An Rhein und Ruhr. Warum die Kinder die großen Verlierer der Corona-Pandemie sind, erklärt Gerhild Tobergte vom Kinderschutzbund Duisburg im Gespräch.

Über die Situation der Kinder nach zwei Pandemiejahren sprachen wir im Rahmen unseres großen NRW-Checks mit der Leiterin des Kinderschutzbundes in Duisburg, Gerhild Tobergte in einem kurzen Interview.

Frau Tobergte, der Duisburger Kinderschutzbund arbeitet in verschiedenen Projekten mit Kindern aus sozial schwachen und Flüchtlingsfamilien. Hat die Pandemie die Kinder verändert?

Ja. Wir merken, dass die Kinder egoistischer, weniger kompromissbereit, sehr auf sich bezogen sind. Sie haben ein unheimliches Rede- und Bewegungsbedürfnis auf der einen Seite. Andererseits sind viele Schüler bequemer geworden, viele waren sich zu viel selbst überlassen. Es ist natürlich auch unterschiedlich, wie die Kinder die Pandemie verpacken. Viele Flüchtlingskinder, aber nicht nur sie, haben durch den fehlenden Präsenzunterricht die deutsche Sprache wieder verloren. Viele schwache Schüler noch mehr den schulischen Anschluss verloren. Nicht jedes Kind hatte daheim die digitale Ausstattung, die es gebraucht hätten, um dem Onlineunterricht folgen zu können. Und nicht jedes Kind hat die Unterstützung bekommen, die es gebraucht hätte.

Gerhild Tobergte ist Leiterin des Kinderschutzbundes in Duisburg. Foto: DANIEL ELKE / FUNKE Foto Services
Gerhild Tobergte ist Leiterin des Kinderschutzbundes in Duisburg. Foto: DANIEL ELKE / FUNKE Foto Services © Foto: DANIEL ELKE / FUNKE Foto Services

Was bedarf es Ihrer Meinung nach, um diesen Kindern zu helfen?

Es gibt keinen zielführenden pädagogischen Rundumschlag. Es bedarf viel stärker einer individuellen Förderung. Dazu müsste man einen viel höheren Personalschlüssel in den Schulen, aber auch in den sozialen Einrichtungen haben, die die Kinder fördern und ihnen persönliche Bezugspersonen geben. Wir werden die Folgen noch in Jahren spüren. Ich habe Angst, dass wir auf zu vielen Ebenen eine Generation verlieren.

Woran machen Sie diese Sorge fest?

Die Leistungsmöglichkeiten vieler Kinder sind gesunken, auch durch den Einfluss der Digitalisierung. Im Homeschooling waren viele Kinder auf sich selbst gestellt, Eltern teilweise überfordert, weil sie selbst ins Homeoffice mussten oder einfach nicht helfen konnten. Durch die Dominanz des Smartphones ist die Lernarbeit in der Perspektive vieler Kinder entwertet. Warum sollten sie lernen, wenn sie alles schnell nachschlagen können, die Rechtschreibung autokorrigiert wird. In der Schule kommt dann das Erwachen bei den Klausuren. Noch nie waren der Bildungshintergrund und die soziale Stabilität zu Hause so wichtig, wie in der Pandemie.

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Wie sollen Kinder, die bei zum Beispiel acht Lebensjahren zwei Jahre lang Gesellschaft als Umfeld voller Angst, Sorge, Unzufriedenheit, Unsicherheit, Protest erlebt haben, Gesellschaft als positives Lebensumfeld wahrnehmen? Der hohe Zuwachs an psychischen Erkrankungen und Suizidgefährdung ist ein alarmierendes Signal, das zeigt, dass den Kindern die nötige Fähigkeit fehlt, Extremsituationen durchzustehen.