Mönchengladbach. Heute servieren uns Ernährungsexperten der Hochschule Niederrhein ein klimaschonendes Überrschungsmenü. Mit Infos satt und Fleisch in Maßen.
Das erste und letzte, was in den Abfall kommt, sind die vorbereiteten Fragen. Ob der Bioapfel aus Neuseeland besser ist als der ein halbes Jahr im Kühlhaus gelagerte aus dem Alten Land? Wie groß der Preisunterschied und die CO2-Ersparnis ist, wenn ich statt 60 Scheiben Aldi-Wurst die gute aus der Biometzgerei kaufe. „Bio heißt nicht zwingend, dass ein Lebensmittel klimafreundlicher oder gar klimaneutral ist“, sagt Prof. Christof Menzel von der Hochschule Niederrhein.
Dort, am Fachbereich Oecotrophologie (Ernährungs- und Haushaltswissenschaft) forscht der Mathematiker unter anderem zur Klimabilanz im Lebensmittelbereich. Ebenso seine Fachkollegin, Professorin für angewandte Ernährungswissenschaft, Christel Rademacher.
Verabredet hatten wir uns auf einem Wochenmarkt, im festen Glauben: Wer regional und bio kauft, ist ganz weit vorn. Tröstlich ist: Wer hier einkauft, am prachtvoll aufgebauten Stand von Gemüsebauer Patrick Roosen aus Brüggen, macht zumindest nicht viel falsch.
„Vor allem ist es wichtig, dass man selbst ein wenig kochen kann“, sagt Frau Prof. Rademacher. Denn hier, wo Grünkohl, Spitzkohl und Blumenkohl neben heimischen Kartoffeln liegen, dazu ein buntes Sortiment diverser Früchte vom Apfel bis zur Biozitrone leuchtet und die Eier aus eigener Herstellung kommen, gibt es keine Fertiggerichte.
Wer hier fürs Mittagessen einkauft, muss wissen, wie Rohprodukte zuzubereiten sind. „Grundsätzlich ist es so, dass hochverarbeitete Lebensmittel meist problematischer sind“, sagt Rademacher. Leider gilt das auch für viele Produkte für Veganer – „auch, wenn es sehr zu begrüßen ist, dass da oft Bohnen, Erbsen und Linsen verarbeitet sind“, sagt sie. Das seien meist heimische und eher weniger anspruchsvolle Ackerpflanzen.
Bei manchen Produkten indes kommen ihr Zweifel an Sinnhaftigkeit. „In Mandelmilch ist sehr wenig Mandel. Stattdessen wird da viel Wasser, oft auch Zucker, durch die Gegend gefahren.“ Ihre Schlussfolgerung: Wer Mandeln will, soll Mandeln essen. Haferflocken könne man daheim einweichen, statt Hafermilch zu kaufen. Kaffee dann doch mit Kuhmilch? „Trinken Sie ihn schwarz“, empfiehlt Prof. Rademacher. Ihr Fachkollege sagt: „Besser Sie trinken gut gelaunt Ihren Kaffee mit Milch und machen sich stattdessen entspannt Gedanken, wie Sie Ihr Haus besser isolieren. Das spart hundertmal mehr CO2.“ Machen wir! Aber erst im März.
Zurück an den Herd. Erste und wichtigste Regel, sagt Menzel: „Werfen Sie nichts weg!“ Lebensmittelverschwendung ist der größte Klimakiller. Also ist das Wichtigste nicht, ob man auf dem Markt am Biostand oder im Discounter kauft: Wichtig ist, dass man den Teller leer isst. Oder aus dem Rest Kartoffelpüree Poffertjes macht. Und aus den Gemüseresten und dem Speckrest noch einen Suppe kochen kann. Deswegen hat jede Küche ihr Restegericht. Hip, wenn es an Urlaub erinnert – wie Pizza und Paella und oft gering geschätzt, wenn es wie hierzulande, Eintopf heißt.
