Rhein und Ruhr. Die Gastro- und Hotelbranche in NRW klagt über Personalmangel, ausgelöst durch die Pandemie. Wie viele Stellen derzeit noch unbesetzt sind.

Zehn von 40 Aushilfen sind dem Essener Gastronom Stefan Romberg über die Corona-Zeit geblieben. Und er sucht nicht nur Aushilfen. Im Service würde er noch fünf Leute fest anstellen und in der Küche ist auch noch eine Stelle frei. Durch die erhöhte Belastung gehe das verbliebene Personal „auf dem Zahnfleisch.“ An einigen Tagen war die „Heimliche Liebe“, ein Ausflugslokal im Essener Süden, bereits eingeschränkt geöffnet. Wie ihm geht es derzeit vielen Chefs in der Gastronomie und auch im Hotelgewerbe. Personal wird händeringend gesucht. Und der bevorstehende Herbst macht es der Branche nicht leichter. Im Sommer hatten noch viele Schüler einen Nebenjob gesucht, viele Studierende haben sich bereits während der Pandemie nach anderen Verdienstmöglichkeiten umgeschaut.

Ein Blick in die Statistik zeigt: Corona hat schon im vergangenen Jahr der Branche Arbeitskräfte gekostet: Laut dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga NRW gab es Ende 2020 rund 328.000 Beschäftigte in der Branche, rund 80.000 weniger, als ein Jahr zuvor.

Über 2.500 offene Stellen als Koch sind unbesetzt in NRW

Doch auch nach den pandemiebedingten Lockdowns fehlen zahlreiche Fachkräfte. Das geht aus Zahlen der Agentur für Arbeit hervor. Wie beim Bundestrend hat sich die Zahl der offenen Stellen in der Gastronomie in Nordrhein-Westfalen seit April praktisch verdoppelt. Im August haben Gastwirte landesweit 2.901 offene Stellen gemeldet, im April waren es 1.280, die Hoteliers boten 842 Jobs an, im April waren es 414. Hinzu kommen in NRW noch 2.545 offene Stellen in der Speisenzubereitung, also Köche, im April waren es 1.291.

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Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitslosen in der Branche deutlich gesunken - binnen eines Jahres von 17.574 auf 14.293 in NRW im August 2021 in der Gastronomie und bei den Hotels verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen im gleichen Zeitraum in NRW von 7.821 auf 6.878.

Hotel- und Gastrobranche in NRW sucht noch Auszubildende

Besonders deutlich zeigt sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt: Knapp 2.209 betrieblichen Ausbildungsplätzen in Hotellerie und Gastronomie stehen in NRW nur 972 gegenüber. Auch in der Speisenzubereitung zeigt sich in NRW ein ähnliches Bild. Aktuell sind noch 215 Bewerberinnen unversorgt und 514 Stellen unbesetzt.

„Schon vor der Pandemie war die Situation im Gastgewerbe angespannt“, sagt Christoph Löhr, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in NRW. „Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in der Hotellerie und der Gastronomie standen vor allem häufig vor der Herausforderung, qualifizierte Fachkräfte zu finden“, sagt er. Die Agenturen für Arbeit boten schon vor der Pandemie den Hotel- und Gaststättenbetrieben eine geförderte Qualifizierung ungelernter Mitarbeiter gemacht. „Wir raten Betrieben im Gast- und Hotelgewerbe, dass sie, sollten sie noch in Kurzarbeit sein, diese für eine Weiterbildung ihres Personals nutzen“, so Löhr.

Mitarbeiter von Restaurants in Hiesfeld und Wesel absolvieren Doppelschichten

„Der Personalmangel legt sich über die ganze Branche“, sagt auch Jörg Templin, Hotelier aus dem Sauerland. In der Corona-Krise seien viele Kräfte weggegangen, weil es keine Arbeit gab. Jetzt kehrten sie nicht zurück. „In der schlimmsten Zeit hatten wir für 150 mögliche Gäste gerade mal sechs Kräfte inklusive Küchenpersonal, das war definitiv zu wenig“, klagt auch Melanie Oswald, Serviceleiterin im Haus Hiesfeld. Dessen Besitzer sind auch die Inhaber des Restaurant Art in Wesel. Hier hätten die Mitarbeiter vor allem auch wegen der vielen Hochzeiten, die dort im Sommer gefeiert wurden, Doppelschichten absolvieren müssen. „Anders hätten wir das gar nicht bewältigen können“, sagt Oswald.

Nicht alle haben aber die Pandemie überlebt, wie das italienische Restaurant „Giu“ am Ebertplatz in Oberhausen, dessen Inhaber Insolvenz anmelden musste. Dieser Fall schlägt sich in der Insolvenzstatistik des Landes nieder. Viele andere wohl nicht. Während es im ersten Halbjahr 2019 noch 369 Insolvenzverfahren in der Gastronomiebranche gab, sind es im ersten Halbjahr 2021 lediglich 244, wie das Land IT.NRW auf NRZ-Anfrage mitteilt. Bei der Betrachtung der Insolvenzdaten sei zu beachten, dass Betriebe gegebenenfalls auch ohne Insolvenzbeantragung aufgrund von Corona oder anderer Gegebenheiten geschlossen worden sind, sagt Sprecherin Claudia Kay.

Dehoga NRW hofft auf Weiterzahlung der staatlichen Hilfen

Die Insolvenzzahlen machten aber auch deutlich, „dass die staatliche Unterstützung plus die generierten Umsätze bis zum jetzigen Zeitpunkt geholfen haben, Insolvenzen im Gastrobereich gering zu halten“, meint Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes NRW. Er gibt jedoch auch zu bedenken: „Immer noch fürchten 23 Prozent der Betriebe nach der Pandemie nicht weiter bestehen zu können.“ Die staatlichen Hilfen seien nur bis Dezember 2021 zugesagt. Man brauche diese jedoch sicherlich noch bis ins neue Jahr hinein.

Für die Gastrobranche sei vor allem der kommende Herbst und Winter wichtig: „Wir hoffen, dass die Landesregierung keinen weiteren Lockdown beschließt, denn wir wollen weiter das sein, was wir sind: Gastgeber! Das funktioniert für uns mit der 3G-Regel sehr gut in NRW.“ Grundsätzlich bleibe die Branche ein guter Arbeitgeber „mit abwechslungsreichen und spannenden Tätigkeiten und guten Aufstiegschancen.“

Gewerkschaft führt Personalmangel auf schlechtes Image der Branche zurück

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Das sieht die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten differenzierter. Sie führt den Personalmangel auch auf das schlechte Image der Branche bei den Beschäftigten zurück. „Ursache sind niedrige Löhne, unbezahlte Überstunden, keine verlässlichen Arbeitszeiten, schlechte Ausbildungsqualität, Flucht aus Tarifverträgen“, urteilt die Gewerkschaft. Derzeit seien nur rund ein Drittel der Unternehmen tarifgebunden und zahlten meist nur den gesetzlichen Mindestlohn“, sagte ein Sprecher.

Stadtgutscheine sollen Handel und Gastro unterstützen

Viele Städte versuchen mit Aktionen den Handel und die Gastronomie zu unterstützen. Beispielsweise mit sogenannten Stadtgutscheinen. Die gibt es in Oberhausen, Wesel, Emmerich und seit kurzem auch in Duisburg. Ziel des Gutscheines ist es, den Umsatz und Gewinn im Einzelhandel, in der Gastronomie und der Kunst- und Kulturbetriebe in der Stadt nach der Lockdown-Zeit anzukurbeln. Der Stadtgutschein kann in mehreren Wertgrößen erworben und bei den an der Aktion teilnehmenden Betrieben eingelöst werden. In Duisburg machen derzeit 50 Betriebe mit. Wer einen Gutschein bis zum 24. Dezember erwirbt, erhält einen Mehrwert von 20 Prozent, maximal 20 Euro. Diesen Mehrwert zahlt die Stadt.

In Isselburg hat sich die Wirtschaftsförderung eine besondere Aktion ausgedacht. Sie verschenkt insgesamt 200 Fleecedecken an die Gastronomien – für den Außenbereich. Gäste, die durch die Pandemie Angst hätten, bei voll besetzten Tischen drinnen zu sitzen, könnten so auch bei kühleren Tagen auf der Terrasse einen Kaffee genießen.