Rhein und Ruhr. Das NRW-Gesundheitsministerium sagt: Es gibt eine Testpflicht für Klinikpersonal. Eindeutig sei diese aber nicht geregelt, sagen Klinikvertreter.

Geimpft, getestet, genesen: Für Besucher in Krankenhäusern gilt die 3G-Regel ohne Ausnahme, klar geregelt in der Coronaschutzverordnung des Landes NRW. Nicht so eindeutig sind die Regeln fürs Klinikpersonal. In Duisburg gab es jetzt in einem Krankenhaus Irritationen. Eine Besucherin wandte sich an die Öffentlichkeit, als sie hörte, dass sich in der Klinik ungeimpfte Mitarbeiter nicht testen lassen müssen. Eine Sprecherin der Klinik bestätigte dies. Die neue Coronaschutzverordnung, gültig seit dem 1. Oktober, schreibe dies nicht verbindlich vor. Auch ein Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW erklärt auf Nachfrage: „Für die Mitarbeiter in den Krankenhäusern besteht keine ausdrückliche Pflicht, die von den Kliniken angebotenen Tests anzunehmen.“

Das sieht das NRW-Gesundheitsministerium anders. „Die Krankenhäuser in NRW sind verpflichtet, bei ihren Mitarbeitern Tests durchzuführen. Die Teilnahme an den im Rahmen des Testkonzepts vorgesehenen Tests ist für das Krankenhauspersonal verpflichtend“, stellt Ministeriumssprecher Axel Birkenkämper klar. Dies ergebe sich aus § 10 Absatz 1 der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung.

„Impfen und Testen machen es möglich, mit der Pandemie zu leben“

Patienten und Klinikbesucher können sich scheinbar nicht sicher sein, dass die ungeimpften Beschäftigten getestet sind. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert deshalb klare Regeln und eine Ausweitung der Testpflicht in Kliniken und Pflegeeinrichtungen: „Impfen und Testen machen es möglich, mit der Pandemie zu leben. Doch eine tägliche Testpflicht fehlt. Diese muss es aber für die Mitarbeiter von Pflegeheimen und Kliniken ebenso für die Bewohner, Patienten und Besucher bundesweit geben“, sagt Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

Das Ministerium verweist darauf, dass die Kliniken ihre Testkonzepte dem örtlichen Gesundheitsamt vorlegen müssen. Die konkrete Ausgestaltung, wer sich von den Klinikmitarbeitern wann, wo und wie testen lassen muss, liege in der Verantwortung der Krankenhäuser, „weil die Anforderungen an das Testkonzept in den Versorgungsbereichen der Kliniken voneinander abweichen können“, so Birkenkämper. Dies sei eine andere Ausgangssituation als bei Pflegeeinrichtungen, wo die Coronaschutzverordnung zweimal in der Woche Tests verpflichtend aufführt.

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Sprachlos war die Besucherin der Helios St. Johannes Klinik in Duisburg, als sie ein Gespräch unter Mitarbeitern mitbekam. Sie wurde auf einen Impf- oder Testnachweis hin kontrolliert, könnte aber ungeimpften und ungetesteten Mitarbeitern begegnen? „Meine Kinder werden zweimal pro Woche in der Schule getestet, um am Unterricht teilnehmen zu dürfen. Und hier kümmern sich Mitarbeitende ohne Impfung und Test um Patienten, die zum Teil auch Risikogruppen angehören“, empört sie sich. „Wie kann das sein?“

Eine Helios-Sprecherin beantwortet die Anfrage dieser Zeitung und attackiert das Ministerium: „Wir sind doch sehr erstaunt über die Auslegung der Corona-Verordnungen durch das NRW-Gesundheitsministerium, das scheinbar seine eigenen Verordnungen nicht mehr überblickt.“ In NRW gebe es derzeit keine Landesregelung zu einer Testpflicht für Personal in Krankenhäusern. Vielmehr sei es das Ministerium selbst gewesen, das mit Änderungen der Coronaschutzverordnung eine Testverpflichtung für nichtimmunisierte Mitarbeiter in Krankenhäusern aufgehoben habe. Die Helios-Sprecherin: „Das heißt, das Ministerium hat den Krankenhäusern von einem auf den anderen Tag die Möglichkeit genommen, die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach zu regelmäßigen Tests zu verpflichten und die Verantwortung dafür stattdessen auf die Kliniken abgeschoben.“

Das Ministerium angeschrieben

Für eine hauseigene Testpflicht seien etliche Hürden zu nehmen, zum Beispiel Datenschutz, Impfstatusabfrage, Einbindung des Betriebsrates. All das erfolge derzeit. Voraussichtlich in der kommenden Woche soll eine Lösung gefunden sein, die „eine strenge Testpflicht vor allem in den vulnerablen Bereichen durchsetzbar macht“. Bereits Anfang Oktober habe Helios das Ministerium angeschrieben, auf die fehlende Testverpflichtung für nicht immunisierte Mitarbeiter in Krankenhäusern hingewiesen und einen dringenden Regelungsbedarf angemahnt, so die Kliniksprecherin auf Anfrage.

