An Rhein und Ruhr. Ein gleichberechtigter Sprachgebrauch ist im Landesgleichstellungsgesetz geregelt. Doch: Wird er in Behörden umgesetzt? Und wenn ja: Wie?

Nur wenige Fragen werden so gegensätzlich und teils so radikal diskutiert wie die Frage, ob im Sprachgebrauch gegendert werden sollte oder nicht. Auch bei unserem Rollencheck sind die Befragten unterschiedlicher Meinung: 40,8 Prozent finden eine genderneutrale Sprache nicht so wichtig, für 11,2 Prozent ist sie sehr wichtig und für 16,9 Prozent der Befragten wichtig. Als die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover vor rund drei Jahren als eine der ersten Städte voranging und gendergerechte Sprache zur Norm machte, gab es daran viel Kritik. Doch ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigte den Kurs Hannovers zuletzt sogar. Aber wie hält es der öffentliche Dienst an Rhein und Ruhr mit der geschlechtergerechten Sprache? Hält er sich an die gesetzlichen Mindestanforderungen oder geht er darüber hinaus?

Bewusstsein in Lünen und Wesel

Das Landesgleichstellungsgesetz in NRW macht in Paragraf 4 lediglich folgende Vorgabe: „In der internen wie externen dienstlichen Kommunikation ist die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu beachten. In Vordrucken sind geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese nicht gefunden werden können, sind die weibliche und die männliche Sprachform zu verwenden.“

Die Stadt Lünen kündigte im vergangenen Frühjahr an, „in Zukunft in ihren Veröffentlichungen noch bewusster alle Menschen“ anzusprechen. Dazu sollen geschlechtsumfassende oder geschlechtsneutrale Formulierungen genutzt werden, hieß es in der Mitteilung damals. Doch ein Blick auf die Pressemitteilungen zeigt: Diese Regel findet noch nicht überall Anwendung.

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Bei einer Mitteilung für eine Lesung von Donna Leon heißt es nur „Kunden“, in einer anderen Ankündigung für einen Frühlingsbasar hingegen wird von „Besucher:innen“ gesprochen. „Das liegt hauptsächlich daran, dass wir vor allem im kulturellen Bereich auf vorgefertigte Texte zum Beispiel von Veranstaltenden zurückgreifen. Diese Texte sind nicht immer in gendergerechter Sprache verfasst, und leider haben wir auch nicht immer die Kapazitäten, alles umzuschreiben“, erläutert ein Sprecher der Stadt auf NRZ-Nachfrage.

Stellenausschreibung in Wesel: „Tontechniker*in (m/w/d)“ gesucht

Auch die Stadt Wesel hat einen Handlungsleitfaden veröffentlicht und appelliert an die Verwaltungsmitarbeitenden, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Entsprechend formuliert sind zum Beispiel die Stellenausschreibungen: Die Stadt ist auf der Suche nach einem/einer „Tontechniker*in (m/w/d)“ oder „Sachbearbeitung (m/w/d) Aufwandssteuern“.

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Die Heinrich Heine Universität (HHU) in Düsseldorf hat gerade erst eine knapp 40-seitige neue Handreichung, eine Empfehlung, herausgegeben. Auch hier gilt: Begriffe sollten möglichst neutralisiert werden – aus der Abbrecherquote wird somit die Abbruchquote. Ist das nicht möglich, kann das Sternchen genutzt werden.

Das Gendersternchen stammt aus der Computersprache

Das stammt ursprünglich aus der Programmiersprache, wo es als Platzhalter für beliebige Buchstabenkombinationen diente. Es deute mit seinen vielen Strahlen vielfältige Gestaltungsspielräume und Begriffsbestimmungen in Bezug auf die Geschlechtsidentität an, heißt es in dem Leitfaden. Aus Schülern werden also Schüler*innen, aus Patienten werden Patient*innen.

Das Fazit unserer Stichprobe: Viele öffentliche Verwaltungen achten bereits darauf, keinen Menschen durch die Sprache zu benachteiligen und geschlechterneutrale Formulierungen zu nutzen. Doch so lange es nur Handreichungen oder Leitfäden sind, ist den Mitarbeitenden selbst überlassen, ob sie gendern oder nicht. Das ist ein Grund für die unterschiedlichen Schreibweisen.