Bananen per Schiff sind okay – und die Pad-Kaffeemaschine auch
Zweite Regel: Energiesparen. Heißt: Heißwasserkocher statt Kessel. Energiesparende Kühl- und Gefrierschränke, nur so groß wie nötig. Und Warmmachen eher in der Mikrowelle statt auf dem Herd, der möglichst ein Induktionsherd sein sollte. Wo wir gerade beim Gerätepark sind: Die Kaffeemaschine ist auch ein Klimasünder. Weil meist zu viel Kaffee mit zu viel Pulver gekocht und weggekippt wird, nachdem er zuvor sich auf der Warmhalteplatte über Stunden Richtung Straßenteer verdichtet hat. Also: Die Pad-Maschine ist der Favorit. Vor der sonst angeprangerten Kapselmaschine. „Auch, wenn die Verwendung von Aluminium problematisch ist: Hier wie beim Pad wird weniger Kaffeepulver verwendet, nur die gewünschte Menge Kaffee produziert.“ Und was ist mit meinem Vollautomaten, der ohne Kapsel und Pad portionsgenau Kaffee macht? „Haben wir leider nicht mituntersucht“, bedauert Menzel.
Vorm Kochen steht der Einkauf. Und wer den nicht zu Fuß oder mit dem Rad erledigt, sollte Großeinkäufe tätigen. Mit Liste und Last. Vorratshaltung, clever und mit Verfallsdaten im Blick ist die Devise. Wer mit dem Auto zehn Kilometer zum Einkaufen fährt, verteilt so viel CO2 wie bei der Erzeugung von 500 dieser kleinen fisseligen Plastiktüten der Obsttheke frei wird.
Mit anderen Worten: Der Verzicht auf Plastiktüten mag ein ästhetischer Gewinn sein, in der Klimabilanz fällt er (fast) nicht ins Gewicht. Eine Autofahrt zum Biohof macht diesen Bilanzgewinn zunichte.
Fleisch und Klimaschutz: Was wir von den Bremer Stadtmusikanten lernen können
Von der Obsttheke rüber zur Fleischtheke. Worauf gilt es da zu achten? Nun, es gibt so etwas wie die Bremer Stadtmusikanten des Klimaschutzes, die wir nur ein wenig umbesetzen müssen.: Unten im Klimaquartett steht das Rind, drüber das Schwein, noch weiter drüber Lamm und ganz oben das Huhn: So sieht in etwa die Klimabilanz der Tiere aus. Grundsätzlich gilt: Je weniger Weidefläche und Zusatzfutter, desto klimafreundlicher. Wild ist gut – und das Huhn, das im Garten vom Küchenabfall satt wird. Womit zum Comeback von Stallhase und Bergmannsziege zu raten wäre.
Wichtig zudem: Wenn schon Fleisch, dann das ganze Tier. Eisbein, Leberwurst, Blutwurst, Corned Beef. Getreu der Klimaregel Nummer 1: Nichts verschwenden
Wer weiter was fürs Klima tun will, sollte regional und saisonal einkaufen: Spargel aus Peru zur Winterzeit? Eher nicht. Bei Patrick Roosen steht bei allen Obst- und Gemüsesorten dabei, woher sie kommen. Von Familie Goetze nebenan, aber auch aus Frankreich, Italien Spanien oder – wie die Bananen, aus Übersee. Darf man die essen? „Aber sicher“, sagt Prof. Menzel. „Bei Obst, das wie die Bananen, mit dem Schiff transportiert wird, fällt der Transportweg in der Klimabilanz kaum ins Gewicht.“
Flugobst wie Mango oder Papaya sind da eher problematisch. Aber auch da winkt Menzel ab: „Zentrale Faktoren sind Produktion und Konsum, beziehungsweise Verschwendung. Alles dazwischen, Transport, Verpackung, Lagerung, fällt in der Klimabilanz weniger ins Gewicht.
Große Mengen kochen, viele Leute einladen. Oder einfrieren.
Was auch hilft: In großen Mengen kochen. Es spart Energie, wenn man direkt ein ganzes Blech Lasagne macht – oder zwei. Damit der Backofen auch ausgelastet ist. Das wiegt sogar Einfrieren und Auftauen sowie in der Mikrowelle - besser als der Backofen – erwärmen wieder auf. Alternative: mehr Leute an den Tisch holen, damit nichts überbleibt.
Na, ist es dann vielleicht klimamäßig besser, wenn ich ins Restaurant gehe, wo ökonomisch für viele gekocht und möglichst wenig verschwendet wird? „Interessante Frage“, sagt Christof. Menzel. „Da gibt es noch keine Vergleichsstudie zu.“ Na, bei dem Forschungsprojekt bieten wir gern unsere Teilnahme an.