An Rhein und Ruhr. Die einen demonstrieren jeden Freitag für den Klimaschutz, die anderen werfen Trinkpäckchen ins Gebüsch. Ein Blick auf die „Generation Greta“

Es war wieder so ein Freitag. Ein Freitag für die Zukunft. In Mönchengladbach-Rheydt zum Beispiel war erneut eine „Friday for Future“-Demo geplant. Seit Ende 2018, Anfang 2019 protestieren junge Menschen für mehr Klimaschutz. Doch wer in der Nähe einer Schule spazieren geht, findet in den Gebüschen oder auf dem Gehweg häufig weggeworfene Trinktütchen oder anderen Unrat. Achtlos weggeworfen von Kindern und Jugendlichen. Wie passt das zusammen? Ähnlich sieht es bei öffentlichen Veranstaltungen aus: Hinterher müssen die Ordnungskräfte säckeweise Unrat aufsammeln. Beim „Christopher Street Day“ kürzlich in Duisburg zum Beispiel wurden viele gute Werte des menschlichen Miteinanders beschworen, aber am Ende lagen unzählige Flaschen und Müll vor dem Stadttheater und anderswo. Ein Widerspruch? Wir wollen darum beleuchten, was es damit auf sich hat.

Dieses scheinbar unstimmige Bild zieht sich auch durch unseren „NRZ-Umweltcheck“ im Kreis Kleve. Auf die Frage, ob im Kreis Kleve mehr getan werden muss, um den Klimawandel aufzuhalten, antworteten zwar knapp mehr Menschen mit Ja (48 Prozent) als mit Nein (46 Prozent).

Forderung: Politik sollte sich mehr einsetzen

Blickt man jedoch auf die Antworten nach Altersstruktur zeigt sich ausgerechnet in der Gruppe, die altersmäßig der „Fridays for Future“-Bewegung zugeordnet wird, die zweitgrößte Ablehnung. 57 Prozent der 14- bis 19-Jährigen sind der Meinung, dass im Kreis nicht mehr getan werden müsse, um den Klimawandel aufzuhalten. 43 Prozent dieser Altersklasse sehen das anders. In dieser Altersgruppe sind die Befragten zudem am skeptischsten, dass jeder Einzelne etwas für die Klimarettung tun kann. Zwar ist die Mehrheit der Meinung, dass dem so ist. Doch während bei den 50- bis 59-Jährigen 93 Prozent der Befragten dieser Meinung sind, sind es bei den 14- bis 19-Jährigen 15 Prozentpunkte weniger.

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„Ich finde, dass jeder etwas tun kann“, sagt der 14-jährige Frederick aus Altenessen im Gespräch mit der NRZ. Regionale Produkte kaufen, zum Beispiel. Oder öfter mit dem Fahrrad fahren. Aber dann schiebt er einen Satz hinterher, der es wieder etwas einschränkt. „Was bringt es, wenn ich es alleine mache?“ Er fordert mehr Einsatz von der Politik für den Klimaschutz. Überhaupt „sollte die Politik den Kindern mehr Gehör schenken“. Er fährt zum Beispiel gern Rad, gemeinsam mit seinem Cousin. Für Essen wünscht er sich bessere und mehr Radwege, die sicherer sind. Und trotzdem er oft das Rad nutzt, möchte er auf den Führerschein, den er in Zukunft machen möchte, nicht verzichten. „Ich will einmal die Welt erkunden“, sagt er. Doch für ihn ist es klar: Das will er in einem Elektroauto tun.

Noch nie an Demos von Fridays for Future teilgenommen

An Fridays-for-Future-Demos hat Frederick noch nie teilgenommen, auch an seinem Gymnasium gab es keinen Demoaufruf. Und so richtig ausgiebig und kontrovers, so ist Fredericks Eindruck, wird über den Klimaschutz unter seinen Schulkolleginnen und -kollegen auch nicht diskutiert.

Na, was denn nun? Der Journalist Erik Albrecht und der renommierte Jugendforscher Klaus Hurrelmann kommen in ihrem Buch „Generation Greta“ zu dem Schluss., dass die Generation des Jahrgangs 2000 und jünger eine individuelle, ja vielleicht auch eine zerrissene Generation ist. Die jungen Menschen sind wieder politischer geworden, aber gleichzeitig auch misstrauisch den politisch handelnden Personen und Parteien gegenüber. Sie wollen ihr Schicksal lieber selbst in die Hand nehmen.

Zwar zeigt die noch gültige Shell-Jugendstudie von 2019 dass 71 Prozent der befragten Jugendlichen am meisten Angst vor Umweltzerstörung haben. Aber längst nicht alle von ihnen sind bei Fridays for Future aktiv.

Bei der 68er-Bewegung ging auch nur ein kleiner Teil auf die Straße

Das aber, so Buch-Autor Albrecht zur NRZ, sei schon immer so gewesen. Auch bei der großen 68er-Bewegung sei nur ein kleiner Teil auf die Straße gegangen. „Etwa zehn Prozent der Studierenden waren damals genug, um die bundesdeutsche Gesellschaft nachhaltig zu verändern“, schreiben Albrecht und Hurrelmann.

Diese Generation, sie lässt sich in keine Schublade stecken. Sie passen ein bisschen in die Grünen-Wählerschaft, aber nicht so richtig. Sie vertreten populistische Positionen wie die der AfD, aber auch nicht alle. So nimmt der Shell-Jugendstudie zufolge die Angst vor Zuwanderung zu, liegt aber in der Reihenfolge hinter der Angst vor Fremdenfeindlichkeit.

Natürlich ist es auch hier so wie in vielen allen Fragen eine Sache der Bildungsbiografien. Während Kinder und Jugendliche aus eher bildungsfernen Familien eher für populistische Äußerungen empfänglich sind, stammt der überwiegende Teil der Fridays-for-Future-Bewegung aus Elternhäusern der gehobenen Mittelschicht. Diese Generation aber versteht sich prinzipiell gut mit ihren Eltern, wie die Experten Albrecht und Hurrelmann schildern.

Und so beeinflussen Eltern die politische Meinungen ihrer Kinder. Gleichzeitig spielen die Meinungen der Freunde, die an Demos teilnehmen, mit hinein. „Wie im Rest der Gesellschaft auch ist innerhalb der Generation Greta das politische Spektrum breiter geworden“, schreiben Hurrelmann und Albrecht.