Kleve. Einst protestierte Bruno Schmitz mit der Gitarre gegen den Brüter in Kalkar. Heute sorgt er mit dem Kulturbüro Niederrhein für gute Unterhaltung.

Wenn in der Region zum Kabarettabend, zu Comedy, zu Liedermachermusik eingeladen wird, steckt meist Bruno Schmitz dahinter. Mit seinem Kulturbüro Niederrhein und dem Kleinkunstverein cinque versorgt der 74-Jährige die Menschen weit über den Kreis Kleve hinaus mit kritischer, komödiantischer, hintergründiger, mit guter Unterhaltung auf hohem Niveau. In einem Gespräch erklärt er, wie alles angefangen hat mit seiner Liebe zur Kleinkunst und welche Rolle in jüngster Zeit ein denkmalgeschützter Turm dabei spielt.

Wie war das damals in den 1970er Jahren?

Ich muss ein wenig weiter ausholen. 1946 in Kleve geboren, hatte ich eine ganz normale, schöne Kindheit, habe recht früh ein Instrument erlernt und Geige gespielt. Als die Beatles kamen, war ich fasziniert und habe mir das Gitarre spielen beigebracht und mit dem Singen begonnen. Nach dem Abitur studierte ich Deutsch, Geschichte, Politik und Musik in Neuss. Meine Eltern wünschten sich, dass ich Lehrer werde. Also machte ich Ende 1970 mein 1. Staatsexamen und kehrte als Referendar nach Kleve zurück. Ich wollte aber etwas verändern, zeigen, dass man auch anders leben, sich mit politischen Dingen auseinandersetzen, eine klare Haltung haben kann, und ich gründete mit Freunden die erste Wohngemeinschaft in Kleve. Wir eröffneten das Haus am Damm im Klever Ortsteil Kellen.

Dann kam doch recht schnell die Zeit der Anti-Atomkraftbewegung?

Ja, es ging schnell los mit dem Kampf gegen den Schnellen Brüter in Kalkar. Es gründete sich die Interessengemeinschaft gegen radioaktive Verseuchung um die Galionsfigur Bauer Maas aus Hönnepel. Wir haben dann am 24. September 1977 eine der größten Demos gegen den Brüter organisiert. Uns war klar, dass wir lauter werden, auf die Straße gehen mussten, um den Brüter bundesweit in den Fokus zu rücken. Das war eine wichtige Phase in meinem Leben. Denn parallel zu Plakaten entwickelte sich eine neue Möglichkeit: Wir machten Lieder und Sketche. Das hat den Leuten genauso Spaß gemacht wie uns. Mit der Musik von „Laut & Lästig“ entwickelte sich daraus Anfang der 1980er Jahre eine komplett neue Kulturbewegung. Gemeinsam mit Winni Walgenbach und Didi Jünemann habe ich Straßenmusik in den Fußgängerzonen gemacht und gegen den Konsum angesungen. Wir waren zehn Jahre lang in der ganzen Republik unterwegs. Wir hatten eine Botschaft und waren voller Idealismus.

Wie ging es weiter? Sie hatten schließlich einen Beruf?

Ich musste mich entscheiden, bleibe ich weiter Lehrer oder will ich freier Künstler und Musiker sein. 1985 habe ich den Lehrerjob an den Nagel gehängt und nach gut 120 Auftritten pro Jahr mit „Laut & Lästig“ nahtlos bis 2000 zehn Jahre lang zusammen mit Gernot Voltz Kabarett gemacht. In dieser Zeit habe ich alle Künstler kennengelernt. Ob Volker Pispers, die Missfits, Herbert Knebel oder Dieter Nuhr – wir sind uns immer begegnet. Mit Ausnahme von Otto oder von der Lippe spielte keiner von ihnen in Stadthallen.

Sind wir jetzt bei der Gründung von cinque und dem Spielort Café Lensing am Klever Bahnhof?

Ich bin Klever. Mein Traum war ein eigenes Kabarett-Theater in Kleve, wo ich Gäste einladen kann und selber auftrete. Das Café von Doris und Heinz kannte ich schon als Kind, sie fanden meine Idee toll. Ich suchte und fand Mitstreiter, und wir waren schnell zu fünft. Im April 1989 haben wir cinque gegründet, das Café mit seinen 77 Sitzplätzen war von Anfang an immer ausverkauft.

Sie haben sie alle nach Kleve geholt, viele schon als sie noch gar nicht so bekannt waren. War die Gründung des Kulturbüros Niederrhein 1992 die logische Konsequenz?

Ja, im Grunde schon. Ich hatte einfach viele Leute kennengelernt, die bei mir spielen wollten. Hinzu kam, dass das Genre Kleinkunst immer bekannter wurde und immer mehr Menschen solche Veranstaltungen inszenierten. Ich denke da zum Beispiel an den Schwarzen Adler in Rheinberg, für dessen Erhalt erst kürzlich eine Genossenschaft gegründet wurde, der ich auch angehöre. Weil also die Nachfrage stieg, füllten etwa Konrad Beikircher, Richard Rogler oder Rüdiger Hoffmann, die zunächst im Café Lensing aufgetreten waren, die Klever Stadthalle. Kleinkunst ging mit den Mitternachtsspitzen ins Fernsehen und machte die Künstler bekannter.

Welche Rolle spielt es, dass Sie seit über 30 Jahren einen zweiten Wohnsitz in Köln haben?

Ich führe das Kulturbüro parallel zu meiner Tätigkeit bei der Stunksitzung, der ich seit 37 Jahren angehöre. Sie ist mein Lebensprojekt, ein tolles Gefühl auch nach so vielen Jahren noch. Wir machen das, weil wir in der Gesellschaft etwas nicht in Ordnung finden. Das war immer die Feder, die mich angetrieben hat. Die Wohnung in der Kölner Südstadt bedeutet ein Leben im Spagat. Ich mag das Leben dort bis heute, freue mich aber auch immer wieder auf den Rückzug nach Kleve.

Dann kam mit dem Klever Aussichtsturm ein neues Projekt, das nach langem Leerstand die Gaststätte und das Areal seit einiger Zeit mit neuem Leben füllt?

Ich wohne ganz in der Nähe des Turms, den ich schon aus Kindertagen kenne. Für zehn Pfennig durfte man früher hinauf und die schöne Aussicht genießen. Bei einem Spaziergang sah ich vor einigen Jahren, dass der Turm nicht begehbar war, das Restaurant geschlossen, die Wände beschmiert. Ein Schandfleck. Ich legte der Stadtverwaltung meine Ideen zur Nutzung vor, man war einverstanden. Ich erwarb das Restaurant, zunächst noch mit Freunden, das Hochplateau ist für 50 Jahre gepachtet. Wir haben alles neu gemacht.

Corona hat deine Branche besonders hart getroffen. Wie haben Sie die Zeit des Stillstandes verbracht?

Mit Spaziergängen mit meinem Freund Reinhard Berens. Dabei entstand die Idee zu „Genuss und Kultur“ am Turm. Wir besuchten auf unseren Wanderungen kreative Menschen, die dort nun sonntags Kuchen verkaufen oder zu Wein- oder Gin-Tastings einladen. Den ganzen Sommer über laden wir außerdem zu Kabarett, Waldkino, Lesungen und Musik ein.

Wir haben Sommer. Fast alle Veranstaltungen können draußen stattfinden. Wie aber geht es in den kommenden Monaten weiter?

Ich glaube, dass es eine Wende gegeben hat. Man kann die Gesellschaft nicht mehr ausschließen, zumal viele Menschen inzwischen geimpft sind. Das Kriterium sollte die Situation auf den Intensivstationen sein. Sind die Kapazitäten ausgeschöpft, kann ich Einschränkungen verstehen. Ansonsten halte ich es für richtig, Freiheiten zurück zu bekommen. Aus Sicht des Veranstalters gehe ich davon aus, dass es demnächst nur noch um die zwei G’s, Geimpft oder Genesen, gehen wird.

Wird es im kommenden Jahr endlich die legendäre und wegen Corona schon zweimal verschobene cinque-Sommernacht im Klever Forstgarten wieder geben?

Unbedingt! Wir fiebern dem 20. August 2022 entgegen!

>>> 75 Jahre NRW

Bruno Schmitz kommt ins Museum: Er hat dem künftigen Haus der Landesgeschichte am Düsseldorfer Mannesmannufer seine Gitarre, den Koffer voller Anti-Atomkraft-Aufkleber und zwei riesige Boxen überlassen. In der Ausstellung „Unser Land. 75 Jahre Nordrhein-Westfalen“ dokumentieren sie die Protestbewegung gegen den Schnellen Brüter.

Der Kleinkunstverein cinque (fünf) verdankt seinen Namen einer Italienreise in die Region Cinque Terre, aber auch den fünf Gründungsmitgliedern des Vereins.