Düsseldorf. Wenn es um das Gebäude der Zukunft geht, hat das Holzhybridhaus beste Karten. Architekten und Wohnungsbauer entwerfen die Gebäude der Zukunft

Wer beim Anblick eines Hauses nur ein Gebäude sieht, hat den Blick des letzten Jahrtausends. Die Gebäude von morgen sind mehr als nur eine Hülle fürs Leben und Arbeiten, sie sind auch Rohstofflager und – tatsächlich – Klimaverbesserer. Wer es nicht glaubt, kann Antonino Vultaggio fragen vom Architekturbüro HPP in Düsseldorf. Am Medienhafen, wo die Architektur seit drei Jahrzehnten gebaute Zukünfte nebeneinander türmen, entsteht jetzt „The Cradle“ – zu Deutsch: Die Wiege.

Das Gebäude hatte seinen erste Preis, bevor überhaupt nur der Grundstein gelegt wurde, so innovativ soll werden, was hier in Beton in die Höhe gewachsen ist. Denn um die beiden Betontürme, die da auf einem merkwürdig wabenförmigen Sockel stehen, kommt - äh - Holz. „Holzhybridbauweise“ heißt derlei und baut zusammen, was nach Meinung der Baumeister von heute für die Gebäude der Zukunft zusammengehört: Beton so wenig wie möglich – in diesem Falle zudem Recyclingbeton, bei dem zumindest 25 Prozent des Stoffs aus zermahlenem Altbeton bestehen. Und dies auch nur da wo Kontakt mit Wasser und Erde droht oder Treppenhäuser und Fahrstühle hinmüssen. Der Rest wird zusammengesteckt und geleimt aus Holz. Denn was nur gesteckt ist, lässt sich notfalls wie bei Lego auch wieder auseinandernehmen.

„Wir wollen im Betrieb klimapositiv werden“

Drinnen, so die Planer, werden grüne Wände für Sauerstoff und Raumklima sorgen. Die V-förmigen Elemente halten im Süden und Westen zu viel Sonne draußen, im Norden und Osten sind die V-Formationen schmal und lassen so viel Licht und Luft hinein wie möglich. Die Energie fürs Heizen und Lüften soll im Haus selbst entstehen. „Wir wollen im Betrieb klimapositiv werden, um den Fußabdruck bei der Erstellung zu kompensieren“, so das hehre Ziel von Antonino Vultaggio.

Am Medienhafen entsteht eine Holzhybridhaus als Bürogebäude. Noch steht nur der Beton, die Holzbauteile werden drumherum gesteckt, fast wie Lego. In einem Jahr soll’s fertig sein. .
Am Medienhafen entsteht eine Holzhybridhaus als Bürogebäude. Noch steht nur der Beton, die Holzbauteile werden drumherum gesteckt, fast wie Lego. In einem Jahr soll’s fertig sein. . © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Damit noch nicht genug: Das ganze Gebäude – daher der Name – wird „cradle to cradle“ gedacht: Von der Wiege, nein nicht zur Bahre, sondern zur nächsten Wiege: Ein spezielles Datenprogramm erfasst jeden Baustoff, der ins Gebäude kommt, seine Herkunft, seine physikalischen Eigenschaften und vieles mehr. Ein Gebäude wie „The Cradle“ soll gleichzeitig gewissermaßen Baumarktregal der Zukunft sein: Wer in der nächsten Generation in diesem Gebäude umbaut, wird wissen, welche Rohstoffe er entnehmen kann und hinterlegt, welche er einbringt.

„Bestehende Gebäude haben so etwas wie graue Energie“, sagt denn auch Christian Rose, Sprecher der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. „Mittlerweile sprechen wir lieber sogar von goldener Energie.“ Denn in jedem Gebäude ist sehr klimaintensiv Beton verbaut, sind unverbrannte Holzbalken, gebrannte Ziegel und vieles mehr: Gebundenes CO2, das beim Abriss freigesetzt wird. Wenn an gleicher Stelle energiereich ein Neubau hochgezogen wird, ist das für die Klimabilanz eine zweite Abrissbirne.

