel. Das Durchschnittsalter liege bei 65 Jahren. Und immer mehr würden aufgeben.

Vier Welpen im Wolfsgebiet Schermbeck

Dünow ist 47 Jahre alt und fordert von der Politik eine klare Linie, die es noch nicht gebe. Man wolle den Wolf nicht abschießen, aber für den Schutz auch nicht zahlen, kritisiert der Schäfer die Landespolitik. Dies könne auf Dauer so nicht gehen. Schließlich erfüllten Schäfer mit ihren Herden eine Schutzfunktion für Natur, Deiche und Hochwasser, wenn sie beispielsweise die durch Wühlmäuse gelockerten Deiche wieder festtreten.

Maik Dünow selbst hat mittlerweile 20 Pyrenäenberghunde. Die ersten hatte er mit Unterstützung des Landes angeschafft, die anderen selbst gezüchtet. Schließlich sei das Wolfsgebiet Schermbeck fast 1000 Quadratmeter groß, in dem erst Ende im Mai ein weiteres männliches Jungtier nachgewiesen werden konnte. Damit sind nun vier Welpen (drei Jungen und ein Weibchen) von Wölfin Gloria und ihrem Partner individualisiert.

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Da Jungwölfe zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten das Gebiet ihrer Eltern verlassen, ist die aktuelle Größe des Rudels im Schermbecker Gebiet nicht bekannt. Wölfe verlassen bis spätestens dem Ende des zweiten Lebensjahres das elterliche Rudel, was mitunter eine Erklärung dafür ist, dass es dann auch häufiger zu Schafsrissen kommt. Aber nicht unbedingt in den Sommermonaten. Momentan sei es „wie jedes Jahr um diese Zeit ruhiger“, erklärt Birgit Kaiser de Garcia, Pressesprecherin des Lanuvs. Vielmehr beobachte man im Frühjahr verstärkt, dass sich mehr Wölfe auf den Weg machen und die Gebiete durchstreifen. -