Wesel. Das Förderprojekt „Korn b“ im Kreis Wesel hat ein großes Ziel: Schon bald soll es Brot und Bier aus regional angebautem Getreide geben.

Schon mal was vom Gelben Igel gehört? Oder von der Schwarzen Nacktgerste? Falls nicht, kann Landwirt Christian Dorsemagen aus Wesel den entscheidenden Tipp geben: „Das sind alles alte Getreidesorten.“ Erst vor wenigen Wochen hat der 52-Jährige die Ernte eingeholt, gerade noch rechtzeitig vor dem vielen Regen. „Da ist mir schon ein Stein vom Herzen gefallen“, erzählt er. Und so lagern nun insgesamt 30 Tonnen von Schwarzer Nacktgerste & Co. in großen Holzkisten, bis der nächste Verarbeitungsschritt ansteht: Mahlen fürs Brot, Mälzen fürs Bier.

Brot oder Bier aus regionalem Getreide, das soll es bald häufiger am Niederrhein geben. Zumindest lautet so das Ziel des EU-geförderten Projekts „Korn b“. Die Idee dazu hatten Monika Stallknecht vom Kreis Wesel und Thomas Michaelis von der Stadt Hamminkeln, die beide die regionale Landwirtschaft weiter fördern wollen. Im vergangenen Jahr haben sie das Projekt mit drei Landwirten, zwei Bäckern, zwei Brauern und der Hochschule Geisenheim gestartet. Seitdem mussten sie schon einiges an „Lehrgeld“ bezahlen, wie sie selbst sagen. Kein Wunder, denn die Pläne sind durchaus ambitioniert.

Bis zu 150 Jahre alte Getreidesorten

So bauen die Landwirte nicht nur Sorten an, die bis zu 150 Jahre alt sind, sondern die auch noch zum Sommergetreide zählen. Dazu muss Dorsemagen etwas weiter ausholen: „Wintergetreide wird schon im Oktober gesät, Sommergetreide erst im März und beides wird ab Juli geerntet.“ Beim ausschließlichen Anbau des Wintergetreides besteht jedoch die Gefahr der Auswaschung, bei der Nitrat ins Grundwasser gelangt. Ein echtes Problem in Wasserschutzzonen. Erweitern die Landwirte dagegen ihre Fruchtfolge um Sommergetreide, das von sich aus schon weniger Pflanzenschutz- und Düngemittel braucht, bleibt Zeit für den Anbau einer winterharten Zwischenfrucht. Und die kann eben jenes Nitrat aus dem Boden speichern.

Die Schwarze Nacktgerste ist eine alte Getreidesorte.
Die Schwarze Nacktgerste ist eine alte Getreidesorte. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das klingt doch nach dem perfekten Getreide? Schon, sagt Dorsemagen. Doch der Anbau und die Ernte gestalten sich etwas schwieriger. „Die Schwarze Nacktgerste war schwer zu dreschen“, erzählt er. Zum Glück steht in solchen Fällen Klaus Theobald von der Landwirtschaftskammer NRW bereit und kann die Landwirte beraten. Doch es gibt noch ein weiteres Problem: „Sommergetreide ist nicht so ertragreich wie Wintergetreide.“ Auf lange Sicht sind also die Verbraucherinnen und Verbraucher gefragt, die aus Wertschätzung für regionales Getreide bereit sein müssten, etwas mehr fürs Brot oder Bier zu zahlen.

Mälzanlage in altem Putenstall

Das würde aber natürlich nur passieren, wenn’s am Ende auch schmeckt. Damit das auch der Fall ist, arbeiten die Landwirte eng mit Hochschule sowie Bäckern und Brauern zusammen. Zwar hat das Team noch gut anderthalb Jahre Zeit, doch eines steht schon jetzt fest: „Die Vitaminzusammensetzungen, die Spurenelemente und die Geschmackskomponenten sind bei den alten Sorten jeweils eine andere“, erklärt Michaelis. Aus Sommerdinkel beispielsweise lassen sich „tolle Brote“ backen, fügt Stallknecht an. Und wie sieht’s mit Bier aus? „Da brauchen wir noch etwas mehr Zeit für die Entwicklung.“

Klaus Theobald von der Landwirtschaftskammer NRW, Landwirt Christian Dorsemagen aus Wesel, Monika Stallknecht vom Kreis Wesel und Thomas Michaelis von der Stadt Hamminkeln (v.l.n.r.) gehören zum Projektteam von „Korn b“.
Klaus Theobald von der Landwirtschaftskammer NRW, Landwirt Christian Dorsemagen aus Wesel, Monika Stallknecht vom Kreis Wesel und Thomas Michaelis von der Stadt Hamminkeln (v.l.n.r.) gehören zum Projektteam von „Korn b“. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Die ersten Mälzversuche waren eher „suboptimal“, so beschreibt es Michaelis. Grundlegendes Problem dabei: „Es gibt in NRW keine Mälzanlagen, die so geringe Mengen verarbeiten.“ Doch so ein Projekt ist ja gerade dafür da, Probleme zu erkennen – und zu lösen. Deshalb reift in Dorsemagen, der aktuell noch einen Putenmastbetrieb führt, gerade eine Idee heran, die seinen Betrieb in sechster Generation nachhaltig verändern könnte: „Der Putenmarkt ist schwierig geworden, deshalb sind wir auf der Suche nach einer alternativen Verwendung für die Putenställe.“

Regionale Echtheit und Reinheit

Eine eigene Mälzerei wäre eine denkbare Lösung. Denn Dorsemagen ist überzeugt vom Konzept: „So bleiben wir authentisch, weil wir regionale Echtheit und Reinheit garantieren können.“ Und auch einige Brauer hätten schon Interesse an regionalem Malz signalisiert, weiß Michaelis. Natürlich müsste sich Dorsemagen erst einmal in die neue Thematik einarbeiten, aber er kann sich schon jetzt gut vorstellen, auch mit 52 Jahren „nochmal die Schulbank zu drücken“. Und, das betont er zum Schluss auch: „Ich habe super Leute hinter mir, wieso sollten wir also kein vernünftiges Bier hinkriegen?“