Kein Wunder, dass die Architektenkammer seit Jahren für einen anderen Blick auf Gebäude wirbt und plädiert, statt über Abriss und Neubau an Erhalt, Sanierung und Schutz zu denken: „Jedes Gebäude transportiert auch die Energien und Lebensgeschichte der Menschen und ihrer Epoche“, so Rose und klingt fast wie Denkmalschützer.

Was für ein schickes Bürogebäude recht ist, soll für Mieter in Düsseldorf billig werden – im Wortsinne. Denn auch die Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft wird in die Holzhybridbauweise einsteigen – mit gleich zwei Wohnungsprojekten. Auch hier wird zunächst ein Betonkörper errichtet – für das Sockelgeschoss und die Treppenhäuser samt Aufzügen, der dann um vorgefertigte Holzelemente ergänzt wird. „Die Teile kommen vorgefertigt auf die Baustelle, das verkürzt die Bauzeit vor Ort“, erklärt Vorstandssprecher Heiko Leonard. Hat man schon bei Aufstockungen von Bestandswohnungen ausprobiert und damit den Mietern in den untern Wohnungen die Baustelle schneller, weniger feucht und laut gemacht.

Holz als Baustoff ist alles andere als brandgefährlich

Für Holz gilt zudem: Besseres Raumklima, gute Dämmeigenschaften und Holz sei zudem alles andere als brandgefährlich: Zum einen sind die Wände verputzt, zum anderen brenne Massivholz nicht sehr schnell – und selbst wenn, behalte eine Holzdecke länger ihre Tragkraft als eine Betondecke.

Hinzu kommt: Bezahlbar wird das neue Wohnen mit den sichtbaren Holzdecken auch. Für zwei Projekte hat die Wohnungsgenossenschaft ihre Pläne eingereicht: Das größte Holzhybridhaus in NRW in Düsseltal wird 146 Wohnungen umfassen, 45 Prozent davon sollen Sozialwohnungen sein, weitere 35 Prozent mit einem Mietpreispuffer versehen werden und bei den Wohnungen ohne Preisbindungen will man nach jetzigem Stand nicht über die Zwölf-Euro-Marke kommen. Und das, obwohl man hier in dem Projekt rund 50 Millionen Euro investiert. „Plus X“, sagt Leonard. Das X ist die Baukostensteigerung.

Erfahrungen mit einem der größten Passivhäuser in der Region

Bereits vor acht Jahren hat die Wohnungsgenossenschaft Düsseldorf von 1898 mit einem großen Passivhaus mit 58 Wohnungen für Aufsehen gesorgt. Nun ist es ihr dank des Holzhybridbaukonzepts gelungen, von der Stadt weitere Grundstücke zu bekommen. Denn die Ausschreibung hier berücksichtigte nicht nur den Preis, sondern auch die Innovationskraft des Bauvorhabens.

Das drückt sich beispielsweise darin aus, dass eine Kita aufs Gelände kommt und ein Teil der vergleichsweise wenigen Autostellplätze bekommt eine Ladebox fürs E-Auto. Dank der entsprechenden kommunalen Satzung kann die Wohnungsbaugenossenschaft die Zahl der Stellplätze reduzieren dank der guten Nahverkehrsanbindung und Plätze auch fürs Lastenrad. Weiterer nachhaltiger Punkt: Es wird Gemeinschaftsräume geben, die es erlauben, die eigene Wohnung knapper zu bemessen. Spart Miete und Heizenergie. Das Büro oder das Gästezimmer sind zubuchbar. Für Stunden oder Tage, so der Plan.

Bis es sowohl in Düsseltal wie auch bei einem zweiten Projekt in Urdenbach mit 66 neuen Wohnungen soweit ist, wird noch eine Menge Wasser den Rhein hinunter und an The Cradle vorbeifließen. Die Wohnungsgenossenschaft hofft, dass Mitte 2024 die Mieter einziehen können. Was sagt man da? Klopf auf Holz!