An Rhein und Ruhr. Vegan ist Trend und gut fürs Klima: Inzwischen gibt es rund 1,3 Millionen vegan lebende Menschen in Deutschland. Julian Strzyso ist einer davon.

Für Julian Strzyso dauert der Einkaufsbummel seit Anfang des Jahres ungefähr doppelt so lang. Und nur seinen jungen Augen ist es zu verdanken, dass er nicht mit Lesebrille durch den Rewe-Markt um die Ecke geht. Denn: Julian Strzyso liest Zutatenlisten. Seit Jahresanfang hat er sich vorgenommen vegan zu leben. Nicht nur den immer beliebtere „Veganuar“ zu machen, in dem Menschen freiwillig den ersten Monat des Jahres lang vegan leben, sondern tatsächlich die gesamte Ernährung umzustellen, frei von allen tierischen Produkten.

„Es ist keine so ganz große Umgewöhnung, da ich ja schon seit vier Jahren Vegetarier bin“, sagt der 24-jährige Student. „Fleisch hat für mich in der Ernährung nie so eine große Rolle gespielt. Meine Mutter hat eher fleischarm gekocht.“ Doch während vegetarische Gerichte mittlerweile fast überall auf der Karte stehen, ist die Produktauswahl für Veganer schon in der Bäckerei knifflig: Mit der Wahl eines Käsebrötchens ist es nicht mehr getan. Selbst wenn sich auf einem Brötchen nur Salat findet: Ist es der Teig ohne Milch und tierische Fette?

Zwei Gründe waren für Julian Strzyso ausschlaggebend: „Zum einen der Gedanke an das Tierwohl – und zum anderen auch der Gedanke, dass ein veganer Lebensstil besser für das Klima ist.“

In den Supermärkten wachsen die Regale mit veganem Angebot

Die Statistiken stimmen dem zu: Ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen werden dem Nahrungsmittelsektor zugeschrieben – und da vor allem der Fleischproduktion sowie der Milchviehhaltung. Hierzulande verzehren wir im Schnitt rund 70 Kilo Fleisch pro Kopf und Jahr, davon die Hälfte Schweinefleisch (mit abnehmender Tendenz, dafür kommt mehr Rind und Geflügel auf den Tisch). Immerhin: Der Fleischkonsum geht seit Jahren zurück, mittlerweile schätzt man den Kreis der Veganer auf 1,3 Millionen Menschen, Tendenz: steil steigend.

Sichtbar ist das in fast jedem Supermarkt: Andreas Schyra, Marktleiter des Rewe-Marktes in Essen-Frohnhausen, in dessen Gängen Julian Strzyso am häufigsten die Zutatenliste liest, hat beim Umbau 2021 die Regalmeter für vegane Produkte deutlich ausgebaut. „Früher waren das Produkte für die Studenten mit langen Haaren und Sandalen, heute kaufen das viele Kunden“, hat er beobachtet.

In der Obst- und Gemüseabteilung hingegen ist der Einkauf einfach. Es sei denn, Obst ist mit Bienenwachs behandelt...
In der Obst- und Gemüseabteilung hingegen ist der Einkauf einfach. Es sei denn, Obst ist mit Bienenwachs behandelt... © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Firmen, die Fleischersatzprodukte anbieten, füllen Kühlregale, alle bekannte Wursthersteller mittlerweile auch vegane Varianten Julian Strzysos Geschmack treffen sie dabei nicht immer: „Das sind oft eher teure Produkte mit vielen Zusatzstoffen, die ich auch nicht immer unbedenklich finde.“

Da sei es viel spannender zu schauen, wie man kreativ vegan kocht statt nur das Hähnchenschnitzel durch ein ähnliches veganes Objekt ersetzen. Zumal Produkte, hochverarbeitet mit Soja aus fragwürdigem Anbau womöglich eine schlechtere Klimabilanz haben als beispielsweise Wild oder Fleisch von Weiderindern aus der Region.

Statt „simuliertem Fleisch“ lieber ein anderes Menü

Statt „simuliertem Fleisch“ isst Julian Strzyso lieber etwas anderes: Letztens bei der Großmutter gab es für die Gäste Kartoffelsalat (die Mayo...) und Würstchen, für ihn jedoch einen schönen bunten Gemüseauflauf aus dem Backofen, der durchaus neidische Blicke auf sich zog. Vegan kann sexy sein.

Der Umstieg des 24-jährigen auf eine Ernährung ohne tierische Produkte bringt sein Umfeld zum Nachdenken. Großmutter überlegt, wie Kuchen zu backen ist. (Backtipp: Muffins sind am einfachsten, da hier keine Eier und pflanzliches Fett verarbeitet werden), die Eltern probieren Sojaprodukte und Spargelburgerpattys. So weit, so einfach.

Kniffliger wird veganes Leben bei – Obacht! – Wein und Waschmittel. Wein wird oft mit tierischer Gelatine geklärt, in Wasch- und Spülmittel verbergen sich bei vielen Herstellern hinter den „anionischen Tensiden“ tierische Fette aus Schlachtabfällen. Wer das weiß, mag keinen Weichspüler mehr riechen.

In Julians Dreier-Wohngemeinschaft ist er der einzige Veganer. Seine Hafermilch steht friedlich neben der gewohnten Vollmilch im Kühlschrank. Ernährung war bislang hier noch nicht das große Thema. Julian wird seine vegane Ernährung weiter fortsetzen, lässt sich jetzt von seiner Hausärztin durchchecken, um zu gucken, ob er bei einigen Eiweißen und Vitaminen womöglich ins Defizit rutscht und Ergänzungsmittel nehmen muss.

Das sind die Tücken der veganen Ernährung, die jedoch, was die persönliche Reduktion von CO-Emissionen angeht, als die einfachste und schnellste Möglichkeit gilt, den persönlichen Fußabdruck zu reduzieren - neben der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Bis zu 40 Prozent CO-ärmer ist vegane Ernährung. Was allerdings nicht hilft: Sich durchhungern, bis es endlich Fleisch aus Laborzüchtung gibt. Dafür ist – Stand jetzt – der Energieaufwand so hoch, dass es sogar als weit klimaschädlicher gilt als konventionelles Fleisch.

Evangelische Kirchen in NRW rufen zum „Klimafasten“ auf

„Die Fastenzeit lädt dazu ein, Gewohnheiten zu hinterfragen, achtsam mit uns und unserem Umfeld umzugehen und alltägliche Dinge anders zu machen. Klimafasten geht dieser Tradition nach und ruft dazu auf, mit kleinen Schritten einen Anfang für mehr Klimagerechtigkeit zu entdecken“, heißt es in einem Aufruf zahlreicher evangelischer Landeskirchen und einiger katholischer Bistümer sowie der Hilfsorganisationen „Misereor“ und „Brot für die Welt“ zur diesjährigen Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern (2.3-17.4).

Unter „klimafasten.de“ gibt es Impulse und Hinweise zur Aktion. Dort kann auch eine Broschüre abgerufen oder bestellt werden: