An Rhein und Ruhr. Die Impfbereitschaft gegen Grippe ist in Deutschland weiterhin gering. Nun sollen rund 500 Apotheken mitimpfen. Hausärzte sehen das kritisch.

Wer in der Apotheke ein Rezept einlöst oder Medikamente kauft, kann sich ab heute auch gleich gegen die Grippe impfen lassen. Denn das Modellprojekt zur Grippeimpfung in Apotheken aus dem letzten Jahr wird an Rhein und Ruhr ausgeweitet. Die Kassenärztliche Vereinigung kritisiert das.

2020 machten 125 nordrheinische Apotheken bei der Aktion mit. Dieses Jahr werden es über 500 sein. Das entspricht etwa 1000 Apothekerinnen und Apothekern, die kostenlos und ohne zwingende Terminvereinbarung impfen.

Kleine Impfbereitschaft in Deutschland

„Seit Jahren ist die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich gegen die Grippe impfen zu lassen, sehr gering. Die Gesundheitspolitiker beklagen das schon lange“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Im letzten Jahr waren nur 35 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ab 60 Jahren gegen die Grippe geimpft.

Zusammen mit der AOK Rheinland/ Hamburg organisierte der Verband 2020 das Projekt, um die Impfbereitschaft in Deutschland zu erhöhen – laut dem Verband mit Erfolg. „Die Auswertungen belegen, dass sich 30 Prozent der in den Apotheken Geimpften sonst nicht hätten impfen lassen“, so Preis. 2020 wurden in den Modellregionen Düsseldorf, Essen, Bonn-Rhein-Sieg und Duisburg 400 Grippeimpfungen durchgeführt.

Der Vorteil der Apotheken sei neben der heilberuflichen Expertise auch die gute Erreichbarkeit mit langen Öffnungszeiten. „Die Aktion zeigt: Apotheken sind eine Chance, Menschen zu erreichen, die keinen Hausarzt haben“, so eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg. Das Angebot richtet sich an gesetzlich Versicherte.

Kritik von Seiten der Hausarztpraxen

Die kassenärztliche Vereinigung sieht das kritisch. „Aus unserer Sicht ist das Impfen eine originär ärztliche Aufgabe, bei der Kenntnisse über den Gesamt-Gesundheitszustand des Patienten wichtig sind“, heißt es in einer Stellungnahme. Bei plötzlichen Impfreaktionen könne es entscheidend sein, medizinische Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Für den Vorstandsvorsitzenden Frank Bergmann sei es außerdem unverständlich, dass Apotheken zwar impfen, Arztpraxen aber keine Medikamente herausgeben dürfen – gerade in Bereitschaftspraxen, bei denen die nächste Notapotheke weit weg liegt.

Thomas Preis vom Apothekerverband sieht das anders: „Grippe-Impfungen sind wie viele andere Impfungen sehr sicher und deshalb gut dafür geeignet, auch in der Apotheke verimpft zu werden.“ Zudem müssen die Mitarbeitenden Fortbildungen absolvieren, um impfen zu dürfen. „Ein gemeinsames Impfangebot von Arztpraxen und Apotheken steigert nachweislich die Impfquote. Und eine hohe Impfquote ist der beste Schutz vor Infektionen“, ist sich Preis sicher.

Vergütung unterscheidet sich

Die geteilten Meinungen könnten nicht zuletzt an der Vergütung der Grippeimpfungen liegen: Hausarztpraxen erhalten circa acht Euro pro Impfung, Apothekerinnen und Apotheker dagegen erhalten einen Festpreis von 12,61 Euro pro Impfung. „Ein großer Unterschied ist, dass bei den Modellvorhaben in den Apotheken tatsächlich der Heilberufler impft, während in den Arztpraxen die Impfung auch durch das Assistenzpersonal durchgeführt werden kann. Auch das bildet sich im Honorar ab“, so der Vorsitzende des Apothekerverbands.

Andrea Wegener aus der Dom-Apotheke in Essen wird dieses Jahr schon zum zweiten Mal impfen. „Ich finde das auch richtig, Die Grippe ist eine lebensbedrohliche Krankheit, Menschen sterben daran“, sagt die Apothekerin. Schade fände sie nur, dass andere Krankenkassen, neben der AOK, nicht in dem Angebot integriert sind, genauso wie privat Versicherte.

Um zu impfen hat Wegener eine Fortbildung besucht, bei der sie an einem Modellarm die Impfung übte. Auch ein Beratungsraum wurde in der Apotheke eingerichtet. „Bei uns dauert es noch etwas länger als bei den Hausärzten, weil wir im Rahmen des Modellprojekts viel dokumentieren müssen“, so Wegener.

Nachfrage nach Grippeimpfungen in Coronazeit gestiegen

Ob in Zukunft auch andere Impfungen in den Apotheken durchgeführt werden sollen, könne allein der Gesetzgeber entscheiden. „Wer gegen Grippe impfen kann, kann auch gegen Corona und viele andere Erkrankungen impfen. Medizinisch gibt es da keinen großen Unterschied“, sagt Preis. In Dinslaken, Kreis Kleve und Wesel impfen jeweils vier Apotheken gegen Influenza. In Düsseldorf sind es 34. Duisburg kommt auf 21 Apotheken.

Im Coronajahr 2020 stieg die Nachfrage nach einer Grippeimpfung in Nordrhein an. 200.000 Personen mehr als im Vorjahr und damit 1,2 Millionen Menschen, ließen sich gegen Influenza impfen. Fachleute raten auch in diesem Jahr vor allem Vorerkrankten und ihren Angehörigen zu einer Impfung - egal ob in der Arztpraxis