Doch nicht alle Kliniken legen die Coronaschutzverordnung des Landes so aus, wie die Helios Klinik.

Hausinterner Verhaltenskodex

In der Uniklinik Essen gilt die 3-G-Regel für die Beschäftigten. „Mitarbeitende sind entweder geimpft (90 Prozent), genesen (und geimpft) oder getestet“, erklärt Thorsten Schabelon, Leiter der Pressestelle des Uniklinikums. Die Coronaschutzverordnung des Landes lasse zwar einen Ermessensspielraum bei der Gestaltung der Testkonzepte zu. Die Uniklinik hat aber einen „hausinternen Verhaltenskodex, der in enger Absprache mit dem Personalrat verabschiedet wurde.“ Demnach werden Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene alle 48 Stunden getestet. Geimpfte und Genesene mit Symptomen können sich ebenfalls testen lassen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen könnten aber Kliniken, „wie auch andere Institutionen mit Blick auf Impfdurchbrüche nicht 100-prozentig sicherstellen, dass von Mitarbeitenden keine Infektionsgefahr ausgeht.“

Aus Sicht der Virologen und Infektiologen der Uniklinik gehe aber von ungeimpftem Personal, was nicht getestet würde, eine höhere Infektionsgefahr aus. Deshalb sei es aus Sicht des Uniklinikums sinnvoll „und notwendig, dass es eine politische oder gesetzliche Vorgabe gibt, die schwerkranken Patientinnen und Patienten möglichst großen Infektionsschutz bietet. Gerade in patientennahen Bereichen von Krankenhäusern halten wir das für alternativlos“, erklärt Thorsten Schabelon auf Nachfrage.

Dies sieht auch der Landschaftsverband Rheinland so. In seinen Kliniken und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen gelten grundsätzlich die aktuell gültigen Verordnungen des Landes, heißt: im LVR-Verbund HPH (Heilpädagogische Hilfen) gelten die Testpflicht, zweimal in der Woche, und in den Kliniken eigene Testkonzepte- und Angebote für das Personal. „Allen Mitarbeitenden stehen ausreichend Testangebote zur Verfügung“, so Natalie Bußenius. Mindestens 76 Prozent der Klinikmitarbeiter seien zudem geimpft. Diese Zahl berufe sich allerdings nur auf Impfungen, die in den LVR-Kliniken durchgeführt wurden, nicht eingerechnet sind die Zahl der Impfungen von Mitarbeitenden, die außerhalb der LVR-Kliniken erfolgten, zum Beispiel beim Hausarzt oder in Impfzentren.

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Auch im Evangelischen Klinikum Niederrheinmit Standorten in Duisburg und Dinslaken gibt es eine Testpflicht für ungeimpfte Mitarbeiter. „Die Kontrolle darüber, dass diese Vorgabe eingehalten wird, obliegt den jeweiligen Dienstvorgesetzten. Mit diesem Modell haben wir in den vergangenen Monaten problemlos gearbeitet und gute Ergebnisse erzielt“, erklärt Stefan Wlach von der Unternehmenskommunikation. Zweimal wöchentlich werden die Mitarbeiter getestet. Auch hier seien aber die meisten Mitarbeiter geimpft. „Am Ende unserer betriebsinternen Impfkampagne im Sommer lag der Anteil der vollständig immunisierten Mitarbeiter bei mehr als 80 Prozent. Da in der Zwischenzeit weitere Impfungen erfolgt sind, gehen wir davon aus, dass sich die Quote nochmals erhöht hat“, so Wlach. Wie hoch genau ergebe die Auswertung einer Erhebung, die noch nicht vorliegt.

2G-Regel kein Freifahrtsschein

Doch auch wenn ein hoher Anteil des Klinikpersonals bereits geimpft ist, so sei die Infektionsgefahr für Patienten und Besucher dennoch gegeben. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz gibt zu Bedenken: „So sinnvoll das Impfen auch ist, kann das Virus trotzdem zu einer Erkrankung führen und auch unbemerkt weitergegeben werden.“ Deshalb dürfe 2G in der Alten- und Krankenpflege „kein Freifahrtschein“ sein. „Es ist Zeit, dass sich Bund und Länder endlich ihrer Verantwortung stellen“, so Brysch. Es gelte, die verletzlichsten Menschen konsequent vor der unkontrollierten Ausbreitung des Virus zu schützen: „Dafür braucht es keine Isolation und keinen Lockdown.“

Bislang, so teilte das Gesundheitsministerium mit, gebe es keine Hinweise darauf, dass Krankenhäuser ihrer Test-Verantwortung nicht gerecht werden, indem sie zum Beispiel bei ungeimpften Mitarbeitern auf Tests verzichten. Sollte es – im Fall des Duisburger Krankenhauses – Hinweise auf Umsetzungsprobleme geben, gehe das Ministerium dem nach.