Kempen. Thomas a Kempis hat mit „Nachfolge Christi“ ein weltberühmtes Buch geschrieben. Eine Ausstellung zeigt, wie aktuell seine Arbeit heute noch ist.

Ein Gedankenspiel. Thomas a Kempis lebt im Hier und Jetzt. Er schreibt sein berühmtes Werk „Nachfolge Christi“ am Laptop, postet ein paar Sätze daraus auf Facebook oder Twitter: „Glaube nicht alles, was du googelst.“ Oder: „Konzentriere dich auf die wesentlichen Dinge im Leben.“ Zu dem ungewöhnlichen Experiment lädt die aktuelle Sonderausstellung „Thomas a Kempis zum 550. Todestag“ im Museum für Niederrheinische Sakralkunst in Kempen ein. „Jeder redet über den berühmtesten Sohn der Stadt“, so Kuratorin Doris Morawietz. Doch wer war er eigentlich? Und was hat er mit uns heute zu tun?

Eines steht schon beim Betreten des kleinen Ausstellungsraumes im Franziskanerkloster fest: Viel ist über den Mystiker nicht bekannt. Um 1380 wurde er in Kempen geboren, über 70 Jahre lebte er in der Abgeschiedenheit eines Klosters bei Zwolle. Dort schrieb er religiöse Schriften ab, die Bibel allein vier Mal. Irgendwann verfasste er selbst Grundsätze einer gottgefälligen Lebensführung für die Novizen. „Im Kloster war auch nicht immer alles eitel Sonnenschein“, hält Morawietz fest. Da gab’s Geschwätz, Gerüchte. Und einen Ausbilder, der sagte: „Vergeude deine Energie nicht mit dem Gerede über andere Leute!“

Thomas als Influencer

So zumindest die heutige Übersetzung. Bei Thomas a Kempis hieß es noch etwas ausschweifender: „Wir könnten viel Ruhe und Frieden haben, wenn wir uns Kopf und Herz nicht so sehr marterten mit dem, was andere reden und tun und was uns eigentlich gar nichts angeht.“ Weil das für heutige Ohren allerdings seltsam abstrakt klingt, hat Morawietz wichtige Passagen aus „Nachfolge Christi“ übersetzt. Ganz im Stil von „Thomas als Influencer“. Denn eines möchte sie betonen: Das am meisten verbreitete Buch nach der Bibel (so zumindest hieß es einst) ist noch immer „absolut aktuell“.

In der Sonderausstellung
In der Sonderausstellung "Thomas a Kempis zum 550. Todestag“ im Museum für Niederrheinische Sakralkunst in Kempen hängen Textpassagen aus „Nachfolge Christi“ mit Übersetzung in die heutige Alltagssprache. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Begegne dir selbst mit Achtsamkeit“, „Meditiere“ oder „Innehalten“ könnten auch Tipps aus einem aktuellen Lifestyle-Magazin sein. „Thomas ging es immer darum zu sagen: Finde die innere Ruhe in dir selbst“, erklärt Morawietz. Natürlich war er auch ein sehr frommer, religiöser Mann und führte die Gedanken auf einer anderen, gottgefälligen Ebene weiter. Doch das ist nicht der Schwerpunkt der Ausstellung, hier geht’s vor allem um den Bezug zur Gegenwart. Oder, um es mit einer der Übersetzungen zu sagen: „Lebe im Hier und Jetzt.“

Kunst im Grüngürtel der Stadt

Auch drei zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler haben sich mit Thomas a Kempis beschäftigt, um einen neuen, aktuellen Blick auf den „berühmtesten Sohn der Stadt“ zu ermöglichen. Lilo Grießmann beispielsweise hat eine kleine Plastik von Thomas mit Laptop geschaffen, hypothetische Internetadresse „www.thomas.de“ inklusive. Josef Lamozik dagegen hält bildliche Darstellungen von Thomas fotografisch fest, bastelt daraus beeindruckende Montagen. Und dann ist da noch Edith Stefelmanns, für deren Arbeit es nach draußen in den Grüngürtel der Stadt geht.

Edith Stefelmanns hat sich intensiv mit Thomas a Kempis und seiner „Nachfolge Christi“ beschäftigt. Ein Modell ihres überdimensionalen Kunstwerks steht in der Kempener Ausstellung.
Edith Stefelmanns hat sich intensiv mit Thomas a Kempis und seiner „Nachfolge Christi“ beschäftigt. Ein Modell ihres überdimensionalen Kunstwerks steht in der Kempener Ausstellung. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Vier überdimensionale Stelen ragen weit in die Luft, drei sind aus Stahl und eine aus Granit. Vier, weil „Nachfolge Christi“ aus vier Büchern besteht. Aber auch vier, weil sie so einen schützenden Innenraum bilden können. Einmal hereinspaziert, entfaltet sich erst die komplette Wirkkraft. Gewaltig, ohne zu bedrücken. Und natürlich sind auch vier Zitate aus „Nachfolge Christi“ auf der Granitstele eingraviert. Schnell noch ein Selfie machen? Nee, lieber den Moment genießen. Denn, so heißt es in einer der Übersetzungen: „Schalte dein Smartphone öfter aus.“

>>> „Thomas a Kempis“ im Museum

Die Sonderausstellung „Thomas a Kempis“ ist noch bis zum 2. Januar 2022 im Museum für Niederrheinische Sakralkunst im Kulturforum Franziskanerkloster, Burgstraße 19, in Kempen zu sehen.

Die Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr und donnerstags von 11 bis 18 Uhr. Erwachsene bezahlen zwei Euro, ermäßigt einen Euro. Weitere Informationen: www.kempen.de