An Rhein und Ruhr. Auch Apotheker, Zahn- und Tierärzte sollen bald gegen Corona impfen dürfen. Dem stehen jedoch noch Bürokratie und einige offene Fragen im Weg.

30 Millionen Menschen bis Jahresende gegen Corona impfen – das ist das Ziel der Bundesregierung. Neben den ausgelasteten Hausärzten sollen deshalb bald auch Apotheker, Zahn- und Tierärzte beim Impfen unterstützen. Noch in dieser Woche könnte ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden, nach zwei Wochen Vorlaufzeit zur Bestellung der Impfstoffe könnte es theoretisch losgehen. Abgeneigt stehen das ärztliche Fachpersonal und die Apotheken am Niederrhein der Entscheidung nicht gegenüber. Vorher müssen aber noch die Rahmenbedingungen geklärt werden.

Die Impfungen in den eigenen Praxen durchzuführen, sei für die Ärztinnen und Ärzte viel Mehraufwand, sagt Astrid Behr, Tierärztin und Sprecherin für den Bundesverband Praktizierender Tierärzte (BPT).

So sei nicht in allen Tierarztpraxen die räumliche Ausstattung für zusätzliche Impfungen gegeben. „Man kann schlecht rechts das Tier impfen und links den Menschen“, sagt Behr. Vor allem seit der Pandemie gäbe es mehr Haustiere und damit auch mehr Arbeit in den Praxen. „Außerdem muss geklärt werden, wie die Tierarztpraxen die Impfstoffe beziehen können und wie die Impfungen vergütet werden“, sagt Tierarzt Fabian Schleß aus der Kreisstelle Wesel in Sonsbeck.

Auch Zahnärztinnen und Zahnärzte stehen vor organisatorischen Fragen. In den Arztpraxen müssten erst Software-Tools und eine Anbindung an das Meldesystem sicher gestellt werden, bevor dort Impfungen stattfinden können.

Gesetzesänderung nötig

Gesetzlich dürfen bisher weder Zahn- noch Tierärzte gegen Corona impfen. Dafür ist erst eine Gesetzesänderung notwendig, die derzeit besprochen wird. „Impfungen beim Zahnarzt in der Praxis sind nicht ab sofort möglich. Wir bitten daher alle Patientinnen und Patienten, von Anrufen in der Zahnarztpraxis abzusehen. Die Information zum Start kommt rechtzeitig“, so Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer.

„Am einfachsten und schnellsten wäre es organisatorisch zu stemmen, wenn Tierärzte in Impfzentren oder mobilen Impfteams mitarbeiten würden“, sagt Schleß. Doch auch hierfür muss das Personal, ähnlich wie Apothekerinnen und Apotheker bei der Grippeimpfung, zuerst geschult werden. Die Musterkonzepte dafür werden noch bis Jahresende entwickelt.

Die Zahnärztekammer Nordrhein habe bereits vor einem Jahr ihre Hilfe bei den Impfkampagnen angeboten. „Wir begrüßen daher sehr, dass durch das geplante Gesetz nun endlich die rechtliche Grundlage geschaffen wird. Damit tragen wir dazu bei, dass insbesondere das Tempo bei den Booster-Impfungen erhöht wird“, sagt Susanne Paprotny von der Zahnärztekammer.

Auch der Bundesverband Praktizierender Tierärzte sieht sich in der Verantwortung. „Die Entscheidung, Tierärzte bei der Covid-Impfung einzubeziehen, halte ich für sehr sinnvoll, auch wenn sie schon viel früher hätte getroffen werden sollen“, findet Tierarzt Fabian Schleß aus der Kreisstelle Wesel in Sonsbeck. „Die Humanmediziner, insbesondere Hausärzte, sind überlastet und brauchen Unterstützung“, so BPT-Sprecherin Astrid Behr.

Apotheker fühlen sich ausgelastet

Überlastung ist auch ein Stichwort, bei dem sich die Apotheken angesprochen fühlen dürften. Denn über ihre Ladentheken wandern täglich nicht nur Tabletten, Hustensaft und Co, sondern auch viele Impfausweise. „In den Wintermonaten ist von Natur aus mehr los. Durch die massive Boosterkampagne haben wir aktuell auch viel mit der Digitalisierung zu tun“, weiß Nils Hagedorn, der die Apotheke Büderich betreibt und gleichzeitig als Sprecher der Apotheken in Wesel fungiert. Dazu betreiben viele Pharmazeutinnen und Pharmazeuten eigene Corona-Schnelltestzentren. „Die Auslastung ist bei uns eigentlich schon bei 110 Prozent.“

Darüber hinaus bald noch einen Beitrag zur Impfkampagne zu leisten, dazu seien die Weseler Apotheken trotzdem definitiv bereit: „Doch damit das in den Apotheken funktioniert, müssten wir zusätzliches Personal aneignen. Sonst wäre das gar nicht abzubilden.“ Offen ist laut Hagedorn zudem die Frage nach der Haftung. Aktuell sei die Gesetzeslage nämlich so, dass das medizinische Personal in Apotheken keine Patienten behandeln darf: „Ich habe zwar die passenden Medikamente in der Schublade, darf sie aber nicht anwenden, da ich kein Arzt bin.“ Sobald ein Patient, der nach dem Impfen zur Beobachtung in der Apotheke bleibt, starke Nebenwirkungen entwickelt, müsste also Stand jetzt ein Notarzt gerufen werden. Bei Impfungen durch Zahn- und Tierärzte ist die Haftungsfrage ebenfalls noch nicht geklärt.

Auch in den Apotheken in Moers und Duisburg nimmt Pressesprecher Peter Vogt unter seinen Kolleginnen und Kollegen eine große Bereitschaft zum Impfen wahr: „Jede Impfung zählt.“ Dass das Impfen in der Apotheke möglich sei, zeige ein gemeinsames Pilotprojekt von Apothekerverband Nordrhein und AOK. Dadurch seien bereits 2.000 Apotheker für Grippeschutzimpfungen geschult worden. Die Möglichkeiten seien also längst vorhanden.

Genau wie der Wunsch, beim Steigern der Impfquote zu helfen: „Ich hätte das definitiv früher schon gemacht – nicht erst in Welle vier.“ Mit der ersten Corona-Spritze in seiner Atrium-Apotheke in Duisburg-Hochheide rechnet Vogt angesichts vieler offener Fragen allerdings erst im kommenden Jahr: „Zur Not könnten wir noch vor Weihnachten impfen. Ich glaube zwar nicht, dass es so kommt, aber wir könnten.“